Ja, man kann einiges über sich selbst erfahren, wenn man einen DNA-Test macht. Doch die Online-Anbieter nutzen diese Daten – wie weit das gehen kann, ist unklar.
Da kommt doch nur Blödsinn raus – so denken viele spontan, wenn sie von den DNA-Genealogie-Tests hören. Online-Angebote um 100 Euro versprechen, gegen Einsendung einer DNA-Probe Aussagen über die genetische Herkunft eines Individuums zu machen. Zu billig um wahr zu sein? Keineswegs, stellt die ct, ein Magazin für digitale Themen, Mitte Februar fest. Die DNA-Analysen werden wissenschaftlich korrekt durchgeführt, so die Quintessenz. Probleme sieht das Magazin woanders: Die digitale Verarbeitung von DNA ist so effizient, dass sie für unerwünschte Zwecke missbraucht werden kann.
„Riskante Online-DNA-Tests“, damit coverte die ct-Ausgabe vom 15. Februar. Dem Thema ist ein Dossier von vier Beiträgen gewidmet, von denen der erste, „Jagd auf intimsten Datenpool“, auch für Nicht-Abonent*innen zugänglich ist. Dort heißt es: „Die Ergebnisse aus US-Laboren sollen dem Kunden mehr über sich selbst verraten – sie dienen aber zugleich der Forschung, der Pharmaindustrie und Ermittlungsbehörden.“ Das ist deshalb möglich, weil die Kund*innen zwar die Zerstörung der DNA-Probe verlangen können, die Analyse-Firmen sich aber vorbehalten, die Daten aufzubewahren und eventuell mit künftigen Technologien neu zu untersuchen. Verständlich, denn dieser Datenpool bilden die Grundlage für die Auswertung neuer Proben – die Firma MyHeritage zum Beispiel gibt an, fast vier Millionen Datensätze zu verwalten.
Deine DNA interessiert uns!
Verständlich, aber auch Besorgnis erregend. Denn, wie die ct schreibt, sind Versicherungsunternehmen an solchen Daten sehr interessiert. Hinweise ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Erkrankungen in der DNA-Analyse kann zu einer Verteuerung des Versicherungsschutzes führen. Und zwar nicht nur für die untersuchte Person, sondern auch für Verwandte, Kinder und Kindeskinder. Da beruhigt die Perspektive keineswegs, dass die DNA-Unternehmen mit Konzernen zusammenarbeiten, die im Gesundheitswesen oder im Bereich Big Data tätig sind. So hat sich Google 2007 beim einem der drei großen DNA-Test-Anbieter 23andMe eingekauft, der mittlerweile mit dem Pharmakonzern GlaxoSmithKline zusammenarbeitet.
Die ct unterstreicht auch die mit der DNA-Erfassung verbundenen Möglichkeiten für Strafverfolgungsbehörden und verweist auf den Fall des Golden-Gate-Killers: „Um einen Serienmörder nach über 30 Jahren zu überführen, nutzten die Beamten DNA-Spuren vom Tatort, legten Profile bei Ahnenforschungsplattformen an und fanden in deren Datenbanken ähnliche Erbgutprofile. Im familiären Umfeld der zugehörigen Kunden entdeckten die Ermittler schließlich den später Verurteilten.“ Klar, wie bei der Pharmaforschung kann man darin eine gute Sache sehen – solange man die Risiken von Behördenwillkür und Justizirrtümern ausblendet.
Kaum Datenschutz trotz GDPR
Welchen Gewinn die oder der Einzelne trotzdem aus den DNA-Analysen ziehen kann, hat die ct ebenfalls untersucht – wir gehen darauf im online-woxx-Beitrag „Nutzen und Grenzen“ ein. Mit welcher Nonchalance die Anbieterfirmen vorgehen, belegt die ct im Beitrag „Die DNA-Sauger“. Klar scheint, dass die beiden größten, Ancestry und MyHeritage, die europäische Datenschutzrichtlinie GDPR missachten. Das Magazin verweist auf das Gutachten des Datenschutzexperten Thilo Weichert über die Verstöße von Ancestry – auf das die zuständigen Behörden aber bis heute nicht reagiert haben.
Die ct kommentiert: „Überschreiten [die Anbieterfirmen] dabei rechtliche Grenzen, dauert es Jahre, bis sie dafür belangt werden. Dabei ist das Kind schon heute in den Brunnen gefallen, weil bereits zig Millionen Kunden DNA-Proben eingesandt haben.“ Und plädiert für ein generelles Umdenken: Datenarmut statt Datensammeln ist der beste Schutz vor künftigem Missbrauch, denn welche neuen (Missbrauchs-)Möglichkeiten die Entwicklungen der digitalen und medizinischen Technologien bringen, ist nicht abzusehen.
Mehr über die Möglichkeiten, die die DNA-Analyse Individuen öffnet – und wie es der US-Politikerin Elizabeth Warren damit ergangen ist – behandeln wir im online-woxx-Beitrag „Nutzen und Grenzen“.
Hier ein Video-Interview (12 Minuten) mit Erklärungen des ct-Redakteurs Arne Grävemeyer:
Im ct-Video-Podcast (74 Minuten) diskutieren vier Redakteure über die Bedrohungen, die in den DNA-Datenpools schlummern: