Autofestival und Luftverschmutzung: Entdieselung? Akzisenerhöhung!

Die Regierung versucht zaghaft, den nationalen Fuhrpark zu entdieseln und so die Belastung der Luft mit Stickoxiden (NOx) zu senken. Der Experte Michel Cames fordert dies schon seit vielen Jahren.

Michel Cames ist kein Diesel-Hasser. Aber der gelernte Ingenieur war schockiert, als ihm vor einigen Jahren klar wurde, welche Auswirkungen diese Antriebstechnik auf die menschliche Gesundheit hat. Er begann sich einzulesen und veröffentlichte 2013 gemeinsam mit Eckard Helmers die Studie „Critical Evaluation of the European Diesel Car Boom – Global Comparison, Environmental Effects and Various National Strategies“ in der Zeitschrift „Environmental Sciences Europe“. Im Februarheft von Forum wird von Cames eine kritische Analyse der Tanktourismus-Studie erscheinen. (Foto: Privat)

woxx: Die vielen Diesel-PKW in Luxemburg sind Ihnen ein Dorn im Auge. Welches Auto fahren Sie denn?


Michel Cames: Einen Benziner, den ich 2010 gekauft habe – einen Hyundai i30.

Und der ist sauber?


In Bezug auf die gesundheitsschädlichen Stickoxide, ja. Aber so gefragt, möchte ich präzisieren, dass ich weniger als 10.000 Kilometer im Jahr fahre. Die meiste Zeit bin ich mit Zug und Bus unterwegs. Klar stößt der Hyundai CO2 aus, doch je weniger ich fahre, umso weniger kommt zusammen.

Bietet die Diesel-Technik nicht doch in puncto Klimaschutz einen Vorteil?


Dieser Vorteil ist mittlerweile sehr gering, wenn es ihn überhaupt gibt. Die Partikelfilter zum Beispiel, sind gut für die Luftqualität, kosten aber Leistung. Und weniger Leistung bedeutet mehr CO2 pro gefahrenem Kilometer. Bei den neu eingeführten NOx-Katalysatoren passiert das Gleiche. Darüber schweigt die Autoindustrie, denn sie hat sich in Europa völlig einseitig für den Einsatz von Dieselautos eingesetzt.

Immerhin wird dadurch die Luftverschmutzung gesenkt.


Theoretisch ja, aber wenn man zum Beispiel nur kurze Strecken fährt, verstopft der Filter. In vielen Ländern werden die Filter auch ersatzlos ausgebaut – Kontrollen gibt es kaum. Und was hinzu kommt: Die Technologie für saubere Dieselmotoren lohnt sich nur in größeren, schwereren Modellen – die auch mehr verbrauchen. Die Steuervorteile für den Dieselsprit werden künftig vor allem denen zugute kommen, die sich ein teures Auto leisten können.

Träumen Sie von einer dieselfreien Welt? 


Nicht unbedingt, aber die Diesel-Autos sollten sauberer und weniger zahlreich sein. Ein Euro-6-Norm-Diesel mit SCR-Kat und Partikelfilter, mit dem man meistens längere Strecken auf der Autobahn fährt, ist in gewisser Weise sinnvoll. In den Raffinerien werden nämlich aus dem Erdöl neben Gasen, Benzin und den schweren Produkten auch Mitteldestillate wie Kerosin, Heizöl und Diesel gewonnen. Die sollten vorrangig im Flug- und Lastverkehr eingesetzt werden – was aber dann noch übrig bleibt, kann dann für andere schwere Fahrzeuge genutzt werden. Ohne dabei zu vergessen, dass der Einsatz von fossilen Brennstoffen generell gesenkt werden muss.

Langfristig sollen ja sowohl Benzin- wie Dieselautos durch emissionsfreie E-Cars ersetzt werden.


Wie sauber die sind, hängt natürlich davon ab, wie der Strom produziert wird. Man arbeitet daran, dass die Elektroautos alle Funktionen der fossilgetriebenen Autos eins zu eins erfüllen können. Leider ohne den massiven Rückgriff auf den Individualverkehr in Frage zu stellen – da haben die Autokonzerne wieder ihre Hand im Spiel.

„Dass wir den höchsten Anteil von Diesel-PKW in Europa haben, wurde auch nach dem Dieselgate nicht zur Kenntnis genommen.“

Wie wurde hierzulande auf das Dieselgate reagiert?


