Rassismus in Luxemburg: Was ist das noch mal?

Ein von Lëtz Rise Up organisiertes Rundtischgespräch veranschaulichte, wieso hierzulande nicht konsequenter gegen Rassismus vorgegangen wird: Den politischen Verantwortlichen fehlt es am nötigen Know-how.

Openclipart/GDJ

Kurz vor dem 8. Oktober lässt sich das traurige Fazit ziehen: Minoritätenschutz stand in diesem Wahlkampf kaum im Fokus. Zum Glück organisierte der ein oder andere Interessenverein Rundtischgespräche zu Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, LGBTIQA+-Rechte oder Rassismus. Letzteres war am vergangenen Donnerstag der Fall. Eingeladen hatte die feministische und antirassistische Organisation Lëtz Rise Up, das Panel setzte sich aus Vertreter*innen von Déi Gréng, CSV, DP, LSAP, Déi Lénk, Fokus und der Piratepartei zusammen.

Dass die Parteien nicht mit ihren Ideen bezüglich Rassismusbekämpfung hausieren gehen, überrascht nicht; immerhin sucht man in den meisten Wahlprogrammen vergebens nach konkreten Maßnahmen in diesem Bereich. Beim Rundtischgespräch versuchten Parteien wie Fokus und die CSV das gar nicht erst schönzureden. In ihrem Wahlprogramm sei von Rassismus keine Rede, weil für ihre Partei jeder Mensch gleichermaßen wichtig sei, erklärte diesbezüglich Anne Winter von Fokus. Ganz so offen und ehrlich war Maurice Bauer von der CSV nicht; auf die Kritik von Jessie Thill (Déi Gréng), dass der Begriff „Rassismus“ im CSV-Wahlprogramm nicht vorkomme, antwortete er jedoch selbstbewusst: „D’Wierder mussen net drastoen, fir eppes ze maachen.“

Dass „d’Wierder weisen, dass een de Problem gesäit“, wie die für Déi Lénk anwesende Ana Correia da Veiga es formulierte, ist allerdings zu bezweifeln. Die LSAP etwa nennt Rassismus und Xenophobie in ihrem Wahlprogramm in einem Atemzug, ohne zwischen beiden Diskriminierungsformen zu unterscheiden. Die zentrale Maßnahme, die der LSAP in diesem Kontext vorschwebt, ist die Dekonstruktion von Stereotypen. Im entsprechenden Abschnitt des Unterkapitels „Combattre la xénophobie et le racisme“ findet sich kein Hinweis darauf, dass die Partei zwischen Schwarzen Menschen und Ausländer*innen unterscheidet – was auch eine Form von Rassismus ist.

Das Rundtischgespräch kam einer Bankrotterklärung der Luxemburger Politik gegenüber der Rassismus- problematik gleich.

Im Programm der DP steht lediglich: „Wir werden strikt gegen jegliche Form von Rassismus und Diskriminierung vorgehen, den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus ausarbeiten, und jegliche Form von Diskriminierung, gezielt bekämpfen“. Dass den Liberalen die Spezifitäten von Rassismus bekannt sein sollen, wird anhand dieses Satzes nicht erkennbar. Das Gleiche gilt für die Piratepartei, die bezüglich Rassismus lediglich schreibt: „Streng Bestrofung vu geschlechtsspezifescher, homophober, transfeindlecher a rassistesch motivéierter Gewalt.“

Déi Gréng nennen in ihrem Programm einige rassismusspezifische Maßnahmen, wie etwa „renforcer la recherche indépendante sur le racisme, la discrimination et le postcolonialisme“. Wie an diesem Beispiel deutlich wird, ist in den jeweiligen Abschnitten allerdings stets auch vom unkonkreten Begriff „Diskriminierung“ die Rede. Ganz so als habe man vermeiden wollen, dass sich bei der ausschließlichen Thematisierung von Rassismus eine andere Minorität außen vor gelassen fühlen könnte.

Dass etwas im Wahlprogramm nur vage umschrieben ist, muss nicht heißen, dass innerhalb der Partei kein entsprechendes Know-how vorhanden ist. In puncto Rassismus braucht man sich jedoch keine entsprechenden Hoffnungen zu machen. Vor allem die Vertreter*innen von der LSAP, Fokus der Piratepartei und der CSV wurden im Rahmen des Rundtischgesprächs von Lëtz Rise Up nicht müde, Rassismus zu relativieren – und das selbst nachdem entsprechende Kritik aus dem Publikum geäußert worden war.

Das Rundtischgespräch kam einer Bankrotterklärung der Luxemburger Politik gegenüber der Rassismusproblematik gleich. Zwar wurden immer wieder Maßnahmen genannt, die an und für sich vielversprechend sein könnten – neben Sensibilisierungskampagnen und mehr Rechten für das Centre pour l’égalité de traitement (CET) etwa auch spezifische Weiterbildungen für Lehrpersonal und Polizist*innen – wenn diejenigen, die diese Maßnahmen in Auftrag geben oder umsetzen sollen, jedoch nicht wissen, was Rassismus ist, können sie unmöglich zielführend sein. Man kann nur hoffen, dass der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus, der aktuell vom Familienministerium ausgearbeitet und noch in diesem Jahr vorgestellt werden soll, den Input von Menschen berücksichtigt, die etwas von der Thematik verstehen.


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