Bei der Diskussion um eine Fristverlängerung für Schwangerschaftsabbrüche führt die Gynäkolog*innengesellschaft medizinische und ethische Gegenargumente an. Dahinter steckt eine kritikwürdige Haltung.
Manche Länder verbieten ihn, andere erlauben ihn unter bestimmten Bedingungen. Die Rede ist vom Schwangerschaftsabbruch. Doch unabhängig von der jeweiligen Rechtslage: Immer wieder flammen Debatten auf, die zumindest Teile davon in Frage stellen. Dabei geht es unter anderem um die Frist, innerhalb welcher ein legaler Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden darf. Ein entsprechender Konflikt wird seit geraumer Zeit auch hierzulande ausgetragen.
Organisationen wie das Planning Familial (PF) fordern, die Frist für einen Abbruch von der 12. auf die 14. Schwangerschaftswoche zu erhöhen. Dies ist etwa in Frankreich und Belgien der Fall. In den Niederlanden ist ein Abbruch sogar bis zur 24. Schwangerschaftswoche möglich, bei schweren Gesundheitsproblemen während der Schwangerschaft auch noch später. Begründet wird die Forderung nach einer Fristverlängerung gemeinhin mit dem Verweis auf einen zwar kleinen, aber dennoch existierenden Prozentsatz an Personen, die ihren Wunsch nach einem Abbruch erst nach der 12. Schwangerschaftswoche äußern.
Anders als man vielleicht erwarten könnte, sind es nicht „Pro Lifers“ – etwa die Organisation Vie naissante –, die hierzulande am lautesten gegen diese Forderung wettern, sondern die Gynäkolog*innengesellschaft SLGO. Deren Präsident, Pit Duschinger, wird nicht müde, sich für den Erhalt der aktuellen 12-Wochen-Frist auszusprechen: Nach diesem Zeitpunkt werde die Prozedur komplizierter – statt Medikamenten ist dann ein operativer Eingriff nötig – und gehe mit höheren Risiken einher. Zudem bestehe die Gefahr, dass Schwangere sich für einen Abbruch entschieden, weil ihnen das Geschlecht des Fötus nicht passe. Der hierzulande gemeinhin ab der 12. Schwangerschaftswoche durchgeführte Nicht-invasive-Pränataltest, kurz Nipt-Test, gibt nämlich Auskunft über die Geschlechtschromosome des Fötus.
Was zunächst nach nachvollziehbaren Einwänden klingt, entpuppt sich als pure Ideologie.
Was zunächst nach nachvollziehbaren medizinischen und etischen Einwänden klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als pure Ideologie. Dass eine Fristverschiebung eine andere Methode zum Schwangerschaftsabbruch erfordert, ist noch kein Argument dagegen. Medizinisches Fachpersonal muss vielmehr ein entsprechendes Weiterbildungsangebot erhalten. Auch bezüglich erhöhtem Risikopotenzial gilt es zu nuancieren. Im Vergleich zu anderen medizinischen Prozeduren, ist das Risiko allgemein niedrig: Bis zur 22. Schwangerschaftswoche liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Gebärmutter von einem Operationsinstrument verletzt wird bei 0,1 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit für andere Komplikationen ist nochmals weitaus geringer. Auch was Schwangerschaftsabbrüche aufgrund des Geschlechts betrifft, könnten Lösungen gefunden werden – wenn man denn wollte. So könnte man etwa Nipt-Tests vor der 15. Schwangerschaftswoche verbieten.
Daran wird deutlich: Die SLGO hält vor allem aus Prinzip an der 12-Wochen-Frist fest. Sie unterstellt Patient*innen nicht selbst abwägen zu können, ob sie die bestehenden Risiken in Kauf nehmen wollen. Stattdessen soll ihnen die Entscheidung abgenommen werden. Die Angst, dass sich aufgrund der Chromosomen eines Fötus dessen Eltern für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden könnten, wirft zudem die Frage auf, weshalb sich die SLGO überhaupt mit den Motiven der Betroffenen befasst.
Von einem Verein wie der Gynäkolog*innengesellschaft sollte man im Rahmen einer solchen Debatte zwei Dinge erwarten: Einerseits eine medizinische Einschätzung und andererseits Respekt vor dem Recht der Betroffenen, über ihren eigenen Körper zu verfügen.