Im Mai zeigt die in Berlin ansässige Künstlerin Viki Mladenovski auf dem Backcover der woxx fünf persönliche Illustrationen. Im Interview erzählt sie, warum auch kunterbunte und spielerische Kunst politisch aussagekräftig sein kann.
woxx: Viki Mladenovski, wie haben Sie mit der Kunst angefangen?
Viki Mladenovski: Ich male eigentlich schon von klein auf. Während meines Literaturstudiums in Schottland hatte ich jedoch mit dem Malen aufgehört. Als ich später in einer Galerie gearbeitet habe, hatte ich die Gelegenheit dazu, Siebdruckverfahren und Risographie zu lernen und fing wieder mit malen an. Das hat mir so viel Spaß gemacht; ich erinnere mich, dass ich mich gefragt habe, warum hast du denn je damit aufgehört? Ich habe dann meinen Entschluss, Englischlehrerin zu werden, über Bord geschmissen. Meine ersten Arbeiten als Illustratorin waren auch für ein schottisches Magazin, „The Skinny‟, mit dem ich heute immer noch zusammenarbeite.
Für die woxx haben Sie fünf Illustrationen aus Ihrem Repertoire ausgesucht: Warum gerade diese?
Es sind fünf sehr unterschiedliche Illustrationen, die nicht direkt etwas miteinander zu tun haben aber alle im vergangenem und in diesem Jahr entstanden sind. Es sind alles persönliche Projekte, die ich für mich selbst entworfen habe und die so noch nirgendwo veröffentlicht worden sind.
Darunter befinden sich ein Selbstporträt und ein Projekt zur Gestaltung eines Eticketts für einen Wein. Trotz der inhaltlichen Unterschiede ist der Stil mit den kunterbunten, spielerischen Figuren unverwechselbar.
Die Farben sind eine bewusste Entscheidung. Ich male die Welt so, wie ich sie gerne sehen würde und nutze auch Farben, die mich an meine Kindheit erinnern. Meiner Meinung nach sind neutrale Farben heutzutage zu einem Statussymbol geworden, während farbenfrohe Töne oft mit einem kindlichen oder einem niedrigeren Status assoziiert werden. Dem möchte ich entgegenwirken. Ich wünsche mir, dass das Spielerische und Fröhliche in meinen Illustrationen erkennbar ist.
Sie arbeiten vor allem für verschiedene Magazine und illustrieren auch viele Artikel, die teils sehr ernste Themen behandeln. Wie sehen Sie dieses Gegenspiel zwischen den eher düsteren Themen und Ihren farbenfrohen Illustrationen?
Es stimmt, oft illustriere ich eher ernste oder düstere Themen, etwa für das Missy Magazin, ein queerfeministisches Magazin aus Berlin. Dessen Artikel handeln beispielsweise von der mangelnden Sensibilisierung über asexuelle Personen oder dem Zusammenhang zwischen Feminismus und Militarismus. Das sind alles Themen, die mich interessieren. Durch meine farbenfrohen Illustrationen will ich dagegen etwas Positivität vermitteln. Natürlich müssen die Illustrationen den entsprechenden Artikel auch richtig wiedergeben, damit die Leser*innen wissen, worauf sie sich einlassen. Die Illustrationen sollen die Leser*innen aber nicht nur dazu anregen, den Artikel zu lesen, sondern auch etwas Hoffnung vermitteln. Deshalb stelle ich die Welt nicht so dar, wie sie ist, sondern so, wie ich sie mir vorstelle..
Wählen Sie solche queerfeministische Themen auch gezielt aus?
Ja. Ich bin Feministin und queer, weshalb das Thema auch persönlich ist und es mir am Herzen liegt. Ich will es den Leuten, die sich weniger damit auskennen, etwas näherbringen. Als ich meine Karriere als Illustratorin anfing, habe ich deswegen auch gezielt nach queerfeministischen Magazinen Ausschau gehalten, mit denen ich zusammenarbeiten kann. Es gibt noch viele Stereotypen und Vorurteile, auch in der queeren Community selbst, weswegen der intersektionale Feminismus immer noch notwendig ist, und ich mich immer wieder freue, wenn ich Themen dazu illustrieren kann.
Denken Sie, dass intersektionaler Feminismus in letzter Zeit mehr Anklang findet?
