Studentenwohnungen: Studierende Überlebenskünstler

In ihren Broschüren wirbt die Uni Luxemburg mit multikulturellem Ambiente und niedrigen Einschreibegebühren für Studierende jeglicher Herkunft. Derweil haben vor allem internationale Studenten oft erhebliche Schwierigkeiten, bezahlbare Wohnungen zu finden.

Das Studentenwohnheim im ehemaligen Dominikanerkloster auf Limpertsberg ist voll besetzt. Trotzdem gebe es jedes Jahr viele Neuankömmlinge, die dringend eine Wohnung benötigen so Alexandre Nadialine
(Cercle des Etudiants Africains du Luxembourg).

Der Statec teilte vergangene Woche mit, dass die Preise für Appartements in Luxemburg im zweiten Trimester 2011 um 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind. Damit bestätigt das Statistikamt einmal mehr den Trend der stetig steigenden Immobilienpreise. Eine Problematik, die Agnès Rausch, Beauftragte des christlichen Studententreffs Lisel (Lieu d’initiatives et de services des étudiants au Luxembourg) schon lange kennt: „Mit dem Problem der hohen Wohnungspreise bin ich konfrontiert, seit ich in Luxemburg Sozialarbeit betreibe.“ Seit jeher mache das teure Wohnen den weniger Bemittelten am meisten zu schaffen. Zu denen zählen auch viele der von Lisel betreuten Studenten, die mehrheitlich aus Ländern fernab des Großerherzogtums stammen.

Auch Dominique Faber, Mitarbeiterin des Hochschulministeriums, kennt die Sorgen der Studenten. Ab 2002 arbeitete sie, im Zusammenhang mit der bevorstehenden Uni-Gründung (August 2003), an der Aufstellung eines Angebots von Studentenwohnheimen in Luxemburg. „Das grundlegende Problem in Luxemburg sind die allgemein sehr hohen Bau- und Mietpreise. Das machte die Herausforderung, für Studenten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, noch größer“, erklärt sie. Da Studentenwohnheime in Luxemburg nicht vom Staat subventioniert werden, habe auch das Ministerium darauf achten müssen, keine zu teuren Verträge abzuschließen, um die Mieten für Studenten möglichst niedrig zu halten.

Heute, acht Jahre nach ihrer Gründung, verfügt die Uni Luxemburg über 475 Studentenwohnungen, die zu einem durchschnittlichen Preis von 350 ? angeboten werden. Laut Dominique Faber entspricht dies jedoch noch nicht dem anfänglich angepeilten Kontingent: „Etablierte Unis in der Umgegend verfügen in der Regel über genügend Wohnungen, um etwa 20 % ihrer Studenten zu beherbergen. Dies ist auch unser Ziel.“ Bei einer Gesamtzahl von mittlerweile 5.177 Studenten (2010/2011) fehlen also noch über 500 Einheiten an der anfänglich ins Auge gefassten Menge. Auf Anfrage lässt Hochschulminister François Biltgen vage verlauten, das Ministerium arbeite zusammen mit der Uni daran, die Zahl der Studentenwohnungen vorläufig auf 600 anzuheben. Die eigentliche Verantwortung in Wohnungsfragen liege jedoch mittlerweile bei der Uni selbst.

Same procedure as every year

Im Moment ist daher die Wohnungssuche, insbesondere für viele internationale Studenten, unverändert schwierig. Auch Biagui Alexandre Nadialine, Präsident des Cercle des Etudiants Africains du Luxembourg (Ceal), stellt sich zu Semesterbeginn wieder auf chaotische Zustände ein. Jedes Jahr stünden zahlreiche Studenten bei ihrer Ankunft in Luxemburg ohne gesicherte Wohnung da. Viele Neuankömmlinge müssten deshalb vorübergehend in Jugendherbergen untergebracht werden. „Diese Situation ist nun wirklich nicht ideal, besonders für Studenten die sich in einem komplett neuen kulturellen Umfeld erst zurechtfinden müssen“, kritisiert der Studentenvertreter. Der Ceal bemühe sich daher, die Ankommenden so gut wie möglich zu unterstützen: „Wir holen Eintreffende am Flughafen ab, bringen sie zur Jugendherberge und helfen bei der Wohnungssuche.“ Die Tatsache, dass der Studentenbund hierbei schon eine Routine entwickelt hat, zeigt zur Genüge, dass es sich bei diesen Fällen nicht um seltene Ausnahmen handelt. Nadialine würde sich deshalb mehr Unterstützung vonseiten der Uni wünschen.

Der Wohnungsbeauftragte der Uni Luxemburg, Marc Rousseau, hält jedoch dagegen: „Studieren ist für junge Erwachsene ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstständigkeit.“ Daher rechne man auch fest mit einer gewissen Eigeninitiative der Studenten. Für eine Unterkunft im Uni-Wohnheim etwa könne man sich problemlos im Voraus per Internet bewerben. Eine Jura-Studentin von der Elfenbeinküste hat genau das gemacht: „Ich habe mich bereits drei Mal online beworben, das erste Mal schon vor Monaten, und habe bis heute keine Wohnung.“ Auch Alexandre Nadialine kritisiert die Aufnahmekriterien der Uni als undurchsichtig; manchmal würden Studenten auch abgelehnt, obwohl es noch freie Zimmer in Wohnheimen gebe. Außerdem müsse man oft sehr lange auf eine Antwort warten.

