Ob der EU-Konvent tatsächlich für frischen Wind in der EU-Politik sorgen wird, darf bezweifelt werden. Die Zusammensetzung und der Auftakt des Gremiums geben nicht viel Anlass zur Hoffnung.
„Mehr Demokratie“, „Bürgernähe“ und natürlich „Reform“ oder gar „Effizienz“ sind seit geraumer Zeit die großen Wörter in der europäischen Institutionspolitik. Die Europäische Union hat Probleme. Nicht nur, dass sich trotz gemeinsamer Währung kaum jemand für das interessiert, was in Brüssel passiert. Die Osterweiterung rückt bedrohlich nahe und der EU-Apparat ist keineswegs darauf vorbereitet. Seit vergangener Woche gibt es einen neuen Hoffnungsschimmer am Horizont: der Europäische Konvent. Das Gremium aus Parlamentariern und Regierungsvertretern hat ein Jahr lang Zeit, die großen Worte mit Inhalten füllen. Es soll das leisten, was EU-Gipfel für EU-Gipfel fehl schlug – eine effiziente Reform der Europäischen Institutionen, um die EU für die Aufnahme der neuen Kandidaten fit zu machen und ihr nebenbei zu mehr Demokratie und mehr Bürgernähe zu verhelfen.
Diesmal muss es klappen, so die Devise. Noch nie gab sich Brüssel derart demokratisch, jubeln selbst die, die sonst kritisch auf die Zentrale der Europäischen Union blicken. Dieser Konvent sei eine kleine Revolution meint der deutsche Europa-Abgeordnete Klaus Hänsch (SPD). Doch schon der Auftakt des Konvents dürfte selbst den größten Euro-Optimisten die Euphorie genommen haben. An die Spitze setzten die Staats- und Regierungschefs der EU noch am selben Tag, an dem sie den Konvent aus der Taufe hoben, ganz „demokratisch“ drei alte Hasen mit europäischer Führungsqualität: Valérie Giscard d’Estaing, Jean-Luc Dehaene und Guiliano Amato. Dass unter den 105 Mitgliedern aus 28 Ländern gerade einmal ein gutes Dutzend Frauen sind, fiel erst auf, als die nationalen Nominierungen so gut wie abgeschlossen waren. Ebenso, dass keines der Mitglieder der Altherrenrunde unter 35 ist.
Doch die Kritik, der Konvent gehe über die EU im „old style“ nicht hinaus, will Giscard d’Estaing nicht auf sich sitzen lassen. Zum Auftakt des Konvents läutete er am Freitag vorsorglich auch eine „lange Zuhörphase“ ein. Eine Phase, in der man vor allem den jungen europäischen Bürgern und den Erweiterungskandidaten zuhören wolle. Wer wann wie lange und worüber reden darf, will der 71jährige Präsident des Konvents gerne selbst entscheiden. Der Vorsitzende legt alleine die Reihenfolge der zu behandelnden Themen fest. Auch das Zuhören soll nicht überstrapaziert werden. Denn der Konvent wird laut Präsidentenverfügung lediglich in den elf Arbeitssprachen der EU tagen, die „Neuen“ müssen sich sprachlich in dieses Modell integrieren.
Zuviel mitreden sollen die Vertreter der Erweiterungsländer ohnehin nicht: Im Präsidium wurde kein Mitglied der Kandidaten zugelassen – in dem übrigen Gremium stellen sie immerhin ein Drittel der Delegierten. Ganz demokratisch gaben sich zum Auftakt auch diejenigen im Konvent, die der neuen EU-Runde eigentlich erst den richtigen demokratischen Touch gaben: die Vertreter der nationalen Parlamente. Am Donnerstag mussten sie erst einmal eine Stunde lang darüber debattieren, ob die Presse an ihren Sitzungen teilnehmen darf oder nicht. Die Prozedurfragen wollte man dann doch lieber unter sich beraten.
Was das eigentliche Ziel des Konvents, die Reform, betrifft, so ließen weder die Reden von Giscard d’Estaing, noch die von Kommissionspräsident Romano Prodi einen Zweifel aufkommen. Auch dieses neue EU-Gremium wird nach dem konventionellen EU-Muster vorgehen und versuchen, europäische Einheit und nationale Vielfalt unter einen Hut zu bringen. Wie „europäisch“ sich die Luxemburger Delegation geben wird, darf mit Spannung erwartet werden. Sprachlich gab sich der überzeugte Franzose Giscard d’Estaing am vergangenen Freitag immerhin Mühe: Bevor er ein knackiges „Vive l’Europe“ lancierte, hatte er die Anwesenden in den elf Amtssprachen der EU … und in Polnisch begrüßt.Ein Kommentar von
Danièle Weber