Gender: Frauen spielen die zweite Geige

Luxemburgs Kulturbetrieb fehlt es an Frauen: Das zeigt eine Analyse des CID Fraen an Gender in Zusammenarbeit mit dem Liser. Die wichtigsten Zahlen im Überblick sowie Reaktionen aus dem Kulturministerium.

Die Gesamtanzahl von Frauen und Männern in den ausgewerteten professionellen Posten. Dabei fällt insbesondere im Bereich Musik auf: Frauen sind in allen Berufspositionen stark unterrepräsentiert. (Copyright: woxx)

Letztes Jahr fragte die luxemburgische Rapperin Nicool in einem Lied für das feministische Zentrum CID Fraen an Gender „Wou ass dʼFra?“, jetzt liegt die Antwort vor: Offensichtlich nicht im Kulturbetrieb. Das belegt Luxemburgs erste Studie zu Geschlechterverhältnissen im Kultursektor („Analyse de la programmation culturelle 2022-2023 dans une perspective sensible au genre au Luxembourg“). Der CID gab sie in Auftrag, das „Luxembourg Institute of Socio-Economic Research“ (Liser) führte sie durch.

Im Mittelpunkt stehen die Programme der Saison 2022/2023. Die Studie beschränkt sich auf die Disziplinen Tanz, Theater, klassische Musik sowie auf Line-Ups von elf Musikfestivals und auf Konzerte, die nicht unter Klassik fallen. Die Forscher*innen des Liser nahmen zudem die Programme von acht Kulturhäusern unter die Lupe, die der zentralen Staatsverwaltung angegliedert sind (Abtei Neumünster, Philharmonie, Rockhal, Rotondes, Théâtre national du Luxembourg, Trois-CL, Escher Theater, Cape) und die ausgewählten Kunstgenres darbieten. Das Geschlecht der Künstler*innen wurde dabei „vermutet“, wie es in der Studie heißt. Daten zu nicht-binären Künstler*innen konnten nicht ermittelt werden. Die woxx sprach Claire Schadeck, Projektleiterin beim CID, im Interview (S. 5) auf die Vorauswahl und die Datenerhebung an. Über die Repräsentativität der Studienergebnisse lässt sich jedenfalls streiten; eine wichtige Momentaufnahme und einen Anhaltspunkt liefert sie aber allemal.

Frauen in der Unterzahl

In der Saison 2022/2023 fanden 1.365 Kulturveranstaltungen statt, 906 davon in den Bereichen moderne und klassische Musik. Grundsätzlich dominierten Männer die Saison, denn sie waren in 78 Prozent aller Kulturveranstaltungen vertreten. Ausschlaggebend hierfür ist vor allem der Musiksektor: Im Bereich Klassik stellten Männer 81 Prozent der repräsentierten Künstler*innen dar; bei Festivals und Konzerten anderer Musikgattungen sogar 85 Prozent.

Im Vergleich dazu sind die Geschlechterverhältnisse in den darstellenden Künsten schon fast positiv zu bewerten (57 Prozent Männer; 43 Prozent Frauen). Allein im Tanz sind Frauen mit 52 Prozent allgemein leicht überrepräsentiert. Das Ergebnis gibt aber nur bedingt Anlass zu Freude, denn: Frauen dominieren zwar als Tänzerinnen, in den Berufszweigen „Accompagnement scénique“ (42 Prozent) und „Choréographes“ (35 Prozent) sind sie jedoch unterrepräsentiert.

(Foto: Pexles/Leeloo The First)

Die Musikszene gibt also den Ton an – und der kommt selten von Frauen. In den Veranstaltungen zu klassischer Musik machen Frauen acht Prozent der Autor*innen, 13 Prozent der musikalischen Leiter*innen und 29 Prozent der Solist*innen aus. Ein Blick auf das Philharmonische Orchester von Luxemburg unterstreicht dieses Ungleichgewicht, auch wenn jenes in der Studie nicht explizit Erwähnung findet: Musikalischer Leiter ist Gustavo Gimeno – seit der Gründung im Jahr 1933 bekleidete noch nie eine Frau diesen Posten –, von den 99 Musiker*innen sind 36 weiblich und 63 männlich lesbar (Stand: 7. März 2024/Quelle: philharmonie.lu).

