Schwangerschaftsabbruch: Reform, ein Wunschkind?

Die Diskussionen um den Schwangerschaftsabbruch flammen in Luxemburg wieder auf. Die Zeichen stehen auf Sturm.

Ein positiver Schwangerschaftstest ist nicht für alle ein Grund zur Freude, doch die Bestimmungen rund um den Schwangerschaftsabbruch stehen weltweit immer wieder zur Debatte – auch in Luxemburg. (Copyright: Pexels/Olia Danilevich)

„Leider konnte die SLGO aus organisatorischen Gründen nicht an dem Treffen der Arbeitsgruppe teilnehmen. Das hatte nichts mit einem Boykott zu tun“, bedauerte Pit Duschinger, Gynäkologe und Präsident der Société luxembourgeoise de gynécologie et dʼobstétrique (SLGO), am Mittwoch im Interview mit RTL. Es ist die Rede von einer interministeriellen Arbeitsgruppe, die das Gesundheitsministerium 2022 einberief: Sie soll eine Bestandsaufnahme der geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Schwangerschaftsabbruch machen. Teil davon ist unter anderem das Planning Familial, Zentrum und Beratungsstelle für affektive und sexuelle Bildung.

Warum Duschinger einen möglichen Boykott aus dem Weg räumt, ist schnell erklärt: Die SLGO hatte sich bereits in der Vergangenheit gegen die Forderungen des Planning familial gestellt. Eine Haltung, die Duschinger diese Woche erneut unterstrich. „Wir haben den Bericht der Arbeitsgruppe erhalten und uns darüber echauffiert, in welche Richtung hauptsächlich das Planning die Diskussion lenken möchte“, sagte er bei RTL. „Das können wir nicht akzeptieren, ohne fundierte Kritik zu üben.“

Fordert das Zentrum die Aufhebung der derzeit obligatorischen dreitägigen Bedenkzeit für Personen, die ihre Schwangerschaft beenden wollen, macht sich die SLGO für ihren Erhalt stark. Das habe unter anderem administrative Gründe: Die Besorgung des nötigen Medikaments Mifegyne benötige Zeit. Führt der Präsident der SLGO dies als Argument für den Erhalt der gesetzlichen Frist ein, könnte dies genauso gut ein Plädoyer für ihre Abschaffung sein: Wenn es in der Praxis aufgrund administrativer Prozeduren ohnehin unmöglich ist, von jetzt auf gleich einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, wozu dann eine gesetzlich festgelegte Bedenkzeit beibehalten?

Duschinger nennt bei RTL einen weiteren Grund gegen die Abschaffung: Besonders junge Personen würden sich oft aus der Panik heraus für einen Abbruch entscheiden, den sie nach den drei Tagen widerrufen würden. Nach Zahlen des Planning familial dürfte es sich hierbei um eine Minderheit handeln. Das Zentrum verzeichnete 2022 insgesamt 706 Anfragen auf Schwangerschaftsabbrüche. Die Frauen waren im Schnitt 28 Jahre alt, 31 waren minderjährig.

„Wir haben den Bericht der Arbeitsgruppe erhalten und uns darüber echauffiert, in welche Richtung das Planning die Diskussion lenken möchte.“

Für das Planning ist klar, dass jede Person selbst entscheiden muss, wie lange sie über den Abbruch nachdenken möchte und ob sie eine psychologische Betreuung in Anspruch nehmen will. Das Gesundheitsministerium scheint sich solchen Diskussionen nicht zu verschließen, wie aus der Antwort von Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Jeff Engelen (ADR) von letzter Woche hervorgeht. „Die luxemburgische Regierung steht der Idee, die Bedenkfrist auf ein striktes Minimum zu reduzieren, positiv gegenüber“, schreibt Lenert dort. „Das heißt, dass ein Abbruch praktisch einen Tag nach der ersten medizinischen Beratung stattfinden könnte.“

Anders als die SLGO, befürwortet das Ministerium zudem die Verlängerung des Zeitraums, innerhalb dessen ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden kann. Momentan liegt die Frist in Luxemburg bei der 12. Schwangerschaftswoche; im Gespräch ist eine Erhöhung auf die 14. Woche. „Auch wenn die meisten Schwangerschaften früh unterbrochen werden – zwischen der fünften und der sechsten Woche – gibt es immer noch eine kleine Zahl von Frauen, die ihren Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch zu spät äußern“, so die Gesundheitsministerin an Engelen. Diese Personen seien dann entweder gezwungen das Kind auszutragen oder den Abbruch in einem Land vorzunehmen, in dem die Fristen länger seien. Im Planning familial wurden 2022 insgesamt 653 Schwangerschaftsabbrüche nach einer ersten Anfrage geplant. Acht wurden im Ausland ausgeführt, drei davon aufgrund der überschrittenen Frist.

Schrieb das Luxemburger Wort im April noch, Paulette Lenert reagiere zögerlich auf die Forderungen des Planning, scheint sich ihre Position also in der Zwischenzeit zumindest auf dem Papier gefestigt zu haben. Auch wenn das Gesundheitsministerium auf Nachfrage der woxx mitteilt, es gebe keine Richtlinien, bis wann die Reformvorschläge vorgelegt werden sollen. Die SLGO stellt sich jedenfalls quer: Eingriffe nach der zwölften Schwangerschaftswoche, wie sie beispielsweise in Frankreich möglich sind, seien gefährlich für die Schwangeren. Diese dürften nur von Expert*innen durchgeführt werden. Anders als beim medikamentösen Abbruch, handelt es sich hierbei um einen operativen Eingriff. Inwiefern diese Operation höhere Risiken birgt als andere, erklärte Duschinger am Mittwoch nicht.

Stattdessen erwähnte er die Gefahr, dass eine längere Frist zum Missbrauch einlade. Ab der 12. Schwangerschaftswoche ist es per Non Invasive Prenatal Test möglich, Trisomie sowie die Genitalien des Kindes zu erkennen. Würde die Frist auf 14 Wochen ausgeweitet, steige die Rate der Abbrüche sicherlich; besonders in Kulturkreisen – in welchen präzisierte Duschinger nicht –, in denen das Geschlecht des Nachwuchses eine große Rolle spiele.

Zwar wolle die SLGO „Frauen helfen“ und sie „vor Fehlern schützen“, doch in keinster Weise ihr Selbstbestimmungsrecht beschneiden. Ein Anliegen, das schwer vereinbar mit den teilweise paternalistischen Haltungen der SLGO ist, zumal Duschinger im Gespräch explizit darauf hinwies, die Organisation Vie naissante sei beim ersten Treffen der Arbeitsgruppe nicht vertreten gewesen. Vie naissante ist ein Verband, der Schwangerschaftsabbrüche ablehnt.

Nach Informationen der woxx war dieser nicht zum ersten Treffen der Arbeitsgruppe eingeladen, soll aber an der zweiten Sitzung teilnehmen. Weitere Mitglieder sind der Conseil supérieur de certaines professions de santé, der Collège médical und Vertreter*innen des Justizministeriums. Warum Vie naissante überhaupt mit am Tisch sitzt, ist unklar. Es löst Zweifel an der Aufrichtigkeit der zuvor erwähnten Offenheit des Gesundheitsministerium aus. Dass die SLGO die Präsenz von Vie naissante scheinbar als wichtig empfindet, aber das Planning Familial absolut gegensätzliche Positionen vertritt, wird künftige Diskussionen um die Anpassung der Rahmenbedingungen zum Schwangerschaftsabbruch in Luxemburg jedenfalls mit Sicherheit erschweren.


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