INSTALLATIONEN: Champions League

Eine Mauer ist in erster Linie ein Wall der bestimmte Dinge vor der außerhalb liegenden Umwelt abschotten soll. Das mag der Grund sein, warum die meisten Besucher die von Claudia Passeri errichtete Mauer nicht als Grenze akzeptieren, sondern direkt versuchen, den Bereich hinter der Mauer zu ergründen und sie so einreißen.

Diese Mauer entstand als Auftragsarbeit für das CAPe in Ettelbrück und wird derzeit im Rahmen der Reihe „Junge luxemburgische Künstlerinnen im Porträt“ unter dem Titel „Campione“ präsentiert. Dabei ist Passeri speziell auf die ihr zur Verfügung stehenden Gegebenheiten vor Ort eingegangen. So erhebt sich die Mauer aus roten Blocksteinen zwischen Theke und Galerie im Foyer des CAPe und gerät in ihrer vollen Breite in den Blick des eintretenden Besuchers. Roh und unverputzt wirkt sie auf den ersten Blick wie hastig aufgestellt zum Schutz gegen eine bevorstehende Flut. Der Gegensatz zum Foyer könnte kaum größer sein. Die 1977 geborene Künstlerin hat sich durch ihre Ausbildung in Luxemburg, Bologna, Brüssel und Rom breit gefächert aufgestellt. Dementsprechend ist sie in vielen künstlerischen Bereichen zu Hause und setzt nicht nur Installationen um, sondern arbeitet auch mit Skulpturen, Grafiken und Skizzen oder den Mitteln der Fotografie und des Films.

Ihr Talent hat sie schon bei einigen Ausstellungen in mehreren Ländern Europas unter Beweis stellen können und gehört unter anderem auch zu den Mitbegründerinnen der „Agentur Borderline“, die anlässlich des europäischen Kulturjahrs 2007 ins Leben gerufen worden ist. Dabei kann man Passeri in ihrer Themenwahl kaum Belanglosigkeit vorwerfen, stellt sie in ihren Arbeiten doch oft gesellschaftskritisch aktuelle Bezüge her. Ihr Hauptaugenmerk liegt hier auf den jeden Einzelnen einschränkenden Ängsten und einer daraus resultierenden Überwachungsparanoia, den Migrationswellen verursacht aus dem Wunsch nach einem besseren Leben. Aber auch so vermeintlich profane Dinge wie das organisierte Verbrechen. Ihr bekanntestes Werk ist wahrscheinlich ihre Mahnung über die Auswanderungswellen, die aus den minder entwickelten Ländern über die erste Welt hereinbrechen. Passeri hat diese Wellen als Schwarm aus Papierheuschrecken dargestellt, der sich über einen „undefinierten geografischen Raum“ ausbreitet. Was man auf der einen Seite als Hinweis auf die davon ausgehende Gefahr betrachten kann, ist ein Weckruf an die satten Gesellschaften, die dieses Bild selbst als Schreckgespenst ausmalen, und prangert unsere verlogene Moral des „alle Menschen sind gleich“ mit an.

In diesem Zusammenhang steht auch ihre aktuelle Arbeit im CAPe. In der Umgebung des wohlgeordneten Foyers wird die Mauer auch zur Mauer in unseren Köpfen, aber auch zum Abwehrwall, zur abgeriegelten Grenze durch die Nichts herein, aber auch Nichts hinaus dringen soll. Doch ganz abschotten lässt sich unsere Welt nicht, in der es selbst den meisten an der Armutsgrenze lebenden Teilen der Bevölkerung noch besser geht als dem durchschnittlichen Afrikaner oder Inder. Bei uns hängen die Früchte tiefer und die Heilsversprechungen, die sich die Einwanderer erträumen, sind gewaltig. So ragt über der Mauer der mit Stoffstreifen behängte Wunschbaum empor und hinter einem unscheinbaren, verschlossenen Fenster sitzen wir und genießen unseren „Himmel in einer kleinen Kammer“.

Im Hinblick auf die entfachten Revolutionen in Nordafrika und Arabien ist es Passeri abermals gelungen ein brisantes, aktuelles Thema aufzugreifen und mit reichlich Spielraum in der Interpretation umzusetzen, der den Betrachter lange beschäftigen kann.

Bis zum 22. März im Cape.


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