SCHWEINEPEST: Den Boden verloren

Der Luxemburger Landwirtschaftsminister zeigt echte Coolness: Während zu Hause die Schweinepest ausbricht, zieht er es vor, Tourismusminister zu sein. Doch Fernand Boden ist nicht nur auf diese Krise schlecht vorbereitet.

Manchmal schlittert ein Minister in einen Interessenskonflikt. Vor allem in Luxemburg, wo die Mehrfachbelastung der Würdenträger eine lange Tradition hat, kann es schnell dazu kommen. Wenn dann ein Agrarminister es vorzieht, sich seine Tourismusministerkappe aufzusetzen und auf Reisen zu gehen, obwohl daheim das Risiko einer Seuche unter Schweinen besteht, ist das menschlich gut nachvollziehbar. Dass derselbe Minister allerdings nicht sofort nach Hause eilt, wenn die Katastrophe wirklich perfekt ist, ist schon fast richtig „cool“.

Ob diese coole Nummer auch politisch klug war, wird der Luxemburger Landwirtschafts- und Tourismusminister Fernand Boden in den nächsten Wochen merken. In der Zwischenzeit hat er mit so manchen Altlasten zu kämpfen. Dass der Minister in dieser Hinsicht die Ruhe weg hat, darauf deutet einiges hin. Das Risiko, dass die Schweinepest eines Tages in Luxemburg ausbricht, bestand nicht erst seit gestern. Dennoch sah man offensichtlich keinen Anlass dazu, zumindest die Kontrollstellen, sprich die Labors entsprechend vorzubereiten.

Gut, dass in diesem Fall die Bauern selbst sofort wussten, was zu machen ist. Die Schwarzkittel sind Schuld, tönt es aus deren Ecke. So wortwitzig diese Aussage auch ist, sie greift zu kurz. Denn, dass einzig und allein der hohe Wildschweinbesatz Schuld an der Schweinepest ist und damit eine organisierte Schwarzkitteljagd die Lösung des Problems bringt, ist reines Wunschdenken. Ein Blick in die Fachliteratur zeigt, dass die Ursache der Schweinepest beim Hausschwein selbst liegt und diese längst nicht nur Wildschweinen, sondern ebenso von Mäusen, Katzen, Ratten oder Menschen übertragen werden kann. Experten zufolge kann vor allem die Jagd zur verstärkten Verschleppung der Viren beitragen. Es wird daher oft empfohlen, die Tiere zusammenzuhalten, gegebenenfalls einzufangen und zu schlachten, als sie etwa durch eine Treibjagd aufzuscheuchen.

Wie also lautet die Lösung? Sie besteht mit Sicherheit nicht in der Verwandlung von Schweineställen in Hochsicherheitstrakte. Oder darin, den Bauern mit Entschädigungen zu winken. Fernand Boden wird dies tun, das ist gewiss und auch erfreulich für die gebeutelten Schweinehalter. Dass die Maßnahme kaum ins Kapitel der viel (auch im Landwirtschaftsministerium) propagierten nachhaltigen Entwicklung passt, dürfte jedoch auch dem Agrarminister nicht entgehen.

Die CSV, der die unglückliche Rolle zukam, den verreisten Tourismusminister zu verteidigen, versicherte dieser Tage, Fernand Boden werde „die aktuelle Krise mit der notwendigen Kompetenz angehen“. Etwas unbeholfen bekundete die Partei „ihre volle Solidarität mit den Bauern“. Doch, dass sich Fernand Boden und seine CSV tatsächlich für den Erhalt des Luxemburger Bauernstandes einsetzen wollen, daran muss ernsthaft gezweifelt werden. Die Luxemburger Politik steckt wie viele andere in einem Dilemma: Sollen wir die Bauern auf dem Altar der Weltwirtschaft opfern oder schaffen wir Bedingungen, damit sie weiter überleben können? Auch wenn sie sich hüten, es klar zu sagen: Die meisten haben sich für ersteres entschieden. Im Übrigen eine logische Entwicklung auf dem globalisierten, kapitalistischen Weltmarkt. In den Industriestaaten lohnt es sich nun einmal immer weniger, einen Bauernhof zu betreiben.

Die Agrarwende, von der auch Fernand Boden inzwischen zumindest spricht, ist in Luxemburg nicht in Sicht. Alternativen werden selbst zu BSE-, MKS- oder Schweinepestzeiten kaum angedacht. Die CSV kann traditionell auf die Stimmen der Bauern zählen – ob sich das ändern wird, muss sich auch erst einmal bei den nächsten Wahlen zeigen. Auch, ob die Bauern bei entsprechender politischer Vorgabe zum Umdenken bereit sind. Die Pressemitteilungen der letzten Tage geben da weder von der einen noch von der anderen Seite viel Anlass auf Hoffnung.

Ein Kommentar von Danièle Weber


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