Wie ruhig es wohl auf der Erde wäre, ohne die Menschheit. In „Dust“ erzählt der luxemburgische Jungregisseur Max Jacoby eine verstörende Geschichte über drei Personen, die sich in einer verlassenen Welt an die Liebe klammern. Ästhetischer könnte das postapokalyptische Drama nicht sein, doch unendlich lange Szenen bremsen den Rhythmus des Films immer wieder.
Äpfel pflücken, schwimmen und manchmal zum alten Grammophon tanzen. Dies ist der Alltag von Elodie (Catherine Steadman) und Elias (Olly Alexander), einem jungen Zwillingspaar, das alleine in einer verlassenen Villa lebt. Doch nicht nur ihre Bleibe ist leer: die ganze Menschheit ist bis auf eine handvoll Überlebender ausgestorben oder verschwunden; was genau diesen Untergang ausgelöst hat, wird dem Zuschauer nicht verraten. Beide leben seitdem isoliert in ihrem Paradies, umgeben von einer verwilderten Landschaft.
Eines Tages aber wird das idyllische Leben des Geschwisterpaars durcheinander gebracht als sie nach einem Badeausflug einen bewusstlosen und verletzten Mann finden. Die beiden nehmen Gabriel (Andrew Hawley) auf und pflegen seine Wunde. Obwohl die Geschwister ihm gegenüber anfangs misstrauisch sind, beschließen sie, ihn bei sich leben zu lassen bis seine Wunde verheilt ist. Der Neuankömmling war unterwegs um Verwandte zu suchen, als er angeschossen wurde. Er will bald wieder zu seiner Mutter zurückkehren.
Doch während die Geschwister ihren Alltag mit dem Findling teilen, kommen sich Elodie und Gabriel langsam näher. Sie entscheiden sich, anfangs ihre Liebe vor Elias geheim zu halten, doch der eifersüchtige Bruder merkt, dass sich beide abends heimlich treffen. Elias verlangt von Gabriel, dass er ein Fahrzeug findet und wieder abreist. Gabriel erfährt seinerseits, dass die Isolation das Geschwisterpaar enger zusammen geschweißt hat, als ihm lieb ist. Elodie, die zwischen den Fronten steht, überredet ihren Bruder jedoch, mit Gabriel und ihr mitzufahren. Es beginnt eine Reise ins Ungewisse, bei dem die Dreiecksbeziehung noch verzwickter wird, als sie bereits ist.
Obwohl die Spannung im Film nun etwas zunimmt, bleibt der Ablauf der Geschichte durch lange Aufnahmen von Fensterbänken, Landschaften und nachdenklichen Gesichtern immer noch schleppend. Die jungen Schauspieler liefern facettenreiche und glaubwürdige Darbietungen, trotzdem ist einem das Schicksal der drei Personen spätestens in der zweiten Hälfte des Films gleichgültig. Dies liegt auch daran, dass Dialoge nur sehr spärlich eingesetzt wurden und oft eine gefühlte Ewigkeit zwischen einer Frage und einer Antwort vergeht.
Die Stärke des Films liegt in der post-apokalyptischen Stimmung, die durch die herbstlichen Töne, einsamen Landschaften und verlassenen Häuser nicht schöner und effizienter dargestellt sein könnte. Hier hat Max Jacoby heimische Orte in Szene gesetzt, wie es die luxemburgische Kinowelt so noch nicht erlebt hat. Vor allem der Stausee im Norden des Landes, in dem Elodie und Elias schwimmen, fischen und gelegentlich zwischen den riesigen Pfeilern einer Brücke rudern, ist wunderschön auf der Leinwand. Auch die Bilder der verlassenen Avenue de la Liberté und der Viaduc-Brücke in der Hauptstadt sind atemberaubend. Szenenbildnerin Christina Schaffer hat hier die ausgelöschte Vergangenheit dargestellt und gleichzeitig auf eine hoffnungslose, dunkle Zukunft hingewiesen.
Trotz seiner Rhythmusschwierigkeiten bringt „Dust“ mit seiner gewagten Story und den atemberaubenden Bildern auf jeden Fall frischen Wind in die luxemburgische Filmwelt und man kann gespannt sein, wie Max Jacoby sich als Regisseur weiterentwickelt.
Im Utopia