Frauen sind in der Politik unterrepräsentiert. Die Schuld dafür schieben sich Institutionen gerne gegenseitig zu. Es wird Zeit, dass alle ihren Teil der Verantwortung tragen.
„Europapolitik – Männersache?“ An niemand anderen als das Zentrum fir politesch Bildung (ZpB) und die Vertretung der Europäischen Kommission in Luxemburg richtet sich diese kürzlich in einem Presseschreiben gestellte Frage des Conseil national des femmes au Luxembourg (CNFL). Der Anlass: Die adressierten Institutionen hatten Anfang August eine gemeinsam organisierte Konferenzreihe angekündigt, mit ausschließlich männlichen Referenten. Doch damit nicht genug: Auch die drei Moderierenden sind männlichen Geschlechts. Im Presseschreiben ruft der CNFL sowohl die Organisatoren als auch die Parteien dazu auf, sich für eine paritätische Repräsentation auf Veranstaltungen einzusetzen.
Zuvor war die Konferenzreihe bereits in den sozialen Netzwerken auf heftige Kritik gestoßen. Die Reaktion des ZpB auf Facebook und Twitter fiel enttäuschend aus: Es sei den Parteien selbst überlassen gewesen, wen sie zu ihrer Vertretung schicken. Der Umstand, dass es sich in jedem Fall um einen Mann handele, könne ja auf den jeweiligen Konferenzen thematisiert werden. Die luxemburgische Vertreterin der Europäischen Kommission Yuriko Backes twitterte, man habe zwar potenzielle Moderatorinnen kontaktiert, es sei jedoch keine verfügbar gewesen. Sie wies darauf hin, dass von den letzten zehn in Luxemburg organisierten Citizens’ Dialogues die Hälfte von Frauen moderiert wurde. Auch wenn es in diesem Fall nicht geklappt hat, so äußert Backes, anders als das ZpB, immerhin das Bestreben, auf eine paritätische Repräsentation zukünftig zu achten.
Laut seiner Leitlinie verfolgt das ZpB das Ziel „bei der Planung, Durchführung und Auswertung jeder Aktivität die Gleichstellung aller Menschen (Frauen, Männer, LGBTI*)“ zu berücksichtigen. Woher rührt also in diesem Fall die mangelnde Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen? Alles deutet darauf hin, dass sich das ZpB durchaus bewusst ist, dass es wichtig ist, bei der politischen Arbeit Position zu beziehen. Als Direktor Marc Schoentgen im Januar in einem 100komma7-Interview mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, dass die Stiftung nicht so neutral sei, wie sie vorgebe, äußerte dieser seine Skepsis gegenüber dem Konzept der „Neutralität“. „Kann man in einer politischen Debatte oder wenn es um Demokratie geht überhaupt neutral sein?“, so Schoentgens Gegenfrage. Das ZpB vertrete bezüglich Demokratie, Menschen- und Bürgerrechten eine klare Position, sei also durchaus nicht neutral. Es gehe lediglich darum, parteipolitisch neutral zu sein.
Um zielführend zu sein, muss ein antidiskriminatorischer Ansatz transversal angewendet werden.
Gerade vor dem Hintergrund, dass sich das ZpB bewusst ist, dass demokratische Werte nur dadurch gewährleistet werden können, dass man Position bezieht und sich gemäß dieser Position engagiert, scheint seine Reaktion auf Facebook und Twitter umso unverständlicher.
Ausreden lassen sich leider immer finden: Nicht mein Zuständigkeitsbereich! Es haben sich einfach keine Frauen gemeldet! Dann machen wir das halt beim nächsten Mal! Einen solchen Einfallsreichtum brauchen wir allerdings eher, wenn es darum geht, Demokratiedefizite zu bekämpfen. Es besteht kein Zweifel daran, dass sowohl der Europäischen Kommission als auch dem ZpB daran gelegen ist, ihren Beitrag dazu zu leisten. Das kann jedoch nicht nur in explizit zu diesem Ziel ins Leben gerufenen Initiativen passieren. Um zielführend zu sein, muss ein antidiskriminatorischer Ansatz transversal angewendet werden: bei jeder Aktivität, jeder Diskussionsrunde und in jeder Broschüre. Natürlich tragen auch die Parteien eine Verantwortung dafür, dass mehr Frauen in der Politik repräsentiert sind. Doch auch andere Institutionen müssen sich aktiv darum bemühen. Kann man in einer politischen Debatte neutral sein? Nein. Dann doch bitte auch nicht, wenn es um Geschlechterdiskiminierung geht.