Braucht das Justizministerium Nachhilfe in puncto LGBTIQ-Inklusion?

Was hat es mit dem ominösen „autre parent de naissance“ auf sich, der in den letzten Wochen für derart viel Aufregung gesorgt hat? Wir haben uns den Gesetzesentwurf 7674 genauer angeschaut und haben jetzt – trotz Erklärungen des Justizministeriums – mehr Fragen als zuvor.

Die Begrifflichkeiten, die im Gesetzesentwurf zum „Accès aux origines“ verwendet werden, machen nicht nur der ADR zu schaffen. Selbst mit der inklusivsten Brille will die Verwendung von „autre parent de naissance“ keinen rechten Sinn ergeben. Verwendung findet sie sowohl im Kapitel zur anonymen Geburt wie auch in demjenigen zur Adoption.

Wir haben uns gefragt: Gibt es Fälle, in denen ein Paar ein Kind anonym gebärt oder zur Adoption freigibt, ohne dass es sich bei der nicht-gebärenden Person um einen Mann handelt? Das Justizministerium antwortet darauf mit einem klaren „Ja“.

Eins vorweg: Wenn wir im folgenden Text die „biologische Mutter“ mit der „gebärenden Person“ und „biologischer Vater“ mit der Person, von der die Samenzelle stammt, gleichsetzen, dann übernehmen wir lediglich die „Logik“ des Gesetzestextes. Logik schreiben wir deshalb zwischen Gänsefüßchen, weil eine solche eigentlich nur bei der „biologischen Mutter“ zum Vorschein kommt. Der Logik folgend, dass sich das Geschlecht eines Menschen an seinen reproduktiven Organen festmachen lässt, haben wir beim Justizministerium nachgefragt, wann es sich beim „autre parent de naissance“ im Rahmen von Adoption und anonymer Geburt nicht um eine Person männlichen Geschlechts, also einer mit der Fähigkeit Sperma zu produzieren, handelt.

Die einzige mögliche Erklärung, die wir uns vorstellen konnten, war, dass das Justizministerium hier trans und nicht-binäre Menschen einbeziehen wollte, im Eifer des Gefechts jedoch vergaß, dass auch trans oder nicht-binäre Menschen schwanger werden können. Und: Bingo!

Auf unsere Nachfrage hin betont das Justizministerium, dass es sich bei der Person, von der die Spermienzelle stammt, auch um eine trans Frau handeln könnte. In dem Fall sei es also falsch vom „biologischen Vater“ zu reden. Dass es sich bei der Person, die das Kind gebärt, auch um einen trans Mann handeln könnte, blendet das Ministerium aus. In diesem Kontext wird nämlich einzig der Begriff „mère de naissance“ verwendet.

Das Justizministerium gibt aber noch ein weiteres Szenario an, in welchem es sich beim „autre parent de naissance“ um eine Person nicht-männlichen Geschlechts handeln könnte: „Den ‚autre parent‘ wier zum Beispill net männlech, wann et en ‚accouchement sous secret‘ op Basis vun engem „projet parental“ vun enger lesbëscher Koppel ass.“ Hier wird also vom Szenario ausgegangen, dass ein lesbisches Paar mittels künstlicher Befruchtung ein Kind bekommt, sich dann jedoch für eine anonyme Geburt entscheidet – das Kind also weggibt. Das ist zwar nicht unmöglich, aber höchst unwahrscheinlich.

Tritt das Gesetz 7674 in seiner jetzigen Form in Kraft, dann in Zukunft umso mehr: Dadurch, dass (wie im Artikel „Accès aux origines: Gesetzesentwurf mit Mängeln“ beschrieben, der in der nächsten Printausgabe erscheint) künstliche Befruchtung mit einer Drittspende in Luxemburg de facto unmöglich sein wird, müsste dieses hypothetische lesbische Paar die Prozedur im Ausland vornehmen lassen und diese geheim halten, um sich hierzulande nicht strafbar zu machen. Eine teilweise Kostenrückerstattung durch die Krankenkasse bliebe ihr dadurch natürlich ebenfalls verwehrt. Ist es wirklich notwendig, dass Luxemburg ein solches Szenario gesetzlich regelt, wo es doch nicht einmal über ein Gesetz zur künstlicher Befruchtung verfügt?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder das Justizministerium hat die Formulation „autre parent de naissance“ unreflektiert übernommen, und improvisiert, nun da nachgehakt wird, lückenhafte Rechtfertigungen. Oder es steckt eine ernstgemeinte Bestrebung nach einem inklusiven Gesetz dahinter und das Ministerium benötigt ein wenig Nachhilfe, um dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen.

Inklusive Sprache zu benutzen um ihrer selbst willen, kann jedenfalls nur kontraproduktiv sein. Was benötigt wird, ist eine übergreifende Strategie. Und die darf weder bei „Mutter“, noch beim „generischen Maskulinum“ aufhören.


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