UMWELT: Politik per Wunschzettel

Ob Umfragen erlauben, eine bessere Politik zu machen, ist fraglich: Zusammenhänge sind im „multiple choice“-Verfahren nur schwer zu erfassen.

Luxemburgs Stammtische sind nicht mehr das, was sie mal waren. Wollte man früher wissen, wie dem Volke zumute ist, genügte ein Besuch in den einschlägigen Kneipen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Heute muss es schon die ILReS, Pardon: tns-ilres, sein, wenn es zu erfahren, gilt wie es die Bevölkerung mit bestimmten politischen Fragen hält.

Im Monat Februar wurden so im Auftrag des Umweltministeriums tausend Personen im Alter von über 15 Jahren per Telefonumfrage auf ihr grünes Herz hin überprüft. Der Umweltminister scheint einen sicheren Job zu haben, denn fast achtzig Prozent der Befragten fanden, Umweltschutz sei „sehr wichtig“ oder „wirklich sehr wichtig“. Bei der Hitparade der wichtigsten Teilaspekte des Umweltschutzes liegt, wie kaum anders zu erwarten, der Klimaschutz mit 93 Prozent in Führung, gefolgt von einer alten Bekannten: Die Abfallreduzierung, mit der in den Siebzigern die moderne Umweltpolitik ihren Anfang nahm, steht wieder hoch im Kurs – wohl auch deshalb, weil die Umfrage kurz nach der jüngsten Sensibilisierungskampagne zum Gebrauch von Mehrwegtüten in den Supermärkten durchgeführt wurde. Weniger prominent ist hingegen der Verlust der Artenvielfalt oder gar die viel besprochene nachhaltige Entwicklung.

Auch wenn es auf den ersten Blick beruhigen mag, dass der Stellenwert der Umweltpolitik sehr hoch angesiedelt ist, so wird doch deutlich, dass der Zusammenhang unterschiedlicher Problemfelder kaum erkannt wird. Dieser Verdacht bestätigt sich auch, wenn es darum geht, die persönliche Bereitschaft des Einzelnen zu messen, etwas für die Umwelt zu tun. Energie sparen oder auf Verpackungen verzichten, zum Beispiel, wollen mehr als acht von zehn Befragten – weniger Fernreisen unternehmen oder gar das Auto beim Weg zur Arbeit mit anderen teilen will nur eine Minderheit. Klappt es nicht mit dem Verzicht, sollen Ökotaxen den nötigen Ansporn geben. Doch auch hier ist die Bereitschaft, dem Individualtransport als Klimakiller Nummer Eins an den Kragen zu gehen, am geringsten. Während einer Teuerung beim Wasser, den Lebensmitteln oder dem Haushaltsstrom noch eine Mehrheit zustimmt, ist es nur eine Minderheit, die bereit ist, beim Autotransport dazuzulegen, sei es über den Spritpreis, eine Straßenmaut oder für den begehrten Stellplatz.

Auch wenn die Auswertung der ILReS-Umfrage wenig Überraschendes an den Tag gebracht hat, dürfte sie dem Umweltminister doch einiges Kopfzerbrechen bescheren. Den Leuten nicht zu sehr in die Tasche greifen, aber strengere Vorschriften erlassen – so könnte der Tenor der Umfrage lauten. Und dann soll Luxemburg auch noch eine Vorreiterrolle in Sachen Umweltschutz spielen – eine Forderung, der sich nur zwölf Prozent der Befragten widersetzen.

Dass Luxemburg sich eher von diesem Ideal entfernt, als sich ihm anzunähern, wissen sogar die Autolobbyisten: Damit Autofahren überhaupt noch Spaß macht, müssen weniger Autos fahren. Hat man vor Jahren die Tram noch erfolgreich bekämpft, lechzt man jetzt nach Möglichkeiten, die Straßen von unnützem Verkehr zu befreien. Auch wenn es hier nur um Imagepflege gehen soll, ist jetzt doch der Moment gekommen, diesen Stimmungswandel auch endlich in sinnvolle Politik umzumünzen.

Die Umfrage zeigt: Es besteht ein immenser Nachholbedarf in Sachen Aufklärung. Und die wird vor allem mit starken Symbolen vorangetrieben. Vor mehr als einem Jahrzehnt haben die Umweltschützer die Schlacht um die Nordstraße verloren – genau zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Umkehr auch ohne Heulen und Zähneknirschen noch möglich gewesen wäre.

Jetzt steht der nächste „showdown“ vor der Tür: Die Debatte um die Adolphe-Brücke und ihre zukünftige verkehrstechnische Rolle dürfte einen ähnlichen Symbolcharakter haben, wie 1994 der Gréngewald. Und hier ist die Politik am Zug, nicht die ILReS.


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