MEDIENKRIEG: Grün ist der Krieg

Wo Presseberichte Ware sind, bleibt die „Wahrheit“ auf der Strecke. Das ist nicht neu, es bestätigt sich jetzt im dritten Golfkrieg. Und es gilt längst nicht nur für US-amerikanische TV-Sender.

Ob die CNN-Bilder aus Bagdad tatsächlich grün eingefärbt sind, damit der Krieg sein ganz besonderes, leicht wiedererkennbares Markenzeichen für zappende FernsehzuschauerInnen erhält, ist bislang nicht geklärt. Spekuliert wird darüber, vorstellbar wäre eine solche Vermarktungsidee für Kriegsbilder durchaus.

Dieser Krieg war lange vorbereitet, auch in der Medienwelt. So manche Zeitung hatte die Sonderseiten für den Tag X schon nahezu fertig gelayoutet im Computer. Doch eine gründliche Vorbereitung ist keine Garantie für eine ausgewogene oder gar kritische Berichterstattung. Auf dem Markt gelten andere Regeln, im Irak tobt auch der Medienkrieg: Ein Krieg um Bilder und Informationen – und den gewinnen die stärksten und einflussreichsten Marktvertreter.

Wer wenig Bilder und Infos hat, berichtet dennoch den ganzen Tag über live vom Krieg. „Jede zweite Schalte kann man getrost streichen“, kommentiert der Chef des deutschen Adolf-Grimme-Instituts, Bernd Gäbler, die Berichterstattung in den deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, die viele EuropäerInnen im Gegensatz zu Anstalten wie CNN für „seriöse“ halten. ARD und ZDF sollten seiner Meinung nach „viel stärker auf Zusammenfassungen setzen und das Publikum weniger dazu erziehen, mit dem Kriegsgeschehen live mitzufiebern“. Wenn zum hundertsten Mal die Skyline von Bagdad per Webcam auf dem Schirm erscheint, bekommt der Zuschauer zwar das Gefühl, er sei live dabei. Tatsächlich passiert jedoch nichts, und der Betrachter wird, so Gäbler, „zu einer Haltung verführt, dass er fast dankbar ist, wenn endlich etwas passiert, wenn eine Bombe fällt und das langweilige Bild aufgelockert wird“.

Der chronische Mangel von sendefähigem Material macht erfinderisch: Statt über den Krieg wird über die berichtet, die über den Krieg berichten. Mangels Bildern und auch mangels Bewegungsfreiheit müssen dann auch die ReporterInnen mit „lauteren“ Absichten, deontologisch kaum zu rechtfertigende Kompromisse eingehen. Wenn Bilder von „Saddam“skandierenden Irakis gezeigt werden, wird selten dazu gesagt, unter welchen Umständen sie entstanden sind. Als beispielsweise Bauern auf einem Feld bei Karbala rund 80 Kilometer südlich von Bagdad, nach dem angeblichen Abschuss eines US-amerikanischen Apache Hubschraubers diese Tat, die Kalaschnikow schwenkend, lautstark feierten, war einzig auf „Phoenix“ zu erfahren, dass diese Spontan-Demo kurz zuvor von einem Reporter des irakischen Fernsehens organisiert worden war.

Auch an anderen Schauplätzen von Pro-Hussein-Kundgebungen wird selten die Anwesenheit der irakischen Offiziellen erwähnt. „Die Wut gegen die Amerikaner wächst“, sagt der sichtlich beunruhigte ARD-Korrespondent Jörg Armbruster in sein Mikrofon, hinter ihm brüllen Männer mit erhobener Faust Parolen, die nicht übersetzt werden. „Niemand hat den Leuten hier erklärt, warum sie bombardiert werden.“ Dass die irakischen Medien ihnen zweifellos ihre „Wahrheit“ nahegelegt haben, wird dabei unterschlagen. Ganz davon abgesehen, dass den IrakerInnen wie der arabischen Bevölkerung im Allgemeinen in den westlichen Medien nur sehr wenig eigenes Beurteilungsvermögen zugestanden wird.

Auch hier liegt zuweilen der Teufel im Detail der unterschwelligen Bewertung der westlichen ReporterInnen: Wenn ägyptische Islamisten für Saddam auf die Straße gehen und der Mullah seine Glaubensgemeinschaft zur Solidarität mit den Irakis aufruft, wird gerne auf die Gefahr des wachsenden Zulaufs für radikale Islamisten durch den US-Angriff hingewiesen. „Die Muslime sehen in dem Krieg einen Angriff auf ihre Kultur“, stellt die ARD-Journalistin in ihrem Filmbeitrag aus Kairo fest. Ob das wirklich alle Menschen islamischen Glaubens in Ägypten so sehen? Dass die eigentliche Gefahr in der wahnhaften Ideologie dieser islamistischen Gruppierungen liegt, wird übersehen.

Von einer kritischen Medienberichterstattung müsste man erwarten, dass mit solchen Allgemeinplätzen vorsichtig umgegangen wird. Doch in Kriegszeiten ist das Gegenteil der Fall. Wo Einschaltquoten, Konkurrenzkampf und Sendetermine die Arbeit der KriegsreporterInnen bestimmen, bleibt für komplex strukturierte Analysen kein Platz.


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