EU-Pestizidexporte: Gift für die Welt

Obwohl es anderslautende Versprechen gab, exportieren EU-Mitgliedsstaaten immer noch gefährliche Pestizide in Länder des globalen Südens. Eine NGO prangert dies an.

(Foto: Rawpixel)

Die Industrie der EU liegt danieder und exportiert kaum noch? In einem Bereich stimmt diese Darstellung auf jeden Fall nicht: Bei Pestiziden ist die EU Exportweltmeisterin. Das hat schwerwiegende Folgen, denn laut Schätzungen soll es jährlich zu 385 Millionen Fällen akuter Vergiftungen durch Pestizide kommen, die aus der EU exportiert wurden. Eine Praxis, der eigentlich längst der Riegel vorgeschoben worden sein sollte: 2020 versprach die Europäische Kommission, Exporte von Pestiziden, die innerhalb der EU aus Gesundheitsgründen verboten sind, zu verbieten. Die Kommission wollte dies im Rahmen ihrer „Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit“ (siehe woxx 1596) umsetzen und somit für Kohärenz sorgen. Im November 2022 erinnerten 300 Organisationen aus der ganzen Welt die Kommission an ihr Versprechen und mahnten, doch endlich entsprechende Gesetzesvorschläge zu erlassen. Im Oktober 2023 nahm der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments eine entsprechende Resolution an. Passiert ist jedoch nichts.

Aktuell gilt immer noch die sogenannte „Prior Informed Consent“-Verordnung (PIC), die seit 2014 in Kraft ist. Sie ermöglicht es, gefährliche Chemikalien zu produzieren und in Drittländer zu exportieren. Darunter sind auch Pestizide, die in der EU als zu gefährlich für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gelten.

Am vergangenen Dienstag veröffentlichte die Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) einen Bericht mit dem Titel „Deadly Exports“. Darin nennt die NGO Exportzahlen aus 2018: Insgesamt 41 verschiedene, in der EU verbotene Pestizide seien weiterhin exportiert worden, von Firmen wie Syngenta, Corteva, Bayer und BASF. Die Daten der EU-Chemiebehörde Echa zeigen, dass dies weiterhin Praxis ist: Auch 2022 wurden beispielsweise über 3.400 Tonnen des Herbizids Acetochlor und über 6.300 Tonnen des Fungizids Picoxystrobin exportiert.

Schlechte Argumente

In ihrem Bericht analysiert die NGO die wichtigsten Argumente, welche von Chemiekonzernen vorgebracht werden, um sich gegen ein Verbot von Exporten zu stellen. Die Industrie behauptet beispielsweise, ein Exportverbot ginge mit einem großen Abbau von Arbeitsplätzen einher. Im April 2024 veröffentlichte das Pesticide Action Network (Pan) eine Studie, die zeigt, dass kaum Arbeitsplätze verloren gehen würden. Erfahrungen aus Frankreich, das 2022 ein Exportverbot einführte, würden zeigen, dass dort überhaupt keine Stellen abgebaut worden seien. Hochgerechnet auf die gesamte EU geht das Pan davon aus, dass 25 Jobs betroffen wären.

Ein weiteres Argument, das die Industrie laut CEO immer wieder vorbrächte, sei die Notwendigkeit, gefährliche Chemikalien nicht nur in der EU, sondern weltweit zu reglementieren, zum Beispiel durch die Rotterdam-Konvention. Doch die internationalen Verfahren brauchen sehr lange. Ein Beispiel hierfür ist das hochgiftige, Parkinson verursachende Herbizid Paraquat. Es wurde bereits in den 1980er-Jahren in Schweden und Finnland verboten, in den 1990er-Jahren in anderen europäischen Ländern und 2007 in der gesamten EU. In Brasilien ist es jedoch erst seit 2021 verboten. Auch wenn die Chemikalie nun auf der Agenda der Rotterdam-Konvention steht, wurde noch keine endgültige Entscheidung gefällt. Das CEO hält die Argumentation, man müsse gefährliche Pestizide international verbieten, lediglich für den Versuch, EU-Regeln zu verlangsamen.

Auch die Idee, die Landwirtschaft im globalen Süden sei auf Pestizide angewiesen, greift die NGO an: Es gebe keine Beweise, dass Exportverbote Landwirt*innen in Drittländern schaden. Es sei stattdessen viel besser, eine Landwirtschaft aufzubauen, die auf wenig oder gar keine Pestizide angewiesen sei. Da diese Firmen großen Einfluss auf die Kommission hätten, würden solche Mythen immer wieder als Vorwand genutzt, um Exportverbote nicht durchzusetzen, meint Hans Van Scharen, Campaigner bei CEO in einer Pressemitteilung: „Solange diese Unternehmen und ihre Lobbyisten privilegierten Zugang zu Regierungen und EU-Institutionen haben, werden sie weiterhin ihren Profit über die Gesundheit und den Erhalt der Artenvielfalt stellen. Ihre Argumente sind lächerlich, doch die Vereinnahmung der EU-Politik durch die Unternehmen hält Europas Komplizenschaft mit diesem tödlichen Handel aufrecht. Wir brauchen eine giftfreie Politik, um den Schaden, der überall auf der Welt angerichtet wurde, zu beheben.“


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