Auf Netflix: Mank

Nach sechs Jahren meldet sich Meisterregisseur David Fincher mit „Mank“ auf Netflix zurück. Sein neustes Drama behandelt nicht weniger als die Entstehung eines der größten amerikanischen Filme aller Zeiten: „Citizen Kane“.

Aufgepasst! Gary Oldman spielt in David Finchers Mischung aus Biopic und Märchen einen Hermann J. Mankowiecz zwischen Realität und Fiktion. (Bildquelle: Netflix)

Für die Realisierung von „Mank“ hat David Fincher lange gekämpft. Der Produktionsstart war ursprünglich Ende der 1990er-Jahre geplant. Kevin Spacey und Jodie Foster sollten die Hauptrollen übernehmen. Das Projekt scheiterte an David Finchers Entscheidung, den Film in Schwarz-Weiß produzieren zu wollen. Erst jetzt – mit Streamingdienst Netflix im Rücken – konnte der Regisseur den Film stilistisch und inhaltlich so umsetzen, wie er es wollte.
Das Drehbuch beruht auf einem Erstentwurf von Finchers Vater Jack, der 2003 verstarb. David Fincher polierte es auf, überließ den Credit aber allein seinem Vater. Im Mittelpunkt der Filmbiografie steht der Schriftsteller Herman J. Mankiewicz (Mank), der in den 1940er-Jahren das Drehbuch zu einem der bekanntesten Filme Hollywoods schrieb: „Citizen Kane“. Das Drama über einen von der Macht korrumpierten Medienmagnaten gilt auch heute noch als revolutionäres Meisterwerk, das sowohl filmtechnisch als auch inhaltlich neue Wege ging und den amerikanischen Traum als gierige Hybris entlarvte. Die Schwierigkeiten, die Mankiewicz bei den Drehbucharbeiten begegneten, werden in Finchers Film thematisiert.

„Wie soll ich das ganze Leben eines Mannes in zwei Stunden darstellen?“, fragt Mank, durch einen Unfall ans Bett gefesselt. Er soll das Skript zu „Citizen Kane“ in nur sechzig Tagen schreiben. „Ich kann höchstens einen Eindruck davon vermitteln.“ Diesem Credo folgt auch Fincher. Der reale Mankiewicz ist nur Vorlage für Finchers Version – weniger eigener Charakter und mehr Sprachrohr des Regisseurs, durch das der versucht, die eigene Hassliebe zur Industrie Hollywoods sowie zum Medium Film zu verarbeiten.

„Citizen Kane“ hatte einen ähnlich kritischen Subtext. Doch webte Mankiewcz diesen gekonnt in ein emotionales Charakterdrama ein. David Fincher geht den Weg gewissermaßen andersherum: Er stellt das korrupte und manipulative Hollywood der 1930er- und 1940er-Jahre in den Fokus und nutzt seine Figuren primär dafür, kritische Ansichten zu verbalisieren und diese auf die heutige Zeit zu beziehen. Manks Heimstudio MGM unterstützt beispielsweise durch fiktionale Werbespots die republikanische Partei, nutzt also die Macht des emotionalen Filmnarrativs, um Wähler*innen zu manipulieren. Ein Vorgehen, das Fincher in „Mank“ offen anprangert.

Abseits dieser inhaltlich sehr kritischen Vorgehensweise Finchers, spiegelt die Inszenierung von „Mank“ die andere Seite seiner Hassliebe wieder: Leidenschaftlich zollt Fincher dem Kino der 1930er und 1940er-Jahre audiovisuellen Tribut. Ein stimmigeres Hollywood aus dieser Zeit hat man lange nicht mehr gesehen. Hinter dieser liebevollen und aufwendigen Oberfläche lauert dann aber oft keine echte Empathie oder Emotion, sondern mehr ein didaktischer Diskurs.

Allein durch den Bezug auf Finchers Vater ist „Mank“ zweifellos ein Herzensprojekt. Eines, das mit Ausnahme der stilistisch grandiosen Inszenierung nicht in Schwarz-Weiß-Malerei verfällt. Doch so ironisch es klingen mag: „Mank“ fehlt es ein wenig an Herz – und das kann man als (vielleicht einzige) Schwäche des sonst tief atmosphärischen Films mit Gary Oldman, der seine Rolle leidenschaftlich spielt, ausmachen. Immerhin: Mankiewicz selbst hätte diese Ironie vermutlich gefallen.

Auf Netflix.

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