Den protestierenden Menschen auf den Straßen in Durban sind die kleinen Fortschritte bei den UN-Klimaverhandlungen nicht genug. Für Smita Nakhooda, die als Beobachterin im Konferenzzentrum war, gibt es trotzdem Grund zum Optimismus.
woxx: Stimmt es, dass die Industriestaaten im Parkhaus des Konferenzzentrums untergebracht sind, während Entwicklungs- und Schwellenländer Büros mit Blick aufs Grüne haben?
Smita Nakhooda: Das stimmt in etwa und entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie. Um zu den Delegationen der Industrieländer zu gelangen, muss man durch das Parkhaus, wo es naturgemäß etwas nach Abgasen stinkt und Ölflecken den Boden zieren. Aber die provisorischen Büros liegen nicht in der Garage selber, und außerdem wurden auch die NGOs hier untergebracht. Die Räumlichkeiten sind zudem wirklich sehr angenehm, ich sitze selber gerade dort.
Du bist als Beobachterin für das Overseas Development Institute (ODI) beim Klimagipfel und verfolgst bereits seit längerem die Verhandlungen im Bereich Klimafinanzierung. Worum geht es bei deiner Arbeit genau?
Unser Ziel ist, Transparenz in der internationalen Klimaschutzfinanzierung herzustellen. Dort herrscht ein riesiges Chaos, weil es so viele verschiedene Initiativen gibt. Derzeit existieren 22 Klimafonds, und diese nehmen wir ganz genau unter die Lupe. Konkret heißt das, dass wir den ganzen Prozess beobachten: von dem Zeitpunkt, wo ein Land verspricht, Geld für den Klimaschutz zur Verfügung zu stellen, bis zur Umsetzung des Projekts, in welches das Geld letztendlich fließt. In Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung sammeln wir diese Informationen und stellen sie auf der Homepage climatefundsupdate.org der Öffentlichkeit zur Verfügung. Hier kann man also verfolgen, wie viel Geld überhaupt in die internationale Klimaschutzhilfe fließt, wo es herkommt und wie es eingesetzt wird.
Um welche Initiativen handelt es sich dabei?
In den meisten Fällen um Fonds, die von Geberländern oder Institutionen eingerichtet wurden, um Klimaprojekte in ärmeren Ländern zu finanzieren. Meistens sind dies Infrastrukturprojekte im Energiesektor, sowie Projekte im Waldschutz oder Maßnahmen zum Schutz vor den Folgen der Erderwärmung. Es gibt multilaterale Fonds, wie die „Global Environmental Facility“, oder Fonds von Entwicklungsbanken, wie beispielsweise den 2008 gegründeten „Climate Investment Fund“ der Weltbank. Darüber hinaus haben viele Staaten eigene Fonds eingerichtet, zum Beispiel Deutschland die Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums. Manche Länder verbinden ihre Entwicklungshilfe mit der Unterstützung von Klimaprojekten. Alles in allem gehen wir davon aus, dass mittlerweile jährlich etwa 90 Milliarden Dollar in den Klimaschutz fließen. Die Hälfte dieser Summe kommt übrigens aus dem Privatsektor.
„Obwohl sie in der Öffentlichkeit Gelder versprechen, stellen die Geberländer häufig doch nur einen Teil der zugesagten Hilfen zur Verfügung. Am größten ist die Lücke bei den USA.“
Wenn es bereits so viele Fonds gibt, weshalb wurde dann in Cancún ein neuer „grüner Klimafonds“ ins Leben gerufen?
Das Problem ist, dass diese Initiativen nicht ausreichen und dass sie nicht zuverlässig sind. Beispielsweise waren die Zahlungen dieses Jahr wieder niedriger als 2010. Obwohl sie in der Öffentlichkeit Gelder versprechen, stellen die Geberländer häufig doch nur einen Teil der zugesagten Hilfen tatsächlich bereit. Am größten ist die Lücke bei den USA, die in manchen Fällen nur die Hälfte des versprochenen Betrags herausgerückt haben. Dabei waren sie selbst an der Gründung solcher Initiativen wie des „Climate Investment Fund“ beteiligt. Ein anderes Problem mit den bestehenden Fonds ist, dass nur ein geringer Anteil der Investitionen in die ärmsten und verwundbarsten Länder fließt. Der „grüne Klimafonds“ soll vor allem diese Länder unterstützen und zusätzlich zu den bestehenden Initiativen eine kohärentere, transparentere und vor allem zuverlässigere internationale Klimafinanzierung garantieren.
Wurde der „grüne Klimafonds“ in Durban arbeitsfähig gemacht?
Nein, so weit sind wir noch nicht. Aber es sieht danach aus, als könne man sich auf einen Text einigen. Zum Beispiel ist jetzt geklärt, dass ein Direktorium, in dem Geber- und Empfängerländer paritätisch vertreten sind, über die relative Gewichtung von Projekten zur Anpassung an die Folgen der Erderwärmung und Projekten zur Reduktion der Treibhausgasmissionen entscheiden wird. Gestern wurde noch bis drei Uhr nachts über einzelne Formulierungen gestritten, ich weiß also noch nicht, wie die Verhandlungen ausgehen werden. Es wäre eine riesige Enttäuschung und es würde auch den UN-Klimaprozess in Frage stellen, wenn sogar bei der „Governance“ des Klimafonds keine Ergebnisse erzielt würden.
