Green Finance: Profite fürs Klima

International häufen sich Stimmen, die nachhaltige Finanzprodukte als unwirtschaftlich und nicht krisentauglich schmähen. In Luxemburg merkt man wenig davon, die Regierung investiert weiter. Allerdings sieht die Forschung Grund zur Hoffnung.

Pakistan emittiert weniger als ein Prozent der globalen Treibhausgase, ist aber stark von den Folgen, wie den Überschwemmungen von 2022, betroffen. Ist den Menschen dort damit geholfen, sich „Green Finance“-Versicherungen kaufen zu können? (Foto: CC BY 2.0 European Union/Abdul Majeed)

Am 23. April kündigte Finanzminister Gilles Roth (CSV) einen 10-Punkte-Aktionsplan für nachhaltige Finanzen an. Er tat dies im Rahmen des „Luxembourg Sustainable Finance Forum“, eines zweitägigen Online-Treffen, das von der parastaatlichen Finanzplatz-Lobbyorganisation „Luxembourg for Finance“ organisiert wurde. In seiner Rede kündigte er an, mithilfe des strategischen Plans „in den kommenden fünf Jahren ein nachhaltiges Finanzumfeld in Luxemburg entwickeln“ zu wollen. Wenn laut CSV-Premier Frieden der Klimaschutz nicht nerven soll, so darf man wohl ruhig Geschäfte damit machen – es gibt keinerlei Anzeichen, dass die Regierung in Sachen grüne Finanzen leiser treten will.

Im Gegenteil, sie macht sich sogar doppelte Arbeit, denn eigentlich gibt es schon die „Luxembourg Sustainable Finance Strategy“, die im Februar 2021 vorgestellt und ein halbes Jahr später von NGOs scharf kritisiert wurde. Es sieht aber nicht so aus, als hätte Roth die damals geäußerte Kritik – grüne Finanzprodukte hätten wenig Einfluss auf das Klima und Menschenrechtsbedenken würden nicht beachtet – in den neuen Plan einfließen lassen. Bisher gibt es ohnehin nur eine Infografik mit den zehn Punkten, die allesamt wenig konkret sind. Sätze wie „Digitalisierung der nachhaltigen Finanzwirtschaft vorantreiben“ oder „Entwicklung innovativer Lösungen mit globaler Wirkung“ funktionieren vielleicht in einem Wahlprogramm, konkrete Aktionen in einem politischen Plan sind sie jedoch nicht.

Investmentfirmen retten die Welt

Doch es sollte schon bald konkreter werden. Am 7. Juni kündigte die Regierung an, über den „Luxembourg Future Fund 2“ in einen Fonds der belgischen Investmentfirma M80 einzusteigen. Der „Luxembourg Future Fund 2“ wurde vom European Investment Fund (EIF) und der Société nationale de crédit et d’investissement (SNCI) ins Leben gerufen, 200 Millionen Euro sollen damit in Luxemburger Firmen investiert werden. Acht davon flossen in den „Capital II CommV“ genannten Fonds von M80. Die Investmentfirma ist darauf spezialisiert, in kleinere und mittlere Unternehmen (KMUs) zu investieren und diese zu digitalisieren. „Dieser Fonds bewertet die Investitionsprojekte von KMUs und bietet einen externen Blick auf die Optionen, die ihnen im Hinblick auf den internen Umstrukturierungsbedarf zur Verfügung stehen, insbesondere im Bereich des digitalen und nachhaltigen Wandels“, drückte es Wirtschaftsminister Lex Delles (DP) in der entsprechenden Pressemitteilung aus.

Ob es bei diesem Unterfangen tatsächlich darum geht, kleinen Unternehmen zu helfen, einen digitalen und ökologischen Wandel zu vollziehen – oder eher darum, durch „Umstrukturierungen“ möglichst viel Profit für die neuen Mitbesitzer*innen herauszuschlagen, wird die Zukunft zeigen. Oder auch nicht, denn die Kolleg*innen von Reporter.lu indes beurteilten das Gebaren des neuen Fonds als wenig transparent.

M80 hat zwar ein Dokument, das die Nachhaltigkeitspolitik des Unternehmens beschreibt, konkrete Ziele sucht man darin jedoch vergebens. In Verträge mit Firmen, in die man investiert, könnten Nachhaltigkeitskriterien eingefügt werden und man würde, „falls angebracht“, die Emissionen schätzen und einen Plan zur Reduktion aufstellen. Viel Konjunktiv also, bei dem der Eindruck entsteht, dass Anfang Juni das Wort „nachhaltig“ vor allem als Dekoration in der Pressemitteilung der Luxemburger Regierung diente.

