Cyberausstellung zu Cyberfeminismus: Feministisches Netz, wie früher

Mit dem Cyberfeminism Index ist Mindy Seu zwar keine visuell ansprechende Online-Ausstellung gelungen, wohl aber ein spannendes Nachschlagewerk, das Nostalgie weckt.

Auch die eher spärlich vorhandenen Bilddokumente lassen sich im Cyberfeminism Index separat anzeigen. (Screenshot: cyberfeminismindex.com)

Vor 30 Jahren sah das Internet noch ganz anders aus. Bevor Google, Twitter, Facebook und Co. die Nutzer*innen in goldene Käfige sperrten, war das WWW ein unentdecktes, verheißungsvolles Land mit schleichend langsam ladenden Bildern und wenig grafischen Gestaltungsmöglichkeiten. Trotzdem war das Stöbern im Netz um einiges spannender: Die Nutzer*innen klickten sich von Website zu Website, diskutierten in Foren (oder deren Vorgängern) und dadurch, dass kaum ein Dienst zentralisiert war, entstanden an allen Ecken und Enden kleine Communities. Die virtuelle Ausstellung Cyberfeminism Index, geschaffen von der Forscherin und Designerin Mindy Seu, bringt ihre Besucher*innen zurück in diese Zeit. Statt endlosem Scrollen auf sozialen Netzwerken verleitet der Index vielmehr zum Hin- und Herspringen zwischen Querverweisen – wie in den Urzeiten des WWW.

Der Look ist zwar nicht ganz so retro, wie man vielleicht erwarten könnte, aber das Design wurde bewusst schlicht gehalten. Mit dem Verzicht auf moderne Script-Bibliotheken von Drittanbietern und dem Einsatz der Standardschriftart Arial – eine der einzigen Standardschriften, die von einer Frau entwickelt wurde – soll nicht nur Unabhängigkeit, sondern auch eine gewisse Nachhaltigkeit gesichert werden. Ziel ist es, möglichst viele Facetten des Cyberfeminismus abzudecken und zu dokumentieren.

Cyborgs, Sex und Glitches

Eine einheitliche Definition von Cyberfeminismus gibt es auch nicht: „Cyberfeminismus kann nicht auf Frauen und Technologie reduziert werden. Es geht auch nicht um die Verbreitung von Feminismus durch Technologie. Die Kombination von Cyber und Feminismus war als Oxymoron oder Provokation gedacht, eine Kritik der Cyberbabes und Fembots der Sci-Fi-Landschaften der 1980er-Jahre“, heißt es in der Beschreibung des Cyberfeminism Index. Der Index präsentiert sich als Liste mit den Titeln von Texten oder Namen von Kollektiven, die in irgendeiner Weise etwas mit Cyberfeminismus zu tun haben.

Den Anfang macht beispielsweise das berühmte Cyborg Manifesto von Donna Haraway, das bereits 1985 geschrieben wurde. Klickt man drauf, kann ein Ausschnitt gelesen werden, außerdem finden sich weiterführende Links – in Haraways Fall sogar zum ganzen Text. Alle Verweise sind klickbar, sodass man gleich zu anderen relevanten Einträgen springen kann. Daneben gibt es die Möglichkeit, sämtliche Einträge, die man angeklickt hat, als PDF zu exportieren, zum Beispiel für eine Literaturliste.

Zu bestimmten Themen wurden „Sammlungen“ angelegt, sodass man sich nicht durch den ganzen Index arbeiten muss, sondern einfach auf alle Einträge zum Thema zugreifen kann. Eine solche Sammlung nennt sich „A Glitched Art History“, eine andere beschäftigt sich mit den „Cybernetics of Sex“.

Die Bandbreite der Einträge reicht von einfachen Links zu Websites von Aktionen und Netzwerken über theoretische Texte bis hin zu Videos und Fotos. Die können sich mit den Schnittpunkten von Technologie und Feminismus beschäftigen, aber auch ganz andere thematische Schwerpunkte haben. Da die Einträge standardmäßig nach Veröffentlichungsdatum geordnet sind, lässt sich so auch die Entwicklung feministischer Netzwerke und Theorien im und um das Netz herum nachvollziehen. Der Cyberfeminism Index ist sehr textlastig, womit die Frage, ob es sich hierbei wirklich um eine Ausstellung handelt, auch negativ beantwortet werden könnte. Aber braucht es virtuelle Rundgänge, 3D-Animationen und kunstvolle Effekte, wenn man – wie in der Entstehungszeit des Cyberfeminismus – ganz einfach von Link zu Link surfen kann?

cyberfeminismindex.com

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