Wo soll das Geld für den Fonds herkommen?
Das ist die große Frage. Sich auf die Parameter zu einigen, nach denen der Fonds organisiert sein soll, ist natürlich etwas ganz anderes, als den Fonds mit Kapital auszustatten. Der Schlüssel ist aber, dass die Geberländer ausreichend Vertrauen in die Funktionsweise des Fonds haben und es eine Garantie dafür gibt, dass ihr Geld möglichst sinnvoll eingesetzt wird. Es werden natürlich bereits Möglichkeiten diskutiert, woher das Geld kommen könnte. Denkbar wäre beispielsweise, dass eine Abgabe beim Flug- und Schiffverkehr erhoben wird. Manche Länder finanzieren ihre Klimaschutzanstrengungen bereits auf diese Weise ? aber auf internationaler Ebene sind wir noch meilenweit von einer solchen Regelung entfernt.
„Natürlich könnte man sagen, dass die Schwellenländer hier ein diplomatisches Manöver veranstalten, um den Ball an die Industriestaaten zurückzuspielen.“
Eine andere Geldquelle sollen in Zukunft auch verstärkt private Akteure sein. Es ist aber umstritten, wie stark die Hebelfunktion öffentlicher Gelder ist und in welchem Umfang Investitionen aus dem Privatsektor mobilisiert werden könnten. Solche Initiativen gibt es bereits, aber die Datenlage ist wegen Geheimhaltungsklauseln sehr schlecht, weshalb wir auch beim ODI noch Schwierigkeiten haben, diesen Vorschlag vernünftig zu bewerten.
China und Brasilien haben zu Beginn der zweiten Verhandlungswoche angekündigt, dass sie bereit seien, ab 2020 ebenfalls verbindliche Emissionsziele zu akzeptieren. Ist das ein Durchbruch?
China und Brasilien haben dieses Angebot mit klaren Forderungen verbunden: Sie wollen ab 2020 eine Mitverantwortung im Rahmen eines verbindlichen Klimaabkommens übernehmen, wenn die EU, die USA und die anderen Industriestaaten sich für den Zeitraum bis dahin, also von 2013 bis 2020, ambitionierte Klimaziele stecken. Dies bedeutet, dass sie sich auf eine zweite Verpflichtungsperiode im Rahmen des Kyotoprotokolls einlassen müssten. Natürlich könnte man sagen, dass die Schwellenländer hier ein diplomatisches Manöver veranstalten, um den Ball an die Industriestaaten zurückzuspielen.
„Der ehemalige costaricanische Präsident, José Maria Figueres, hat zu einer ?Occupy Durban`-Aktion aufgerufen, falls die Verhandlungen wieder nur geringe Fortschritte machen.“
Aber angesichts der Anstrengungen, die die Schwellenländer bereits machen, um weniger Treibhausgase zu emittieren, scheint mir das Angebot glaubwürdig. Ob es jedoch ausreicht, um die USA zur Ratifizierung des Kyotoprotokolls oder eines ähnlichen Abkommens zu bewegen, bleibt fraglich. Die amerikanische Regierung hat das Mandat hierfür zur Zeit nicht, und die Aussichten auf eine baldige Kursänderung sind sehr schlecht.
„Wird Durban also als ein weiterer ergebnisloser Klimagipfel in die Geschichte eingehen?
Es bleiben zum Zeitpunkt unseres Gesprächs noch zwei Verhandlungstage, ich möchte die Hoffnung also noch nicht aufgeben. Aber ich verstehe auch, dass progressive Länder, wie beispielsweise Costa Rica, von den geringen Fortschritten enttäuscht sind.
Der ehemalige costaricanische Präsident, José Maria Figueres, hat zu einer „Occupy Durban“-Aktion aufgerufen, falls die Verhandlungen wieder nur geringe Fortschritte machen. Ob es soweit kommt, weiß ich nicht. Bei der Zivilgesellschaft wäre das Protestpotential jedenfalls da. Letzten Samstag waren bereits 20.000 Menschen auf der Straße, die zeigen wollten, dass ihnen das Thema wichtig ist. Auf ihren Plakaten standen Sprüche wie „Never trust a COP“(1). Das Misstrauen gegenüber den Verhandlungsführern scheint mit jedem Gipfel zu wachsen. Aber auch wenn ? wie erwartet ? in Durban kein endgültiger Klimadeal beschlossen wird, hatte ich doch den Eindruck, dass es langsam aber sicher vorwärts geht.
(1) Conference of the Parties, der offizielle Titel für die Treffen der Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention
Zur Person:
Smita Nakhooda, geboren 1982 in Indien und aufgewachsen in Südafrika. Sie arbeitet am britischen Overseas Development Institute. Dieser Think Tank mit Sitz in London forscht im Bereich der Entwicklungspolitik und leistet Öffentlichkeitsarbeit. Smita Nakhoodas Schwerpunktthema beim ODTI ist die internationale Klimaschutz-Finanzierung. Davor arbeitete sie beim World Resources Institute in Washington sowie bei Idasa, einer Organisation, die sich für mehr Demokratie in Südafrika einsetzt.