Versicherungen für den globalen Süden

Am 11. Juli stellte die Regierung ein weiteres Projekt vor, das auf den ersten Blick schon mehr mit Nachhaltigkeit zu tun haben scheint. Die Klimafinanzierungsplattform LCFP, die Luxemburg gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) betreibt, investiert fünf Millionen Euro in einen Klimaversicherungsfonds. Der heißt „InsuResilience Investment Fund Private Equity II“ und wurde von der Investmentfirma BlueOrchard ins Leben gerufen. Laut Regierung, EIB und BlueOrchard ist das Ziel des Fonds, „Klimaversicherungen“ in sogenannten „Schwellenländern“ zu finanzieren. „Die Menschen vor den sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen, ist sehr wichtig. Klimaversicherungen können hier helfen und wir müssen besser verstehen, wie sich Extremwetter und größere Unsicherheiten beim Wetter auf lokaler Ebene auswirken. Im Rahmen unserer Impact-orientierten Klimakooperation mit der EIB unterstützen wir als luxemburgische Regierung deshalb den neuen Klimaversicherungsfonds von BlueOrchard“, sagte Finanzminister Gilles Roth (CSV) in der entsprechenden Pressemitteilung dazu.

Viel grünes Geld. Diese Grafik zeigt, wie viel Geld (in Milliarden Euro) in der EU in grünen Finanzprodukten angelegt ist. In den letzten Jahren ist eine Stagnation zu beobachten. (Grafik: Luxembourg for Finance)

Wie der Name andeutet, ist dieser Fonds der zweite von BlueOrchard, der in „Klimaversicherungen“ investiert. Bereits beim ersten haben die Luxemburger Regierung und die EIB mitgemischt, ins Leben gerufen wurde er allerdings von der deutschen „Kreditanstalt für Wiederaufbau Entwicklungsbank“, die Projekte für die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik finanziert. BlueOrchard gibt sich das Image eines Finanzunternehmens, das sich um Nachhaltigkeit sorgt. Bekannt und groß wurde die Firma, die zur multinationalen Vermögensverwaltungsgesellschaft Schroders gehört, durch Mikrokredite. Das sind Kredite mit eher niedrigem Geldwert, die vor allem an Einzelpersonen oder -unternehmer*innen im globalen Süden vergeben werden. Obwohl Mikrokredite mittlerweile ein großes Geschäftsfeld und Bestandteil von Entwicklungszusammenarbeitsprogrammen sind, gibt es auch Zweifel an der Wirksamkeit und die Kritik, dass das große Angebot solcher Kredite zu Überschuldung führen kann.

Der erste „InsuResilience Investment Fund Private Equity“-Fond investierte vor allem in Banken im globalen Süden, die wiederum vor allem Kleinstkredite vergaben. Einige Versicherungen sowie Technologieunternehmen, die sich auf Lösungen für die Landwirtschaft oder Wettervorhersage spezialisiert haben, wurden ebenfalls finanziert. Der zweite, neuere Fond hat bisher in zwei Start-ups aus Indien und eine Versicherungsgesellschaft in Brasilien investiert. Besonders die beiden Firmen, die in Indien operieren wollen, sorgen bei näherer Betrachtung für Stirnrunzeln: „Finagg“ vermittelt zwar Kleinkredite, diese sind jedoch vor allem dazu gedacht, den Cashflow von kleinen Unternehmen zu garantieren. Im Januar 2024 meldete das Unternehmen, 11 Millionen US-Dollar an Kapital von Investor*innen gesammelt zu haben, darunter auch BlueOrchard. „Igloo“ stammt ursprünglich aus Singapur und ist auf die Vermittlung von Versicherungen spezialisiert. Beide Firmen funktionieren hauptsächlich mit Apps, sodass Kredite und Versicherungen sehr schnell auf dem Mobiltelefon abgeschlossen werden können – mit allen Nachteilen, die möglicherweise schlecht informierte Konsument*innen dabei haben können. „Igloo“ wurde 2016 gegründet und hat mittlerweile Büros in mehreren asiatischen Ländern. Besonders im Bereich der Landwirtschaft will die Firma besonders innovative Versicherungsprodukte anbieten: Wetterdaten würden fortlaufend ausgewertet und eventuelle Entschädigungen für Schäden, die durch Extremereignisse entstanden sind, automatisch ausgezahlt. Das sei „objektiver“ und schneller als eine herkömmliche Versicherung, gibt „Igloo“ an. Es stellt sich die Frage, ob es immer möglich sein wird, sehr lokale Wetterereignisse in den Wetterdaten zu erkennen, oder ob Landwirt*innen in verschiedenen Fällen auf ihren Schäden sitzenbleiben, weil das automatische System ein Wetterereignis nicht anerkennt?

