Ungenaue oder widersprüchliche Begriffsverwendungen sind mehr als ein stilistisches Problem. Die Art und Weise, wie die Formulierung „parent qui a accouché l’enfant“ im Gesetzesentwurf zum „Accès aux origines“ kritisiert wird, zeigt, dass es auch um demokratische Werte geht.

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Besser spät als nie: Nachdem die woxx mehrmals über die widersprüchliche Terminologie im Gesetzesentwurf zum „Droit à l’accès aux origines“ geschrieben hatte, schlug Ministerin Sam Tanson der Justizkommission am vergangenen Mittwoch ein entsprechendes Amendement vor. Wo jetzt noch „mère“ steht, soll in Zukunft „parent qui a accouché l’enfant“ stehen.
Für eine Gesellschaft, die gendergerecht funktioniert, ist noch viel Aufklärung und Sensibilisierung nötig.
Damit wird eine Ungereimtheit behoben, die zuvor durch die gleichzeitige Verwendung von „mère“ auf der einen und „autre parent de naissance“ auf der anderen Seite entstanden war. Letztere Formulierung hatte vonseiten der ADR zu der Kritik geführt, man wolle damit den Vater de jure abschaffen. Ein Vorwurf, den das Justizministerium entschieden zurückwies: Einzig der Inklusionsgedanke sei bei der Entscheidung ein Kriterium gewesen. So verhindere der Begriff „parent“, dass trans Personen oder lesbische Paare ausgeschlossen würden. Die Kritik der ADR, der sich zahlreiche Menschen in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #EchSiPapp angeschlossen hatten, blieb also folgenlos. Stattdessen soll der Gesetzesentwurf nun sogar noch genderneutraler werden.
Auf die sozialen Rollen „Mutter“ und „Vater“ bezieht sich der Gesetzesentwurf ohnehin nicht. Die Formulierungen „autre parent de naissance“ und „parent qui a accouché l’enfant“ kommen ausschließlich in den Kapiteln über anonyme Geburt und Adoption vor. Es geht hier also um Menschen, die ihr Kind weggeben, nicht um jene, die es großziehen. Diese nicht unwichtige Nuance blieb in der Kritik der ADR unerwähnt, die #EchSiPapp-Aktion war letztlich nichts anderes als ein öffentliches Bekenntnis, den Gesetzesentwurf entweder nicht gelesen oder nicht verstanden zu haben. Oder nicht verstehen zu wollen.
Was die ADR auch nicht verstehen zu wollen scheint, ist, wie Demokratie funktioniert. Von RTL nach seiner Meinung zum Amendement befragt, erklärte Roy Reding: „Ech mengen eist Gesetz ass jo och net gemaach fir jiddereen op der Welt. Eis Gesetzer si gemaach, fir déi normal Gesellschaft a wéi eis Gesellschaft soll funktionéieren.“ Für Reding gehört es also scheinbar dazu, dass Gesetze nur für die Mehrheitsgesellschaft verfasst werden. Es werden sich zwar auch zukünftig noch alle „Mutter“ und „Vater“ nennen können, die es wollen – aber wieso sich eine Gelegenheit entgehen lassen, Grundrechte mit Füßen zu treten?
Umso wichtiger ist es, dass diejenigen, denen solche Werte wichtig sind, im Umgang mit dem Gesetzesprojekt 7674 äußerste Sorgfalt an den Tag legen. Dazu zählt auch, nicht wie RTL zu behaupten, „autre parent de naissance“ ersetze den Begriff „père“: Mit dem genderneutralen Begriff geht es gerade darum, über den „père“ hinauszugehen. Gemeint ist der Mensch, von dem die Samenzelle stammt, aus der das Kind entstanden ist, egal ob dieser männlich, weiblich, nicht-binär oder genderqueer ist. Zu tun, als seien „autre parent“ und „parent qui a accouché“ nicht mehr als Synonyme von „père“ und „mère“, zeugt nicht nur von einem Fehlverständnis dessen, worum es bei geschlechtsinklusiver Sprache geht: Es befördert die kontraproduktiven Diskussionen rund um das Gesetz nur noch zusätzlich.
Um sich ein Bild davon zu verschaffen, welchen Haltungen es entgegenzuwirken gilt, braucht man nur die Kommentare unter dem RTL-Beitrag zu lesen. „Denn Herr Minister Sam Tanson huet se jo net mei all“ schreibt eine Person, „An Zukunft wäert een da wuel ‚Mamm*in‘ a ‚Papp*in‘ soen? Mä bon, wann et haut scho Kanner mat 2 Papp*innen an 2 Mamm*inne gëtt…“ eine andere.
Weder die demokratischen Vertreter*innen im Parlament, noch die Presse darf angesichts solcher Hassrede wegschauen oder gar Öl ins Feuer gießen. Genderneutrale Formulierungen in Gesetzestexten sind durchaus ein guter Anfang. Für eine Gesellschaft, die aber de facto gendergerecht funktioniert, ist noch viel Aufklärung und Sensibilisierung nötig.
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