Denkmalschutz: Umkehr der Beweislast erneut in der Diskussion

Wer alte Gebäude abreißen will, muss belegen, dass diese denkmalschützerischen Ansprüchen nicht gerecht werden. Das verlangt die Petition 2477, die fast am Ziel der 4.500 Unterschriften angelangt ist.

Foto: woxx

Knapp ein Jahr nachdem das jüngste Denkmalschutzgesetz verabschiedet wurde, findet derzeit in Mersch eine öffentliche Anhörung statt, bei der die Bevölkerung dazu aufgerufen ist, zu dem von der staatlichen Denkmalschutzbehörde INPA ausgearbeiteten Klassifizierungsinventar Stellung zu nehmen. Die Prozedur dauert noch bis zum 1. März an und kann über das Portal enquetes.public.lu eingesehen werden.

Es handelt sich um das erste Verfahren dieser Art, so wie es die neue Gesetzgebung für jede Gemeinde vorsieht. Um dem Unterfangen Nachdruck zu verleihen, wurde am Donnerstag vergangener Woche das Ergebnis der Erhebungen sogar anlässlich einer öffentlichen Veranstaltung, unter Beisein der Kulturministerin Sam Tanson (Déi Gréng), vorgestellt.

Optimist*innen werden die Vorstellung eines ersten Inventars in so kurzer Zeit als sportlich bezeichnen. Sogar wer weiß, dass für einige Gemeinden des Landes die Inventarisierung bereits begonnen hatte, bevor das aktuelle Gesetz überhaupt auf den Instanzenweg gelangte, wird anerkennen müssen, dass die Vorgabe ein denkmalpflegerisches Inventar für ganz Luxemburg zu erstellen, beherzt und zielstrebig in Angriff genommen wurde. Ob die Zurückbehaltung von etwa 180 Klassifizierungsvorschlägen bei etwas mehr als 250 untersuchten Objekten einem als fortschrittlich einzustufenden Denkmalschutz gerecht wird oder nicht, muss allerdings eine detaillierte Einzelprüfung ergeben.

Spannend dürfte jetzt werden, inwiefern die vorgelegten Vorschläge auf Opposition stoßen. Auf der Internetseite einer auf Immobilienrecht spezialisierten Anwaltskanzlei wird auf die Wichtigkeit der Inanspruchnahme des Widerspruchrechtes innerhalb der gesetzten Frist hingewiesen, denn „de sévères limitations aux droits des propriétaires“ gingen mit dem Verfahren einher.

Wer die vier Grundrechenarten beherrscht und einen Blick auf die Größe des mit den Erhebungen beauftragten INPA-Teams sowie der Zahl der Luxemburger Kommunen wirft, der kommt schnell zum Schluss: Das mit dem Inventar wird dauern und Sam Tanson wohl als Ehrenstaatsministerin seit Längerem in Rente sein, bevor der Prozess für das gesamte Land abgeschlossen sein wird.

Bis dahin gilt zwar ein sogenanntes Sicherheitsnetz, bei dem wie bislang Einzelfall-Klassifizierungen gesprochen werden können. Doch haben gerade die letzten Monate gezeigt, dass dieses Verfahren Denkmalschutz auf niedrigstem Niveau zur Folge hat.

Foto: MMFE CC BY-SA 4.0

Das mit dem Inventar wird dauern und Sam Tanson wohl als Ehrenstaatsministerin seit Längerem in Rente sein, bevor der Prozess für das gesamte Land abgeschlossen sein wird.

Einerseits weil das Verwaltungsgericht in einschlägigen Urteilen Klassifizierungen zugunsten des als höher eingestuften Eigentumsrechtes kassiert hat oder andererseits weil insbesondere staatliche Akteure dem Denkmalschutz wenig Beachtung schenken – denken wir nur an den Abriss des Bahnhofes in Ettelbrück oder den Umgang mit dem Eesebuerger Schlass. Wenn Transport- oder Wohnungsbauminister ein Kreuz über ein Gebäude oder Teile davon gemacht haben, dann wird sich die Kulturministerin einem kollegialen Einverständnis kaum verweigern können.

Genau diese rezenten Entwicklungen und die zu erwartende langwierige Prozedur im Rahmen des aktuellen Gesetzes haben die Betreiber*innen der Facebook-Seite „Luxembourg under Destruction“ dazu bewegt, eine Chamber-Petition aufzulegen, die sozusagen eine Abkürzung des Verfahrens mit einer Art Umkehr der Beweislast fordert: Alle Gebäude, die vor 1957 errichtet wurden, sollen grundsätzlich als geschützt gelten. Wer sie dennoch verändern oder gar abreißen will, muss dafür selbst den Beweis erbringen, dass eine Immobilie nach den geltenden Prinzipien nicht erhaltenswert ist.

Eigentlich ist es eine leicht angepasste Variante einer bereits 2020 mit weit über den benötigten 4.500 Unterschriften bedachten Petition, die allerdings keinen Nachhall im wenig später verabschiedeten Gesetz fand.

Trotz eines ungünstig gelegenen Startzeitpunktes mitten in den Weihnachtsferien – die Petition war zunächst aus formalen Gründen zurückgewiesen worden – liegt auch die Neuauflage gut im Rennen. Bei Redaktionsschluss fehlten etwa 600 Unterschriften, damit die Chamber verpflichtet ist, ein erneutes Hearing zu veranstalten – allerdings verbleiben nur noch 8 Tage, um die restlichen Unterschriften einzusammeln.

Dass das Prinzip eines festen Stichdatums mit Umkehr der Beweislast im neuen Gesetz nicht zurückbehalten wurde, hatte vor allem mit der Angst vor einer „opposition formelle“ seitens des Staatsrates zu tun. Der behauptet zwar keine Politik machen zu wollen, stellt aber in der Regel das Eigentumsrecht – und damit den für die Eigentümer*innen einhergehenden vermeintlichen Wertverlust im Falle einer Klassifizierung – über das Gemeingut Denkmalschutz. Dabei hat er insofern Recht, als eine gewisse Lesart der Verfassung dies gebietet. Eine Verfassung, die gerade reformiert und präzisiert wurde … allerdings nicht in besagtem Punkt.


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