Der erste Bericht von Marc Fischbach als Kontrolleur geschlossener Anstalten liegt jetzt vor.
Sein Nebenjob ist ganz nach seinem Gusto: Vor einem Jahr wurde Ombudsmann Marc Fischbach zusätzlich zum „contrôleur externe des lieux privatifs de liberté“ berufen. In dieser Funktion darf er zu jeder Zeit nicht nur geschlossene Anstalten besuchen und Einblick in Akten verlangen – er kann auch selber entscheiden, welchen Missständen er nachgehen will. Als Ombudsmann ist sein Aktionsfeld beschränkter: Damit er tätig werden kann, muss eine Klage eines Betroffenen vorliegen, und seine Interventionen betreffen ausschließlich direkt in der Verantwortung des Staates liegende Strukturen.
Der erste Bericht widmet sich vor allem der Aufnahmeprozedur in den Haftanstalten. Dieser Vorgang, bei dem leicht die Grenzen einer noch menschenwürdigen Behandlung überschritten werden könnten, sei für die Gefangenen von einschneidender Bedeutung, so Fischbach. Ein weiterer Schwerpunkt ist die medizinische Betreuung der Gefangenen.
Im Herbst 2010 stattete Fischbachs Team, dem auch drei medizinische Experten der Uni Liège angehörten, den Haftanstalten von Schrassig und Givenich mehrere Besuche ab. Dabei wurden Gespräche mit insgesamt 150 Personen geführt – gut die Hälfte davon Gefangene. Herausgekommen sind 99 konkrete Verbesserungsvorschläge. Zumindest in vier Bereichen sieht der Kontrolleur akuten Handlungsbedarf.
Als erstes bemängelt Fischbach, dass Gefangene bei Arztbesuchen außerhalb des Gefängnisses mit Hand- und teilweise auch Fußfesseln dem Arzt vorgeführt und in diesem Zustand – zusätzlich im Beisein von zwei Beamten – von ihm auch behandelt werden. Das sei unvereinbar mit den Intimrechten des Patienten und dem Berufsgeheimnis des Arztes. Nur in Gefahrensituationen und auf ausdrücklichen Wunsch des Arztes seien solche Maßnahmen zu rechtfertigen. Entsprechendes gelte für die Behandlung in Krankenhäusern, wo die Gefangenen während der Untersuchungen mit Handschellen an ihre Pritsche fixiert werden. Auch Anweisungen, wonach das medizinische Personal keine privaten Gespräche mit den ihnen anvertrauten Gefangenen führen dürften, seien nicht hinnehmbar.
Hinsichtlich der medizinischen Versorgung in den Gefängnissen wiederholt der externe Kontrolleur eine Kritik, die er schon als Ombudsmann vorgebracht hatte: Es fehle eine zentrale Koordinationsinstanz, die es erlaubt, eine auf die Bedürfnisse der Gefangenen ausgerichtete Versorgung zu organisieren. Stattdessen herrsche Chaos, was teilweise zu widersprüchlichen und somit auch gesundheitsgefährdenden Behandlungen führen könne.
Eine weiteres wichtiges Anliegen ist Fischbach das Drogenproblem in den Anstalten. Von den etwa 240 Drogenabhängigen nähmen nur etwa 100 an einem Substitutionsprogramm teil, nicht mehr als insgesamt sechs Insassen unterzögen sich einem vom Programm „TOX“ überwachten Entzug. Es sei nicht verwunderlich, dass es trotz Verbots Drogen im Gefängnis gebe. Hier fordert Fischbach zwar einerseits, die Kontrollen zu verstärken und dafür auch das notwendige Personal und endlich auch speziell trainierte Hunde bereitzustellen. Doch gesteht er auch ein, dass ein Gefängnis ohne Drogen eine mindestens ebenso große Illusion ist wie eine drogenfreie Gesellschaft. Deshalb plädiert er für eine noch bessere Betreuung durch die Sozialdienste, die in dieser Frage allerdings hoffnungslos überfordert seien.
Am anschaulichsten fällt der vierte Hauptkritikpunkt aus. Anhand von Fotos wird dokumentiert, wie schlecht es um die hygienischen Bedingungen in den Haftanstalten bestellt ist. Mangelnde Hygiene sei aber auch eine Ursache für den schlechten Gesundheitszustand vieler Häftlinge. Jede Verbesserung der Menschenrechtslage in den Gefängnissen erfordere daher auch die Beseitigung solcher unzumutbarer Zustände. Die Umsetzung seiner Forderungen, so Fischbach, koste zwar Geld, aber ein humaner, nicht menschenverachtender und auf Resozialisierung ausgerichteter Strafvollzug werde die Gesellschaft am Ende zweifellos weniger teuer zu stehen kommen.