Es wäre jedoch sicherlich ungerecht, der Uni zu unterstellen, dass sie internationalen Studenten jegliche Unterstützung verweigert. Ein iranischer Student, seit zwei Jahren in Luxemburg, unterstreicht beispielsweise: „Ich bin bis jetzt ziemlich zufrieden mit dem Wohnungsangebot der Uni und musste auch nicht lange warten, bis ich einziehen konnte.“ Auch Marc Rousseau betont ausdrücklich: „Sämtliche 475 Wohnungen, die uns zur Verfügung stehen, sind derzeit an internationale Studenten vermietet.“ Die Uni könne nun mal nicht allen Bewerbern ein Zimmer zusichern. Der Präsident des afrikanischen Studentenbundes will denn auch nicht alles schlechtreden: „Es ist in der Tat keine einfache Aufgabe, so viele Studenten zu betreuen, und wir verstehen auch, dass die Uni nicht jedem Studenten eine Wohnung bieten kann.“ Trotzdem findet er es ärgerlich, dass gewisse Probleme jedes Jahr von neuem auftreten: „Vor allem die lange Wartezeit bis man eine Antwort auf seine Bewerbung für einen Platz im Studentenwohnheim erhält, stört uns.“ Schließlich gebe es ohne einen festen Wohnsitz kein Studentenvisum.

Fehlende Unikultur

Lange Wartezeiten ließen sich nach Alexandre Nadialines Meinung dadurch verhindern, dass die Uni neu eintreffenden Studenten provisorisch ein Zimmer zur Verfügung stellt. Dieser Vorschlag wird von Agnès Rausch befürwortet: „Auf diese Weise hätten die Betroffenen Zeit, in Ruhe alle administrativen Hindernisse zu bewältigen.“ Die Idee scheint jedoch kurzfristig schwer umsetzbar, da die Uni ja schon jetzt nicht über genügend Wohnungen verfügt. „Das Wohnungsangebot könnte aber durch eine engere Zusammenarbeit mit privaten Vermietern erweitert werden“, gibt Agnès Rausch zu bedenken.

Auf dieses Konzept baut beispielsweise die Miami University in Ohio, die auch einen kleinen Campus in Differdingen unterhält. Jedes Semester finden sich hier 100 bis 130 Austauschstudenten ein. „Wir bringen alle unsere Studenten in Familien unter, die uns für einen festgesetzten Preis Zimmer zur Verfügung stellen“, erklärt uns Christiane Dumont, Wohnungs-Koordinatorin des Differdinger Campus. Trotz konstant steigender Immobilienpreise könne sie nicht behaupten, dass es in den letzten Jahren schwieriger geworden sei, interessierte Haushalte zu finden. Es gebe jedoch auch einige entscheidende Unterschiede zur Uni Luxemburg: „Erstens sind unsere Studenten meist viel unterwegs, da sie von ihrem Semester in Europa profitieren wollen. Zweitens garantiert die Uni die Bezahlung der Miete“. Folglich könne man von einem ausgeprägten Vertrauensverhältnis zwischen Uni und Familien sprechen.

Die Uni Luxemburg und ihre Studenten stoßen dagegen oft auf Misstrauen bei privaten Vermietern. Dominique Faber beispielsweise weiß von einem gescheiterten, in Zusammenarbeit mit dem Familienministerium gestarteten Vorhaben zu berichten: Das Projekt „Babuschka“ warb bei älteren Menschen dafür, Studenten bei sich aufzunehmen, die als Gegenleistung Haushaltsarbeiten übernehmen sollten. Die Nachfrage bei den Studenten war groß, auf Seiten der Babuschkas meldete sich jedoch nur ein einziger Interessent … Dominique Faber meint, dies liege möglicherweise an der fehlenden „Uni-Kultur“ unserer Gesellschaft: „Die Uni ist noch jung, und bis sich in dieser Hinsicht ein Mentalitätswechsel vollzieht, werden wohl noch einige Jahre vergehen.“

Die Zeit, einen gesellschaftlichen Mentalitätswechsel abzuwarten, haben Studierende, die jetzt eine Wohnung brauchen, wohl kaum. Die Situation ist mit Sicherheit angespannt, allerdings sollte man die Situation auch nicht zu sehr dramatisieren: Immerhin ist Alexandre Nadialine bis jetzt kein Fall bekannt, in dem ein Angereister sein Studium nicht antreten konnte. Nimmt die Uni ihr multikulturelles Image jedoch ernst, sollte sie sich hüten, das Problem der mangelnden Studentenwohnungen zu ignorieren. Trotz der vielfach bewiesenen Widerstands- und Leidensfähigkeit der Betroffenen, über die Agnès Rausch sich bisweilen nur wundern kann: „Es sind die reinsten Lebenskünstler. Ich frage mich immer wieder, wie sie das eigentlich schaffen, bei all den Hindernissen.“


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