IMMIGRATION: So kriminell kann Hilfe sein

Mit einem neuen Gesetz will die Regierung künftig gegen illegale Einwanderung vorgehen. Auch Flüchtlingshilfe kann dadurch strafbar werden. Und fundamentale Einwände der Menschenrechtskommission wurden ignoriert.

Wenn es um die so genannte illegale Einwanderung geht, steht Luxemburg im europäischen Vergleich ganz gut da. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Asylsuchende ins Großherzogtum verirren, ist mittlerweile relativ gering. Nehmen wir das Beispiel eines Sudanesen, der vor der Kriegshölle in Darfur flüchten möchte. Um legal in die EU zu reisen, braucht er ein Visum. Zu bekommen wäre es nur, wenn ein Luxemburger sich bereit erklärt, für ihn zu bürgen und sämtliche Kosten seines Aufenthalts zu übernehmen. Die Zeit und die nötigen Beziehungen, sich eine solche Einladung zu besorgen, hat ein Kriegsflüchtling in der Regel nicht. Nehmen wir jedoch an, er ist immerhin glücklicher Besitzer eines gültigen Reisepasses. Er könnte beispielsweise versuchen, sich bis nach Marokko durchzuschlagen. Dort befindet sich einer der wenigen Flughäfen, von wo aus die Luxair direkt nach Luxemburg fliegt. Nun steht ihm eine neue, schier unüberwindbare Hürde bevor: Er muss die Crew davon überzeugen, dass er ein Recht darauf hat, in Luxemburg Asyl zu suchen.

Hier kommt das neue Gesetz mit der Nummer 5572, durch das vier EU-Direktiven umgesetzt werden, ins Spiel: Bis zu 4.000 Euro Strafe drohen dem „transporteur“, in diesem Fall der Fluggesellschaft, wenn der Asylantrag als „irrecevable“ oder „manifestement infondé“ zurückgewiesen wird. Mehr noch: Die Airline muss die Kosten für den Aufenthalt, die Gesundheitsfürsorge und die Rückführung des illegalen Einwanderers tragen.

Mit anderen Worten: In Agadir oder Marrakesch befindet sich eine Art privatisierter Guichet des Service des réfugiés des Immigrationsministeriums. Das Bodenpersonal im Flughafen führt eine Blitzprüfung des Asylantrags durch und schätzt die Erfolgschancen ab, ohne dass jemals ein Verfahren stattgefunden hat. Bei der drohenden Sanktion fällt die Entscheidung nicht schwer: Im Zweifel gegen den Asylsuchenden.

Es sei unwahrscheinlich, dass Fluggesellschaften ein solches Risiko eingehen, meint auch die Menschenrechtskommission in ihrem Avis zur Umsetzung der vier EU-Direktiven. Geldstrafen zwischen 500 und 125.000 Euro drohen künftig auch jenen, die illegalen Flüchtlingen helfen ins Land zu kommen, es zu durchqueren oder sich dort aufzuhalten. Von der explizit in der EU-Direktive eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme im Falle einer humanitären Hilfe zu machen, wollte Luxemburg nur teilweise Gebrauch machen. Der ursprüngliche Gesetzestext wurde auf eine verwirrende Art und Weise verändert: Bestraft werden sollen nun die, „qui auront tenté de faciliter l’entrée ou le transit irréguliers ou, dans un but lucratif, le séjour irrégulier d’un étranger“. So ganz verstanden hatten diese Unterscheidung auf woxx-Nachfrage (siehe woxx vom 3.11.) weder der Berichterstatter der Justizkommission, Marc Angel, noch der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar. Noch einmal ändern wollte man den Text jedoch offensichtlich nicht.

Die EU-Direktiven schnell umsetzen, lautet die Devise. Der Avis der Menschenrechtskommission sei erst am 10. Oktober eingetroffen, bedauert Marc Angel im Bericht der Chamberkommission. Nun habe man ihn in der Sitzung vom 6. November nicht mehr berücksichtigen können. Kaum nachvollziehbar, wenn man sich die Liste der gut nach vollziehbaren Einwände ansieht. Etwa die Kritik, dass auch in diesem Gesetz die Methoden einer Rückführung nicht festgelegt werden. Immer wieder verweisen die Verantwortlichen auf das zu erwartende Immigrationsgesetz. Dass man darin kaum postum fundamentale Flüchtlingsrechte wiederherstellen oder die Kriminalisierung von Unterstützern wieder rückgängig machen wird, steht fest. Dazu, dass die Luxemburger Tür gegenüber von vielen Flüchtlingen nun noch fester verriegelt bleibt, wird dieses Gesetz beitragen.


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