Auch weltweit scheint die Klassik fest in Männerhand: Eine Studie der britischen Donne Women in Music Foundation („Equality & Diversity in Global Repertoire”) offenbart beispielsweise, dass in der Saison 2021/2022 in 31 Ländern 92 Prozent der gespielten Stücke von – vorwiegend weißen, längst verstorbenen – Männern geschrieben wurden. Am öftesten wurden Kompositionen von Ludwig van Beethoven (971 Mal) aufgeführt. Im Vergleich: Die meistgespielte Komponistin ist die Afroamerikanerin Florence Price, deren Stücke lediglich 61 Mal programmiert wurden.

Doch auch die moderne Musikbranche ist in Luxemburg eine Männerdomäne. In der Kategorie Festivals und Konzerte, die nicht in den Bereich Klassik fallen, stellen Frauen in der Saison 2022/2023 insgesamt 16 Prozent der Künstler*innen dar und repräsentierten nur ein Prozent der eingeladenen Musiker*innen.

Dabei haben die Kulturhäuser, die vom Liser untersucht wurden, sowie die meisten Organisationen, die die besagten Festivals und Konzerte mitveranstalten, die „Charte de déontologie“ des Kulturministeriums unterzeichnet: Damit verpflichten sie sich unter anderem zur Gleichstellung zwischen Frauen und Männern, selbst wenn bei Verstößen keine Sanktionen drohen. Im Kulturentwicklungsplan (Kep) 2018-2028 ist die Geschlechterparität ebenfalls Gegenstand einer Empfehlung („Mettre en place un plan d’action en faveur de l’égalité femmes-hommes dans tous les domaines de la culture“). Diese Forderung soll laut Website des Keps bereits zu 65 Prozent umgesetzt worden sein, was angesichts der Studienergebnissen allerdings verblüfft.

Zu den Gegenmaßnahmen

„Das Kulturministerium achtet auf eine paritätische Besetzung der Verwaltungsräte der Kulturhäuser“, versichert eine Sprecherin des Kulturministeriums gegenüber der woxx. Parallel arbeite das Ministerium mit dem Observatoire de lʼégalité des Ministeriums für Gleichstellung und Diversität zusammen, indem es jährlich Zahlen zur Geschlechterparität auf den Führungsebenen der staatlichen Kulturinstitutionen und in den öffentlichen Kulturhäusern liefere. „Wir sind auch dabei die Zusammenarbeit mit diesem Ministerium sowie unsere eigene Datenbank im Hinblick auf die Gleichstellung im Kultursektor zu verstärken“, so die Sprecherin weiter. Das Kulturministerium wende außerdem seit 2021 systematisch eine gendergerechte Sprache an.

Am Ende verweist sie außerdem auf die Zusammenarbeit mit dem CID: Neben der Stadt Düdelingen, hat nämlich auch das Kulturministerium die Studie mitfinanziert. Das CID unterhält seit 2022 eine Konvention mit dem Kulturministerium und erhält eine jährliche Dotation in Höhe von 50.000 Euro. „Diese finanzielle Unterstützung hat es der Organisation unter anderem erlaubt, die Studie durchzuführen“, sagt die Sprecherin. Das Ministerium begrüße die Initiative des CID Fraen an Gender, einen kleinen Einblick in die Programme einiger Kulturhäuser zu ermöglichen. „Es wird interessant, die Werte in ein paar Jahren zu vergleichen und zu prüfen, inwiefern die Einführung der Charte de déontologie [im Jahr 2022, Anm.d.Redaktion) und das allgemeine Interesse der Kulturschaffenden an ihrer Umsetzung die jetzigen Zahlen beeinflussen.“


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