Gerade als man dachte, die enttäuschendste Kampagne zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit hinter sich zu haben, stellt das Mega eine Strategie zur Bekämpfung schädlicher Genderklischees mit dem Titel „Changez de perspective“ vor.
Als das Ministerium für Chancengleichheit (Mega) letztes Jahr seine Kampagne zur Förderung der Beteiligung weiblicher Kandidatinnen bei den Gemeindewahlen vorstellte, hagelte es Kritik. Besonders an dem eigens für die Kampagne angefertigtem Videoclip wurde bemängelt, dass er schädliche Klischees reproduziere. Nun scheint das Ministerium aus seinen Fehlern gelernt zu haben, wurde doch letzte Woche eine Strategie zur Bekämpfung stereotyper Geschlechterrollen vorgestellt. Die negativen Auswirkungen von Genderklischees dürften nicht unterschätzt werden, würden sie doch junge Menschen im schlimmsten Falle davon abhalten, ihren realen Interessen nachzugehen, erklärte Ministerin Lydia Mutsch bei dieser Gelegenheit der Presse. Jede*r solle seinen oder ihren Kompetenzen nachgehen können, unabhängig vom Geschlecht. Als Beispiel für ein geschlechtsspezifisches Vorurteil wurde angeführt, dass Frauen gerne shoppen würden – ebenjenes Klischee, das Mutsch im Rahmen der „Votez égalité“-Kampagne noch damit rechtfertigte, dass es mit einem Augenzwinkern zu verstehen sei. Es scheint, als würde das Mega mit der aktuellen Kampagne nun versuchen, begangene Fehler wieder gutzumachen.
Auf elaborierte Ausführungen zur Schädlichkeit von Geschlechterklischees, folgte dann aber die große Ernüchterung: Das Ministerium hat ein weiteres Pixiebuch, diesmal mit dem Titel „Das kann ich auch“, in Auftrag gegeben. Die Prämisse der Erzählung ist recht simpel: Eine umgekehrte Welt, in der Jungen und Männer „weiblichen“ Aktivitäten und Mädchen und Frauen „männlichen“ Aktivitäten nachgehen. Ein weiterer Teil der Kampagne sind einige Workshops und Diskussionsrunden zum Weltfrauentag am 8. März.
Das Mega versteht solche Kampagnen als Mittel zur breitangelegten Bevölkerungssensibilisierung. Noch bei der Vorstellung von „Changez de perspective“ sprach Mutsch davon, damit sowohl Kinder, Eltern als auch die allgemeine Öffentlichkeit erreichen zu wollen. Symbolische Aktionen haben natürlich ihre Berechtigung, als Mittel zur tiefgreifenden Sensibilisierung für eine Problematik reichen sie jedoch bei Weitem nicht aus. Vor allem dann nicht, wenn sie einzig zu ganz spezifischen Anlässen – in einem Wahljahr, am Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen oder Weltfrauentag – umgesetzt werden.
Alles in allem fällt die Bilanz eher enttäuschend aus.
Es entsteht der Eindruck, dass das Mega nicht nur davon ausgeht, Sexismus in der Gesellschaft in erster Linie durch an Kinder gerichtete Kampagnen bekämpfen zu können, sondern auch jegliche Aufklärungsarbeit auf andere Institutionen auslagert. Vor einem Jahr wurde beispielsweise das neu gegründete Referenzzentrum zur Förderung sexueller und affektiver Gesundheit vorgestellt. Es ist wenig wahrscheinlich, dass dieses Institut den Ansprüchen, die an es gestellt werden, wird gerecht werden können – wie denn auch? Schon allein die Vorstellung, dass eine einzige Person ausreicht, um eine völlig neue Struktur aufzubauen, wirkt mehr als optimistisch.
Man muss fairerweise einräumen, dass das Mega auch einige wichtige Schritte in Richtung Chancengleichheit in die Wege leiten konnte. So zum Beispiel das Gesetz, das eine Umsetzung der Istanbul-Konvention vorsieht. Doch alles in allem fällt die Bilanz eher enttäuschend aus. Fast scheint es, als sei sich das Mega nicht bewusst, dass Geschlechterungleichheit strukturelle Ursprünge hat und dieses Problem weder durch Symbolpolitik noch durch Symptombekämpfung zu lösen ist. Es ist höchste Zeit, dass das Mega den Perspektivenwechsel, den es im Titel seiner neuen Kampagne fordert, selber vornimmt.