CSV: Entzauberung einer Volkspartei

Ohne Juncker-Effekt und ohne Macht im Staate kommt der CSV der Status der Unumgänglichkeit abhanden.

Als Pierre Werner 1979 ein Comeback feierte und dem CSV-Staat für mehr als drei weitere Jahrzehnte Leben einhauchte, hatte er einen als unendlich lang empfundenen Marsch durch die Wüste hinter sich. Fünf Jahre harte Oppositionsarbeit zahlten sich aber aus: Die blau-rote Mehrheit, 1974 einem europäischen Trend folgend installiert, war dahin. Besonders die Sozialisten zahlten eine hohe Rechnung für ihre Regierungsbeteiligung.

Im Oktober 2018, nach erneut fünf Jahren in der Opposition, verfehlte die CSV hingegen das erhoffte Plebiszit, welches belegen sollte, dass man die größte Partei im Parlament bei der Regierungsbildung nicht ungestraft übergehen kann. Sie fuhr vielmehr ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein. Anders als 1979 war sie ohne die Spitzenkräfte aus alten Tagen angetreten. Jean-Claude Juncker und der lange Zeit fest als Nachfolger gesetzte Luc Frieden sahen sich für Höheres bestimmt, als fünf Jahre lang die Oppositionsbank zu drücken.

Auch bei den jüngsten Europawahlen erlaubte sich die CSV den Luxus, bis auf eine Ausnahme, nur europa-unerfahrene und kaum bekannte Kandidat*innen aufzustellen. Als mutiger Erneuerungsschritt verkauft, weigerten sich in Wahrheit die Parteigranden, als Wasserträger für ihren Wahlverein zu fungieren.

Dabei hätte auch eine prominentere Liste den dritten Sitz wohl kaum halten können. Die CSV hatte diesen eigentlich nur inne, weil ein ungerechtes Sitzverteilungssystem sie bevorzugte: Mit jeweils rund einem Drittel der Stimmen erhielt sie meist die Hälfte der Sitze.

Um die strukturelle Stärke der CSV bei Europawahlen ermessen zu können, ist der Blick auf die prozentualen Ergebnisse deshalb ergiebiger. Von 1979 bis 1999 hatte die CSV von 36,1 auf 31,6 Prozent kontinuierlich abgewirtschaftet. 1994 büßte man den ominösen Restsitz zu Gunsten der Grünen ein. 2004, das Jahr als Jean-Claude Juncker eigentlich nach Brüssel wechseln sollte, legte die CSV erstmals wieder richtig zu und holte sich das dritte Mandat auf Kosten der LSAP zurück. 2009 wurden aber wieder nur mehr 31,3 Prozent erreicht. Bei der Europawahl 2014, die ja auch eine Protestwahl gegen Gambia war und den Nicht-Kandidaten Juncker ins Amt des Kommissionspräsidenten hieven sollte, erreichte die CSV dann ein Rekordergebnis von 37,7 Prozent.

Der Absturz um 16,6 Prozent von vergangenem Sonntag muss demnach relativiert werden. Aber auch ein Vergleich mit 2009 zeigt einen historischen Niedergang der CSV: Ein Drittel der angestammten Stimmen sind futsch. Allein mit einer Newcomer-Liste lässt sich das kaum erklären.

Ein Teil der bürgerlichen Wählerschaft hat ihren Gram über den „Verrat“ an der CSV von 2013 wohl definitiv vergessen.

Vieles ist bei der CSV seit den letzten Landeswahlen, die ja eigentlich nicht zu verlieren waren, schief gelaufen. Die Aufregung um das neue Spitzenpersonal, wie auch die Arbeitsverweigerung der „alten Hasen“, haben das Image der „incontournablen“ Partei soweit lädiert, dass sogar Stammwähler*innen sich eine neue politische Heimat suchten.

Leider stehen in Luxemburg nicht ausreichend demoskopische Instrumente bereit, um spezifischere Wahlanalysen betreiben zu können. Doch ist der DP-Erfolg teilweise einer bürgerlichen Wählerschaft geschuldet, die ihren Gram über den „Verrat“ an der CSV von 2013 wohl definitiv vergessen und sich wieder mit den Liberalen versöhnt hat.

Spannend auch die Frage, wie sich Neuwähler*innen entschieden haben – ein Blick nach Deutschland lässt erahnen, dass die CSV im Gegensatz zu den Grünen hier wenig zu melden hat. Der CSV-Präsident klammert sich daher vor allem an den „Greta Thunberg“-Effekt: Die Grünen profitierten vom plötzlich (?) aktuell gewordenen Klimathema, seien aber jetzt in einer Bringschuld. Es ist allerdings fragwürdig, ob die CSV in Sachen Klimaschutz hier je einen Führungsanspruch wird anmelden können.

Spannend nun, ob manche Christsozialen nicht doch auch zum rechten Rand hin schielen, schließlich hat die ADR den Restsitz nur knapp verfehlt. Mit über zehn Prozent ist sie keine „Randpartei“ mehr, die sich so einfach ignorieren lässt.


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