Zwar erhält das Gesetz gegen häusliche Gewalt von allen gute Noten. Die zugrunde liegenden Probleme werden aber kaum gelöst.
„Wer schlägt, muss gehn“. Als dieses Prinzip im November 2003 in Luxemburg Gesetzeskraft erhielt, ging ein jahrelanges Tauziehen zu Ende, bei dem insbesondere die oberen Rechtswächter des Staatsrates bis dahin geltende Grundprinzipien in Gefahr gesehen hatten. Die Rede ist vom so genannten „Wegweisungsgesetz“, das im Falle von Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung in Haushalten ein Wohnungsverbot von zehn Tagen für den Aggressor – oder seltener: die Aggressorin – vorsieht. Ausgesprochen wird dieses Verbot von der Polizei, nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft. Diese vorbeugende Maßnahme sieht keine Einspruchsmöglichkeit vor und kann bis auf drei Monate verlängert werden – dann allerdings aufgrund eines richterlichen Beschlusses, der von den Betroffenen anfechtbar ist.
Aber auch in anderen Punkten beschritt das Gesetz Neuland: Wird ein Fall häuslicher Gewalt angezeigt, wird dieser weiter verfolgt, auch wenn das Opfer die Anzeige später zurückzieht. Damit behalten die mit dem Gesetz geschaffenen Hilfsstrukturen ein wichtiges Initiativrecht.
Leiten ließ sich der Gesetzgeber vom österreichischen Vorbild: Nicht die Opfer, sondern die Täter sollen die Konsequenzen aus ihrem Verhalten ziehen. Bis zum Inkraftreten des Gesetzes mussten Betroffene aus eigener Initiative eine Wohnung oder einen Unterschlupf bei Bekannten oder in Frauenhäusern finden.
Neben dem pädagogischen Effekt für den Täter, liegen die Vorteile des Verfahrens auf der Hand: Die Opfer können in ihrer vertrauten Umgebung bleiben und sie haben Zeit, weitere Schritte zu planen. Zu diesem Zweck tritt auch der neu eingerichtete „Service d’assistance aux victimes de violence domestique (SAVVD)“ auf den Plan, der den Opfern beratend zur Seite steht und pro-aktiv auf diese zugeht.
Wie eine dieser Tage vorgestellte Studie festhält, funktioniert das erst vor drei Jahren eingerichtete System recht gut. In einer Zeitspanne von zwei Jahren wurden in 619 angezeigten Fällen 361 Hausverweise ausgesprochen. Das Beratungssystem wird von den Opfern durchweg als positiv bewertet, allerdings geben nur 52 Prozent der befragten Opfer an, sich im Anschluss an das Verfahren eher oder sehr sicher zu fühlen.
Noch widersprüchlicher als dieser Aspekt der erwähnten Studie, scheinen demgegenüber die wenigen Zahlen, mit denen die Staatsanwaltschaft aufwarten kann. In 33 von 108 Fällen, die 2006 vorlagen, wurde eine Verlängerung der Wegweisung ausgesprochen. Doch wenig war zu erfahren, wie das Verhalten der Täter sich entwickelt hat.
Als „überwiegend störungsfrei“ bezeichnet die Studie die Hilfekette von Polizei, Staatsanwaltschaft und SAVVD. Dass es aber trotzdem zu unterschiedlichen Sichtweisen kommt, machte die Pressevorstellung der Bilanzstudie deutlich: Während die anwesenden Staatsanwälte auf die große Tragweite des Gesetzes hinwiesen, das selbst bei Gewaltandrohung eine Wegweisung möglich macht, wussten die Verantwortlichen des SAVVD nur von Fällen zu berichten, bei denen es bereits zu Gewaltanwendung gekommen war. Vonseiten der Polizei hieß es, man setze vor allem auf den gesunden Menschenverstand der Beamten – und auf Indizien wie Zittern und blaue Flecken. Also doch kaum präventive Eingriffe?
Ebenfalls bedenklich: Die Wegweisung wurde in vielen Fällen von den Tätern gebrochen, oft, ohne dass Polizei oder Staatsanwaltschaft davon erfuhren.
Trotzdem: Der Paradigmenwechsel hat geklappt. Es kann einer größeren Zahl von Opfern schneller geholfen werden. Und die Enttabuisierung der häuslichen Gewalt wurde eingeleitet. Es braucht zwar immer noch den Mut der Betroffenen, die Polizei zu rufen. Doch ist dieser Schritt erst einmal getan, stehen sie nicht mehr allein.