Wie häufig in Luxemburg werden solche Probleme als Probleme des Auslands betrachtet. Es stimmt zwar, dass wir keine Autos herstellen, aber bei der Diskussion über die gefälschten Emissionsdaten hat sich herausgestellt, dass die SNCH in Sandweiler trotzdem eine ganze Menge Fahrzeugmodelle homologiert.

Dass die Dieselfahrzeuge die schlechte Luftqualität in der Innenstadt verursachen, war aber länger bekannt.


Ja, doch die Gegenmaßnahmem bestanden in der Modernisierung der Busse und dem Projekt Tram. Der Individualverkehr und vor allem die Dieselautos wurden nicht als Verursacher angesehen. Dass wir den höchsten Anteil von Diesel-PKW in Europa haben, wurde nach dem Dieselgate immer noch nicht zur Kenntnis genommen.

Mit der Tanktourismus-Studie (woxx 1400) ist das Wort Entdieselung für die Politik immerhin salonfähig geworden.


Ja, neben der Tatsache, dass wir die Steuern für den Verkehr in der Grenzregion einkassieren, hat die Studie auch auf die besondere Rolle des Diesel bei den verursachten Verkehrsschäden hingewiesen. Wobei die von Dieter Ewringmann errechneten Werte eher niedrig sind. Es hat sich ja mittlerweile herausgestellt, dass ein LKW weniger NOx ausstößt als ein Diesel-PKW, weil der eine die strenge Euro-VI-Norm für Laster einhält, der andere sich aber an der Euro-6-Norm für Autos vorbeimogelt. Immerhin hat die Studie das Dieselproblem zum Thema gemacht. Doch über den Knackpunkt des Ganzen wird immer noch nicht geredet.

„Die Kaufkraft für Treibstoff in Luxemburg beträgt schätzungsweise das Doppelte von der im Ausland.“

… und der wäre?


Die Akzisen auf dem Dieselsprit. Verschmutzung hin oder her, finanziell ist es immer noch attraktiv, ein Dieselauto zu fahren. Trotz ein paar leichter Steuererhöhungen ist der Diesel immer noch billiger als bei den Nachbarn. In Frankreich wird schrittweise die Steuer auf das Benzin gesenkt und die auf Diesel erhöht, Belgien verteuert den Diesel für Privatautos, sodass die Steuersätze für Benzin und Diesel konvergieren. In Luxemburg dagegen bleibt ein steuerlicher Unterschied von 15 Cent pro Liter, und dies, obwohl die gleiche Menge Diesel bei der Verbrennung zwölf Prozent mehr CO2 ausstößt als Benzin – von den anderen Schadstoffen nicht zu reden. Für eine Entdieselung müsste man an dieser Stelle ansetzen. Doch Étienne Schneider hatte sich schon vor der Veröffentlichung der Tanktourismus-Studie gegen eine Erhöhung der Akzisen ausgesprochen.

Es heißt, wegen der Preiselastizität würde eine Erhöhung nichts bringen.


(Wikimedia / John / CC BY-SA 2.5)

Die Elastizität ist in der Tat gering. Andererseits werden die von François Bausch geplanten Maßnahmen wie Carsharing und Carpooling auch wenig bringen. Man muss sich vor Augen führen, dass die Lage in Luxemburg im doppelten Sinn speziell ist: Wir haben besonders niedrige Spritpreise in einem Land, wo die Einkommen – und viele Preise – besonders hoch sind. Das führt dazu, dass die Kaufkraft für Treibstoff schätzungsweise das Doppelte von der im Ausland beträgt. Viele Luxemburger können es sich leisten, schwere Autos zu kaufen und mit hohen Emissionswerten im Stau zu stehen.

Und der Effekt ist beim Diesel besonders stark?


Ja, die Leute sind auf von Benzin auf Diesel umgeschwenkt wegen der Preisdifferenz und dem geringeren Verbrauch. Die Preiselastizität für das Autofahren allgemein ist gering, aber für den Wechsel zwischen Benzin und Diesel ist sie viel höher. Man müsste eine Preis-Leistungs-Äquivalenz anstreben, also den Liter Diesel zwölf Prozent teurer verkaufen als Benzin. Dann wäre die Luft hierzulande bald besser.

 

-> Alle Beiträge zum Autofestival 2017


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