MALEREI: Müder Krieger

Manuel Ocampos wütende Phase, als er noch die Kritiker mit seiner Kritik verstörte, scheint vorbei. Der heutigen Welt setzt der Künstler eher eine resignierte Opposition entgegen.

Mit der Documenta IX 1992 in Kassel wandelte sich das Gesicht dieser alle fünf Jahre stattfindenden Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Und obwohl die Ausstellungsobjekte von der Kritik damals eher als mittelmäßig betrachtet wurden, erhoben sie doch diese „documenta der Orte“ selbst zum Kunstwerk.

Auch für Manuel Ocampo markierte diese Documenta einen Wendepunkt, brachte sie ihm doch den internationalen Durchbruch, der ihm in den folgenden Jahren zahlreiche Einladungen zu anderen namhaften Ausstellungen verschaffte und machte ihn zu einem der bedeutendsten philippinischen Künstler. Ocampo, geboren 1965 in Quezon City, studierte erst in seiner Heimatstadt und Mitte der 1980er Jahre an der Californian State University. Schließlich wurde er vom kulturellen Schmelztiegel Los Angeles angezogen. Hier entstand im Jahr 1998 auch ein Dokumentarfilm über Ocampos Werk und Entwicklung mit dem Untertitel „God Is My Copilot“. Der Regisseur Phillip Rodriguez lernte Ocampos Arbeiten auf der Ausstellung „Helter Skelter: L.A. Art in the 1990s“ in Los Angeles kennen, die, wie auch die Documenta, 1992 stattfand und noch heute als wegweisend gilt.

Ocampos Bilder der 1980er und 1990er Jahre waren in erster Linie geprägt von der Kritik am westlichen Selbstverständnis und besonders dem spanischen Kolonialismus, dessen Nachwirkungen er auch in seiner Heimat selbst erlebt hatte. So flossen auch zahlreiche Motive aus dem spanischen Kolonialstil in seine Arbeiten ein, die er aus den katholischen Kirchen und vor allem aus den Kalendern seiner Mutter kannte. Daneben nutzte er Motive der Popart und früher Cartoonisten, besonders auch den Stil von Robert Crumb, und schuf Bilder voll aggressiver Provokation. Wichtige Requisiten waren dabei Totenköpfe und Hakenkreuze: Symbole westlicher Allmachtsphantasien.

Einer der Gründe für seinen Durchbruch war dann auch der Wirbel um eines seiner Bilder auf der Documenta, das wegen der Hakenkreuze schließlich sogar zensiert worden war. Ocampo fühlte sich hier missverstanden und geriet sogar in den Verdacht, nicht mehr als ein „multikultureller Opportunist“ zu sein – ein Umstand, der ihn noch weiter darin bestärkte, ein Außenseiter zu sein und seine sowieso schon tief empfundene Skepsis gegenüber dem von Weißen beherrschten Kunstmarkt noch weiter vertiefte. „I’m not in the white boys‘ club and I’m not in the club of minorities who want to be white Boys“, sagte er damals.

Für den Dokumentarfilmer Rodriguez waren Ocampos Arbeiten, die er bei „Helter Skelter“ gesehen hatte eine Offenbarung, vor allem im Hinblick auf die Aufstände, die drei Tage nach Ende der Ausstellung wegen des Angriffs auf Rodney King durch mehrere Polizisten in Los Angeles ausbrachen. In den sieben Jahren bis zur Veröffentlichung seiner Dokumentation hatte Rodriguez allerdings schon eine Veränderung und Abkehr in den Arbeiten Ocampos ausgemacht und der fasste zusammen: „I was bored with that shit.“ Dies ist dann leider auch der Eindruck, den die Bilder machen, die derzeit in der Galerie Nosbaum & Reding in Luxemburg gezeigt werden. Freilich mögen die vielen Schnittblumen in Vasen hintergründig unter dem Titel „Perverse Sublime of the Toxic“ zusammengefasst sein, sicher sieht man immer noch den ungestümen, intelligenten Künstler dahinter, aber die Wut scheint unterdrückt und eher einer maßlosen Enttäuschung gewichen zu sein. Hin und wieder ein kurzer Aufschrei, sogar ein seltsam deplatziertes Hakenkreuz, merkwürdig zusammenhanglose Akzente, fast wie ungewollt und daher eher trotzig, beinahe kindisch.

Diese Ausstellung besucht man wegen des Künstlers, weniger wegen der gezeigten Bilder. Interessant sind die „Guests“. Masken und Figuren namenloser afrikanischer Kunst aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert und damit der Hochzeit der Kolonialisierung und bis heute anhaltenden Ausbeutung Afrikas. So schlagen diese Artefakte, die nicht um der Kunst willen entstanden, sondern vollkommen aus ihrem kulturellen Hintergrund gerissen wurden, eine Brücke zum Selbstverständnis Manuel Ocampos.

In der Galerie Nosbaum&Reding, bis zum 20. April.


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