Luxemburg bleibt auf Jahre ohne echten „service public“ im Fernsehbereich. So will es ein ohne parlamentarisches Zutun ausgehandeltes Abkommen.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass öffentlich-rechtliche Sendeanstalten wie die BBC allgemein geschätzt werden. Kein Wunder auch, dass nach dem Zusammenbruch der Nazidiktatur dem deutschen Nachbarn ein an Großbritannien angelehntes Mediengesetz verpasst wurde. Es bestand in dieser Form mehr als 30 Jahre lang, bevor den „Privaten“ Tür und Tor geöffnet wurde. Diese operierten im TV-Bereich, auch von Luxemburg aus, zunächst als so genannte „Titten-Sender“. Das Publikum wurde mit Tutti-Frutti und ähnlichem den öffentlich-rechtlichen Sendern abspenstig gemacht. Es folgten andere Quoten bringende Sendeformate, fälschlicherweise Reality-TV getauft, mit teilweise menschenverachtenden Auswüchsen.
Der politische Rechtsruck in den 80er Jahren führte zu ähnlichen Entwicklungen in anderen europäischen Ländern. Die daraus entstandene Medienlandschaft mag vielfältiger und sogar pluralistischer sein, als jene aus den Gründerzeiten, ob sie tatsächlich besser wurde, steht auf einem anderen Blatt.
Luxemburg beschritt in Sachen Medienpolitik von Anfang an einen Sonderweg. Als nur terrestrisch ausgestrahlt wurde, verpachtete man die dem Lande auf der Basis internationaler Abkommen zustehenden Frequenzen – zuerst für den Rundfunk und später fürs Fernsehen – meistbietend per Konzession. Unser erstes TV-Programm war eines für die französisch sprechenden Nachbarn – „Bonux“ und „Pétrole Hahn“ sei Dank. Die Luxemburger selber profitierten vom kostenlosen Qualitätsfernsehen der Anrainer. Ein „win-win“-Szenario wie es im Buche steht: Der Staat kassiert Steuern beim Medienunternehmen und hat keinerlei Ausgaben. Unpopuläre Mediengebühren braucht er gar nicht erst zu erheben, und die ZuschauerInnen merken nicht einmal, dass sie eigentlich alle SchwarzseherInnen sind. Erst in den 70ern wurde ihrem Grundbedürfnis nach regional ausgerichteter Information entsprochen. Fortan durften sie einmal wöchentlich ein auf sie zugeschnittenes Programm in luxemburgischer Sprache anschauen.
Die Diskussion um ein unabhängiges, öffentlich getragenes Radio- und Fernsehprogramm entbrannte in Luxemburg ironischerweise erst, als es um die Liberalisierung der Medienlandschaft ging: Die Bewegung der freien Radios hatte deutlich gemacht, dass Luxemburg zwar mächtig von der Liberalisierungswelle bei den Nachbarn profitierte, zu Hause aber eine der rigidesten Rundfunkpolitiken in ganz Europa betrieb, die erst mit dem Mediengesetz von 1991 aufgebrochen wurde. Während anderswo in Europa „Liberalisierung“ mit „Privatisierung“ einherging, wurde dank der neuen Medienvielfalt zum ersten Mal ein staatlicher Radiosender möglich, der allerdings die 70- jährige Verspätung nie aufzuholen verstand.
Eine ähnliche Entwicklung hätte auch im Bereich des Fernsehens stattfinden können. Stattdessen schreibt der letzte Woche mit CLT-Ufa unterschriebene Konzessionsvertrag die bisher geltende Rollenverteilung fort: Die Regierung vergibt ihr Sendemonopol und handelt sich dafür ein von RTL erstelltes Programm ein. Aus volkswirtschaftlicher Sicht mag man sich über den Deal freuen, insbesondere wenn dadurch als „kleiner Nebeneffekt“ 600 RTL-Group- und BCE-Arbeitsplätze bis 2020 abgesichert werden.
Doch bleibt mehr als nur ein schlechter Nachgeschmack, wenn man sich vor Augen führt, dass die Regierungsparteien sich endgültig von der Idee eines echten „service public“, wie er auch dem „Conseil national des programmes“ vorschwebte, verabschiedet hat. Betrüblich ist auch die undemokratische Form der Ausarbeitung des Konzessionsvertrages. Medienpolitik ist ja kein Nebenkriegsschauplatz, sondern ein Kernbereich jeder demokratisch ausgerichteten Gesellschaftsform. Der Staat veräußert ein ihm anvertrautes Monopol, und sieht sich nicht einmal genötigt, die Zustimmung des Parlaments – und zwar in Form eines Gesetzes – einzuholen. Kaum vorzustellen, dass eines Tages die Polizei per Handschlag, die Justiz per Ausschreibung und das Erziehungswesen auf Ebay meistbietend veräußert würde! Oder etwa doch?