URNENGANG: Heute sind Wahlen

Der Wahlkampf hat begonnen – und in mancher Hinsicht ist er fast schon abgeschlossen. Wer als Partei jetzt erst beginnt, die Frauen zu umwerben, hat bereits verloren.

Weibliches DP-Aushängeschild: Lydie Polfer.

Als im Februar das Wahlgesetz reformiert wurde, schienen die nächsten Wahlen noch furchtbar weit weg. Zwei Monate später sind die meisten Parteien schon eifrig dabei, sich auf den Wahlkampf vorzubereiten – unter kaum veränderten Vorzeichen, denn das neue Gesetz unterscheidet sich fast nur in Details vom alten. Auch die Zusammenstellung der Parteilisten wird deshalb wohl nach bewährtem Rezept stattfinden: Man nehme bekannte Persönlichkeiten, Lokalmatadoren und alte Kämpferinnen und tüftle eine Liste aus, die verspricht, von der Parteibasis akzeptiert zu werden.

Dass Wahlen nicht nur dazu dienen, elektorale Pfründe zu sichern, sondern auch neue Generationen auf den Weg der Politik zu schicken, darauf kommen Parteien jedoch nicht von selbst. Bei der Gesetzesreform wurde eine Chance verpasst: Ein verändertes Wahlsystem, welches den Mechanismus der sich selbst reproduzierenden Panachage-Clique zumindest eingeschränkt hätte, wurde nicht einmal andiskutiert.

Dieser Stillstand geht auf Kosten all jener Gruppen, die in der Politik erst Fuß fassen: die Jungen, die ausländische Bevölkerung, die Frauen. In diesem Kontext wirkte der Ausspruch des DP-Politikers Gusty Graas am vergangenen Dienstag bei einem Rundtischgespräch zur politischen Beteiligung von Frauen, Politik habe mit Leistung und Kompetenz zu tun, fast zynisch. Denn unser persönlichkeitsorientiertes Wahlsystem funktioniert eher nach dem Motto: Dabei sein ist alles. Wer erst einmal ein paar Wahlgänge hinter sich hat, sich genügend oft in der Öffentlichkeit zeigt und vielleicht auch noch einen guten Draht zu den Medien besitzt, dem öffnen sich die Türen in die Politik auf jeden Fall wesentlich leichter als den Newcomern, und seien die auch noch so kompetent. Resultat ist eine Zusammensetzung der nationalen und der kommunalen Parlamente, die kaum als repräsentativ bezeichnet werden kann. Und damit auch nicht als demokratisch.

Dass es Mittel gibt, diesem Missstand entgegen zu wirken, das zeigen im Bereich Frauenpolitik die Beispiele unserer Nachbarländer. In Deutschland tragen das Wahlsystem und die Selbstverpflichtung der Parteien, Frauen günstig auf ihren Listen zu platzieren, zu einer erhöhten Präsenz von Frauen auf dem politischen Parkett bei. In Belgien ist man den Weg einer gesetzlichen Listenquotierung gegangen, in Frankreich wurde die Parität eingeführt.

Alle diese Maßnahmen haben als erste Konsequenz, dass sich die Parteien der „Unvollständigkeit“ ihrer Listen erst einmal bewusst werden. Und sich Mittel überlegen müssen, wie sie Frauen davon überzeugen können, zu kandidieren. Dass das nach Jahrzehnten des Ignorierens kein einfacher Job ist, und dass viele potenzielle Kandidatinnen zwar mit Kompetenz, aber erschreckend wenig Selbstbewusstsein gesegnet sind, versteht sich fast von selbst.

In Luxemburg aber verbleiben die meisten Parteien – und mit ihnen die Frauen – weiterhin in ihrem Dornröschenschlaf. Aktives Herantreten an Frauen, Training und Weiterbildung, gezielte Öffentlichkeitsarbeit finden nur in wenigen Parteien statt. In diesem Sinne stehen die Wahlresultate für die nächsten nationalen und kommunalen Wahlen längst vor dem eigentlichen Wahltermin fest. Die Parteien, die nicht schon seit den vergangenen Wahlen die Frauen ins Boot gezogen und ihnen die Möglichkeit gegeben haben, in der Politik Fuß zu fassen, sind eindeutig die Verlierer. Denn sie werden es kaum mehr schaffen, neuen Frauen eine reelle Chance zu geben.


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