PRESTIGE: Aus Prinzip: pollué-payeur

Seit vergangener Woche steht fest: Die Opfer des Prestige-Unglücks müssen sich mit kleinen Almosen zufrieden geben. Doch auch die neuen EU-Gesetze sparen Meeresverschmutzer aus – wie die Diskussionen im Europaparlament diese Woche beweisen.

Fipol hieß die Hoffnung der Opfer der jüngsten Ölpest, die der auseinander gebrochene und gesunkene Tanker mit dem vielversprechenden Namen Prestige verursacht hatte. Fipol ist der „Fonds international d’indemnisation pour les dommages dus à la pollution par les hydrocarbures“, hat seinen Sitz in London und wurde als Hilfsfonds für solche Katastrophen wie die im November 2002 gedacht, als mehr als 140 Kilometer der spanischen Küste mit schwarzem Schlamm verpestet wurden. Doch die Mittel dieses Notsparschweines sind äußerst begrenzt. Nach einem ersten Treffen im Februar hatten die Fipol-Verantwortlichen sich geweigert, einen Prozentsatz für die Entschädigungen festzusetzen und Frankreich und Spanien gebeten, ihre Forderungen zu senken. Ohne Erfolg, die beiden Länder beharrten auf ihren Standpunkten.

Seit vergangenem Freitag ist es nun offiziell: Die Prestige-Opfer können höchstens mit einer Entschädigung von 15 Prozent ihrer Kosten rechnen. Der Vize-Leiter der Fipol hatte diese klare Grenze für die Zahlungen seiner Behörde verkündet. Eine wahrhaft schlechte Nachricht für die, denen die Ölpest die Existenz entzogen hat.

Eine Überraschung war es jedoch nicht. Denn wo nichts ist, ist auch nicht viel zu holen. Insgesamt verfügt der Fipol derzeit nämlich nur über 171 Millionen Euro. Kaum ein Tropfen auf den heißen Stein, wie der Vergleich zeigt: Die Gesamtkosten der Katastrophe werden inzwischen auf rund eine Milliarde Euro geschätzt.

Die 162 Mitgliedstaaten müssen mehr in den Fonds einzahlen, fordert unter anderem die französische Umweltministerin Roselyne Bachelot. Die Europäische Union will den Fonds auf eine Milliarde erhöhen. Darauf, dass die Lösung nicht unbedingt in höheren staatlichen Entschädigungszahlungen liegt, weisen UmweltschützerInnen hin. In der Tat werden solche Maßnahmen kaum die Transportunternehmen motivieren, für mehr Sicherheit auf den Weltmeeren zu sorgen.

Bislang sind die Betreiber fein raus: Denn, nur wer ihnen wirklich nachweisen kann, absichtlich das Boot sinken zu lassen, kann eine Entschädigung einklagen. Etwas, das juristisch ziemlich unmöglich ist, an dem jedoch auch die Europäische Kommission offensichtlich nicht rütteln will. Das beweist der Gesetzestext über die Haftung bei Umweltschäden, den sie vorgelegt hat.

Wie so oft versuchte die Kommission den Spagat: Einerseits soll der Umweltschutz besser gewährleistet werden andererseits dürfen aber europäische Unternehmen keinen Nachteil im Wettbewerb mit der internationalen Konkurrenz erleiden. Ein unmögliches Unterfangen, wie die Lücken im Text zeigen: Tankerunfälle werden ebenso ausgespart wie Schäden durch Unfälle in Atomreaktoren oder durch genetisch veränderte Organismen. Zwar probierte das Europaparlament diese Woche, durch entsprechende Änderungsanträge das Schlimmste zu verhindern. So wurde beispielsweise die Versicherungspflicht für Schifffahrtsunternehmen mit in das Gesetz aufgenommen. Nur eine von mehreren Auflagen für Unternehmen, die in den USA längst geltendes Recht sind.

Die EU hinkt hinterher. Und dass die Kommission auch nach der Prestige-Pest, ein Gesetz vorschlägt, das mit einem regelrechten Verursacherprinzip nicht viel zu tun hat, ist eine weitere Umweltkatastrophe. Denn dass Entschädigungszahlungen nicht annähernd all diejenigen treffen, die Folgen einer Ölpest zu tragen haben, zeigen die Bilanzen vieler vergangener Unfälle. An der spanischen Küste wartet man auch in jenen Hotels vergeblich auf Gäste, an deren Strände niemals ein schwarzer Klumpen zu sehen war. Sie hätte nur eines retten können: die Vermeidung der Katastrophe. Hier machten die USA, die seit langem keine Ölpest mehr zu beklagen haben, mit ihrer rigiden Gesetzgebung etwas vor. Manchmal kann auch die EU was von den USA lernen.


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