Sind mit dem Ende der militärischen Operationen auch die Gründe verschwunden, die die Menschen weltweit auf die Straße getrieben haben? Welt-Unordnung herrscht nicht erst seit vier Wochen. Und sie dauert an.
Als Marsch gegen den Irak-Krieg war er geplant gewesen, der Ouschtermarsch 2003. Um kurzfristig klarzumachen, dass es sich auch um einen Marsch für den Frieden allgemein handelt, lautet die Parole auf den Ouschtermarsch-Plakaten „Kee Krich méi“. Auch die woxx, die mit einem schwarzen Logo und diversen Bömbchen-Icons auf den Angriff gegen den Irak reagiert hatte, wird mit dem Kriegsende zur „grafischen Normalität“ zurückkehren – nicht ohne klarzumachen, dass es in Bezug auf die Weltlage keine Rückkehr zur Normalität geben kann. Es gibt gute Gründe, weiterhin besorgt und empört zu sein, gute Gründe, am Samstag am Ostermarsch teilzunehmen.
Was bedeutet dieser Krieg? Ein Land, die Vereinigten Staaten, hat mitten in einem laufenden Schlichtungsverfahren des höchsten Gremiums in Sachen Völkerrecht entschieden, seinen Streitfall auf militärische Art zu „lösen“. Erschwerend kommt hinzu, dass der von den USA und ihren Verbündeten angeführte Kriegsgrund, die irakischen Massenvernichtungswaffen, vermutlich gar nicht existieren und mit Sicherheit keine akute Bedrohung darstellten. Auch die Wiederherstellung der Menschenrechte kann nur ein Vorwand gewesen sein: Einerseits müssten dann nämlich Dutzende von Regimes, darunter Russland und China, auf der US-Abschussliste stehen, andererseits reicht ein Blick ins Post-Taliban-Afghanistan, um zu sehen, dass sich die USA einen Dreck um Menschenrechte scheren, wenn ein Krieg erst einmal gewonnen ist.
Die Entscheidung, den Irak zu erobern, wurde durch Großmachtinteressen bestimmt, materielle, wie die Kontrolle über die Ölreserven, und immaterielle, wie die Demonstration von Militärmacht und Leadership. Dieser so genannte Präventivkrieg ist ein erster Schritt zurück ins 19. Jahrhundert, als die Kolonialmächte nach Gutdünken weltweit intervenierten, um ihre Interessen durchzusetzen – schon damals als humanitäre Aktionen oder als reine Selbstverteidigung getarnt. Ob Länder wie Indien und Russland sich wirklich das Recht nehmen werden, auch Präventivkriege, zum Beispiel gegen Pakistan oder Georgien zu führen, sei dahingestellt. Auch wenn der Rückgriff auf das Recht des Stärkeren nur dem Allerstärksten vorbehalten bleibt, so ist damit doch die Legitimität der Uno als Rechtsgemeinschaft dahin.
Dabei ist der Irak-Krieg nur das vorläufig letzte Glied in einer langen Kette. 1989 hofften viele, dass nach der Aufteilung der Erde in zwei Interessensphären eine neue Ära beginnen könnte: die der einen Sphäre der Menschenrechte. Zwei Jahre später führten die USA gegen den Irak erstmals Krieg um Öl, in einer völkerrechtlich unklaren Situation: Einerseits waren nicht alle Verhandlungsmittel ausgeschöpft, andererseits ging die Bombardierung des gesamten Irak über das von der Uno autorisierte Kriegsziel – die Befreiung Kuwaits – hinaus. Der Kosovokrieg gar wurde ohne jeglisches Uno-Mandat geführt, allein auf der Grundlage einer – mittlerweile als weitgehend übertrieben entlarvten – humanitären Notlage. Schien damals vielen die UN-Erlaubnis entbehrlich, so ist heute klar, dass dies ein wichtiger Präzedenzfall für das Vorgehen der USA in der Irak-Krise war.
Die Friedensbewegung darf sich also nicht darauf beschränken, gegen den gerade stattfindenden Krieg zu demonstrieren und sich über sein Ende zu freuen – sie muss die herrschende Welt-Unordnung anklagen. Sie sollte die PolitikerInnen – auch die luxemburgischen, auch die neuerdings friedensbewegten – mit den Konsequenzen der von ihnen mitgetragenen Kriege konfrontieren. Die Friedensbewegung sollte sich für eine Uno-Reform einsetzen, damit Ziele wie Schutz von Menschenrechten und Abbau von Massenvernichtungswaffen friedlich durchgesetzt werden können – und für sämtliche Staaten gelten.
Wenn aber der Hauptakteur einer besseren Weltordnung keinesfalls ein Militärbündnis sein kann, das westliche Interessen vertritt, bietet es sich an, über die Auflösung der Nato nachzudenken. Und es darf auch nicht tabu sein, angesichts der Menschenrechtslage in Russland und des schmutzigen Tschetschenienkrieges zu fragen, ob der alternative Kraftstoff Nummer Eins, das russische Erdgas, wirklich so „sauber“ ist … Gehen solche Überlegungen zu weit? Haben sie wirklich noch etwas mit Friednesbewegung zu tun?Die Gegenseite jedenfalls denkt ähnlich global. Eine Studie des britischen Innenministeriums spricht sich, angesichts der Ströme von politischen Flüchtlingen, dafür aus, anstatt einer großzügigen Asylpraxis, einfach im Völkerrecht die Möglichkeit von „humanitären“ Militärinterventionen zu schaffen.