Das Start-up, das nur als Vermittler zwischen Versicherungen und Kund*innen dient, sammelte im Dezember 2023 ganze 36 Millionen Dollar an Investor*innengeldern und gab an, 2024 profitabel werden zu können. Das trifft sich gut für BlueOrchard, denn der Fond soll ordentlich Rendite abwerfen: 12 bis 20 Prozent gibt die Investmentfirma auf ihrer Website an. Neben der luxemburgischen Zweigstelle von BlueOrchard sind an dem Fonds auch die Banque de Luxembourg und die in Luxemburg ansässige European Fund Administration beteiligt. Die Steuergelder, die Start-ups im globalen Süden dabei unterstützen sollen, Versicherungen gegen durch die Klimakrise ausgelöste Schäden anzubieten, subventionieren also auch den hiesigen Finanzplatz. Von der „Anpassung“ an die Klimakrise, die in der Pressemitteilung der Regierung betont wurde, sieht man bei den bisher durch den Fonds finanzierten Start-ups wenig. Zudem muss doch die Frage erlaubt sein, ob es nicht sehr zynisch ist, dass die Wirtschaften des globalen Nordens erst die Klimakrise auslösen und dann Versicherungen gegen die Folgen im besonders stark betroffenen globalen Süden verkaufen.

Hoffnungsvolle Studie

In den letzten Monaten gab es auf internationaler Ebene, vor allem aber in den USA, einen Backlash gegen grüne Finanzprodukte. Sie werden als unwirtschaftlich und nicht an die aktuelle Wirtschaftskrise angepasst verschrien. Ein Trend, der in Luxemburg vermutlich wenig beeindrucken wird, denn die ansässige Fondsindustrie vermarktet viele Fonds, die als „nachhaltig“ und oft auch als sozialverträglich gelabelt werden. Ein Team von Forscher*innen des Luxembourg Institute of Science and Technology (List) veröffentlichte Ende Juni ein wissenschaftliches Paper im renommierten Journal „Nature Communications Earth and Environment“. Eine*r der Forscher*innen, Enrico Benetto, erklärte der woxx ihre Vorgehensweise: „Wir haben 26 verschiedene Indikatoren definiert, 13 aus dem Bereich der Nachhaltigkeit und 13 soziale Kriterien. Diese beziehen sich auf die EU-Regulierung für nachhaltige Finanzen. Wir haben eine Methode entwickelt, mit der der Einfluss von Fonds auf diese Indikatoren berechnet werden kann.“ Allerdings sei es wegen mangelnder Daten nicht möglich, den Einfluss von Investitionen in einzelne Firmen zu berechnen, weswegen man einen Durchschnittswert des jeweiligen Sektors genommen habe, so Benetto.

230 Fonds, die in Luxemburg als nachhaltige Finanzprodukte gehandelt werden, haben sich die List-Forscher*innen näher angeschaut. Gemeinsam sind sie für 62,2 Millionen Tonnen direkte und 70,9 Millionen Tonnen indirekte CO2-Emissionen verantwortlich, so viel wie ganz Belgien in einem Jahr ausstößt. „Die indirekten Effekte, die nicht direkt aus der wirtschaftlichen Aktivität einer Firma stammen, werden oft vernachlässigt. Dabei sind sie oft gleich hoch oder höher“, sagte Benetto gegenüber der woxx. Die Studie zeigt auch auf, dass es oft Zielkonflikte zwischen nachhaltigen und sozialen Zielen gibt: Fonds, die sich auf Ökologie konzentrieren, können trotzdem schlecht abschneiden, was Arbeitsbedingungen angeht. „Macht man den direkten Vergleich zwischen einem nachhaltigen und einem konventionellen Fonds, schneidet der nachhaltige oft besser ab“, erklärt Benetto, der jedoch keine pauschalen Aussagen machen will. Er sieht die grüne Finanzwelt auf dem richtigen Weg: „Für mich vermittelt unsere Forschungsarbeit Hoffnung. Die EU ist mit der Taxonomie in die richtige Richtung unterwegs. Aber wir müssen wachsam bleiben, die Fonds oft überprüfen und vor allem mehr Daten sammeln.“

Ein Problem bleibt jedoch: Auch bei „nachhaltigen“ Finanzprodukten steht das Wachstumsparadigma an erster Stelle. Die Fondsmanager*innen mögen vielleicht vorgeben, die Welt retten zu wollen, doch auch sie wollen und brauchen satte Gewinne, die es ohne Wirtschaftswachstum nicht geben kann. Auch wenn die Erkenntnis nervt: Auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen ist das eine Strategie, die nicht aufgehen kann.


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