Nach und nach steigt das Bewusstsein, auch wenn es noch in manchen Aspekten hapert. Meine Charaktere stelle ich beispielsweise bewusst nicht klar als Mann oder Frau dar, sondern etwas androgyner. Manchmal reagieren Leute ein bisschen verwirrt darauf, weil das Geschlecht der Charaktere nicht klar identifizierbar ist. Das ist aber auch genau mein Ziel: Ich will von der Binarität wegkommen und zeigen, welche viele verschiedenen Identitäten existieren.
Wie beurteilen Sie denn die Repräsentation queerer Personen in der Kunst?
Persönlich kenne ich viele queere und non-binary Illustrator*innen; ich selbst bin aber auch in meiner eigenen „Bubble‟. In deren Kunst finde ich die Repräsentation also richtig gut, aber generell mangelt es daran. Das merkt man beispielsweise in Illustrationen zum internationalen Frauentag ‒ der eigentlich der feministische Kampftag ist, das habe ich selbst erst vor einigen Jahren gelernt. Ist man als Künstler*in für intersektionalen Feminismus sensibilisiert, dann stellen Illustrationen dazu nicht nur Frauen dar, sondern auch Personen, die anders aussehen als eine „typische‟ Frau. Da gibt es noch viel zu tun, auch wenn in der Kunstwelt die Leute generell etwas sensibilisierter sind.
Inwiefern tragen Ihre eigenen Illustrationen zur Sensibilisierung bei?
Ich versuche bewusst, viele verschiedene Charaktere hereinzubringen. Natürlich mache ich selbst auch noch Fehler. Das wird mir dann bewusst, wenn ich zum Beispiel vonseiten des Missy Magazins Feedback zu einer Illustration kriege, dass das Bild noch inklusiver sein könnte. Das schätze ich immer sehr, weil wir alle noch dazulernen müssen. Generell setze ich mir aber bei jeder Illustration das Ziel, meine Figuren so divers wie möglich darzustellen. Manchmal merke ich erst gegen Ende, dass es an Diversität fehlt und ändere das Bild dann wieder. Es gibt also einen permanenten Reflexionsprozess, in dem ich mich selbst in Frage stelle. Das soll auch so sein, schließlich tragen wir alle unter anderem inneren Rassismus und Heteronormativität mit uns. Manchmal illustriere ich Themen, die nicht politisch sind, jedoch so in Zusammensetzung mit meiner Illustration politisch werden. Darauf lege ich großen Wert.
Wie kann Kunst dazu beitragen, aus der eigenen „Bubble‟ herauszukommen?
Illustration können zu einer Debatte beitragen oder gar eine schaffen, und Menschen mit anderen Meinungen erreichen. Ich denke in dem Bereich können Illustrationen von Artikeln viel erreichen ‒ beispielsweise wenn sie in Zeitungen mit größerer Reichweite veröffentlicht werden ‒ aber auch in anderen Kontexten. Vor kurzem habe ich etwa mein größtes Projekt bisher abgeschlossen: Eine Wand in einem Dr. Martens Geschäft in Berlin zu illustrieren. Der Auftrag war, die Underground-Musikszene in Berlin darzustellen. Die genaue Umsetzung war mir dabei frei überlassen. Ich habe mich also dazu entschlossen, das Nachtleben der queeren Community in Berlin darzustellen, zusammen mit einigen typisch Berliner Merkmalen. Das Bild bedeckt nun eine Wand des Ladens, wo viele verschiedene Menschen ein und aus gehen und mit ihm konfrontiert werden. Damit macht das Geschäft eine klare Aussage, dass jede Person willkommen ist. Während des Projekts ist mir aufgefallen, wie Illustrationen etwas bewirken können, wenn sie in den verschiedensten Kontexten gezeigt werden.
Was sind Ihre nächsten Ziele als Künstlerin?
Ein großes Ziel habe ich erst kürzlich schon erreicht: Ab Mai werde ich von einer Agentur repräsentiert werden. Was meine Arbeit angeht, würde ich gerne an Werbekampagnen arbeiten, weil da die Reichweite größer ist und man für verschiedene Themen mehr Aufmerksamkeit schaffen kann.
Zur Künstlerin: Nach ihrem Literaturstudium in Edinburgh, Schottland, fing Viktoria Mladenovski ihre Karriere als Illustratorin in Dundee an. Heute arbeitet die luxemburgische queere Künstlerin von Berlin aus. Neben Illustrationen für Magazinen wie The Skinny, arbeitet Mladenovski auch mit Keramik und Kunstdruck. Ihre Werke sind auf www.viktoriamladenovski.com zu finden.