ENQUETE-KOMMISSION: Zauberlehrlinge und Brandstifter

Drei Monate versuchte die Abgeordnetenkammer vergeblich Licht in das Dunkel der Vergabe von internationalen Transportlizenzen zu bringen. Das Scheitern war vorprogrammiert.

Eine ungewohnte blau-rote Koalition versuchte dieser Tage die Chamber davon abzuhalten, eine „commission d’enquête“ im Zusammenhang mit den Unregelmäßigkeiten im Bereich des internationalen Transportwesens anstelle einer einfachen Spezialkommission
einzurichten. Der amtierende liberale Minister Grethen und der ehemalige sozialistische Minister Bodry sahen Brandstifter, Hexenmeister oder Zauberlehrlinge am Werk, die versuchten, die Gewaltentrennung im Staate Luxemburg zu untergraben. Schützenhilfe
bekamen sie vom Rechtsanwalt eines hohen Staatsbeamten im Ruhestand, der im Zusammenhang mit der Affäre um die Vergabe von internationalen Transportlizenzen an luxemburgische Transporteure unter Anklage steht. Der streitbare Jurist behauptete in einem
Brief an den Chamber-Präsidenten, er werde einen „Parallel-Prozess“ gegen seinen Mandanten nicht tolerieren.

Im Vorfeld der Parlamentsentscheidung, hatte Transportminister Grethen versucht, die Fraktionsvorsitzenden der drei großen Parteien davon abzuhalten, eine entsprechende Resolution im Plenum einzubringen. Dass er dabei die kleineren Fraktionen außen vor
lassen wollte, war mehr als ein Faux-pas: Da die drei großen Parteien im Untersuchungszeitraum, also in den letzten zwölf Jahren, alle irgendwann in Regierungsverantwortung standen, hätte ihnen die Blockade einer „commission d’enquête“ sehr schlecht zu
Gesicht gestanden.

Es ist demnach nicht verwunderlich, dass sogar die ParteikollegInnen des Transportministers an ihrer ursprünglichen Entscheidung festhielten und dem fraktionsübergreifenden Resolutionsentwurf zustimmten. Natürlich ist es ein ernster Vorgang, wenn die
Abgeordnetenkammer sich selber untersuchungsrichterliche Kompetenz zugestehen muss. Aber sie tat das nicht leichtfertig und unüberlegt: Die Gefahr, dass wichtige Zeugen von sich aus oder auf Geheiß ihrer Vorgesetzten die Antwort in der Spezialkommission
verweigern würden, war von Anfang an bekannt. Minister Grethen hoffte, mit gutem Zureden die Staatsanwaltschaft dazu bewegen zu können, maßgebliche Dokumente der Chamber auszuhändigen, um so einen institutionellen Streit zu vermeiden. Doch haben
die vergangenen drei Monate gezeigt, dass gerade weil es auch strafrechtliche Aspekte in dieser Affäre gibt, eine einfache Parlamentskommission nicht vorankommen kann.

Natürlich müssen die Kommissionsmitglieder sich entsprechend ihrer neuen Rolle verhalten. Für die strafrechtlich relevanten Aspekte der Affäre gelten die gleichen Regeln hinsichtlich des Schutzes der Angeklagten wie im eigentlichen Untersuchungsverfahren.
Aber die Kommission verfolgt gänzlich andere Interessen. Es geht nicht darum, einzelne Personen abzuurteilen oder gar ein gerechtes Strafmaß für sie zu bestimmen. Vielmehr gilt es, im Sinne eines öffentlichen Interesses zu handeln und eine Antwort auf die
Frage zu finden, wie es möglich war, dass über Jahre in einem Ministerium eine solche Praxis aufrechterhalten werden konnte. Genau hier setzt die Rolle des Parlamentes als Kontrollorgan der Exekutive ein. MinisterInnen, StaatssekretärInnen aber auch
hohe StaatsbeamtInnen sind in diesem Sinne keine normalen StaatsbürgerInnen: Sie müssen, was ihre offiziellen Tätigkeiten anbelangt, „kontrollierbar“ bleiben.

Die bisherigen Arbeiten der Spezialkommission haben gezeigt, dass eine solche Kontrolle im vorliegenden Fall nicht möglich war. Beamte verweigerten die Aussage oder wurden gar von ihren Vorgesetzten angehalten, zu Terminen nicht zu erscheinen. Ganze
Berufstände, etwa die Zollverwaltung, blieben der Veranstaltung fern. Und die Justiz weigerte sich zu kooperieren.

Wenn es doch zu einem „Parallel-Prozess“ kommen musste, dann deshalb, weil es Interessensgruppen gibt, die die Spezialkommission haben auflaufen lassen. Wozu also jetzt die ganze Aufregung?


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