Überwachungskameras tragen zur Sicherheit bei, so eine weit verbreitete Meinung. Doch ihr Nutzen wird überschätzt und die Prinzipien des Datenschutzes bleiben auf der Strecke.
Am Donnerstag vor einer Woche annullierte das Tribunal correctionnel ein Ermittlungsverfahren gegen einen Polizeibeamten. Die Videoaufnahmen, die den Mann bei einem mutmaßlich erpresserischen Telefonanruf zeigten, stammten von Überwachungskameras der Post am Centre Aldringen. Weil diese Kameras ohne Genehmigung betrieben wurden, wertete das Gericht die Aufnahmen als illegal beschafftes Beweismaterial.
Tags drauf, nach der Brandstiftung in einem Eisenbahnzug, wurden die Aufzeichnungen der im Wagon eingebauten Überwachungskameras geborgen und den Strafverfolgungsbehörden übergeben. Sie sollen helfen, den Hergang des Unglücks zu rekonstruieren. Sollte es zu einem Gerichtsverfahren kommen, so dürfen diese Aufnahmen als Beweis benutzt werden. Wie die Datenschutzkommission gegenüber der woxx bestätigte, verfügt die CFL seit mehreren Wochen über eine Genehmigung für die Videoüberwachung in den neuen Doppelstockwaggons.
Die beiden Nachrichten scheinen zu belegen, wie nützlich solche Aufnahmen sind und wie negativ sich ein übertriebener Datenschutz auswirkt. In die gleiche Kerbe haut das Vorhaben von Justizminister Luc Frieden, in so genannten Sicherheitszonen Überwachungskameras zu installieren. Dabei nutzt er Artikel 17 des Datenschutzgesetzes, der die Datengewinnung zum Zweck der Verbrechensbekämpfung regelt. Mit einem einzigen Règlement grand-ducal wird so die Aufstellung von Kameras durch die Polizei landesweit ermöglicht, statt für jede einzelne Überwachungsmaßnahme eine Genehmigung der Datenschutzkommission beantragen zu müssen. Bahnhofsviertel, Centre Aldringen und Stadtpark werden in einer ersten Phase von dieser Art der „Vorbeugung von Straftaten“ profitieren.
Doch die von Frieden und anderen Law-and-order-PolitikerInnen versprochene Sicherheit ist nur eine Illusion. Die Zahl der Straftaten wird kaum abnehmen, sie werden lediglich eine Straße weiter begangen, oder die Täter vermummen sich. Attentate lassen sich mittels Videoüberwachung erst recht nicht verhindern, da bestätigt der Zugbrand von vergangener Woche nur die internationalen Erfahrungen.
Der bescheidenen Wirkung von Kameras steht ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre der Gefilmten gegenüber. Die offizielle EU-Datenschutzgruppe sieht sogar das Recht auf Bewegungsfreiheit gefährdet, weil das Bewusstsein, überwacht zu werden, sich auf Bewegungen und Verhaltensweisen auswirkt. Die Gruppe plädiert grundsätzlich dafür, nur so viele Daten aufzuzeichnen, wie wirklich notwendig ist. So werden bei der Kameraüberwachung in den Berliner Bussen die Bilder nur auf Knopfdruck des Fahrers aufgezeichnet – also nur dann, wenn etwas passiert. Geringfügige Verstöße, wie Gelegenheitsdiebstähle oder das Beschmutzen von Fahrzeugen, sollen nach Ansicht der Gruppe mit anderen Mitteln bekämpft werden. Sowieso hängt die abschreckende Wirkung in überwachten Zonen davon ab, ob eine schnelle Intervention möglich ist. Wo versucht wird, Polizeistreifen durch Kameras zu ersetzen, dürfte die Kriminalität sogar ansteigen.
In Luxemburg versucht die nationale Datenschutzkommission, die Flut von Anträgen zur Videoüberwachung zu bändigen. Der gesetzliche Rahmen ist dabei recht dehnbar, doch in vielen Ländern ist er fast inexistent: Wenn Videoüberwachung im Rahmen der Terrorismusbekämpfung eingeführt wird, statt im Rahmen des Datenschutzgesetzes, unterliegt sie kaum noch Einschränkungen. Doch der Siegeszug der Kameras macht vor Luxemburg nicht halt: Fast 200 Überwachungsmaßnahmen sind genehmigt, und wie viel illegal mitgefilmt wird, ist unbekannt. Zu dieser gefährlichen Entwicklung tragen Gesetze und Politiker sicherlich bei. Das Hauptproblem aber ist ein fehlendes Bewusstsein für Datenschutz bei Bürgerinnen und Bürgern.