Im Kino: The Beast in the Jungle

Liebe, mehrere Zeitebenen und ein drohendes Schicksal – was wie die Zutaten für einen Blockbuster klingt, wurde leider zu einem einschläfernden Musikvideo in Spielfilmlänge.

John Marcher (Dane Hurst) und May Bartram (Sarah Reynolds) tanzen verliebt durch die Epochen, ohne sich je wirklich näher zu kommen. (Foto: Amour Fou)

John Marcher (Dane Hurst) und May Bartram (Sarah Reynolds) sind ineinander verliebt. Eine Beziehung führen sie jedoch nicht. Das aus einem einzigen Grund: John hat den unerschütterlichen Glauben, dass sein Leben durch eine spektakuläre und unausweichliche Katastrophe verändert werden wird. Er nennt diese Vorahnung seine „Bestie im Dschungel“ und May ist der einzige Mensch auf der Welt, dem er dieses Geheimnis anvertraut hat. In der Novelle des amerikanisch-britischen Schriftstellers Henry James, auf der der Film basiert, erbt May ein Haus in London, in dem die beiden gebannt auf den Schicksalsschlag warten, ohne je zu heiraten.

In Clara van Gools Verfilmung, die von KeyFilm (Niederlande) und Amour Fou (Luxemburg) produziert wurde, wird die Geschichte leicht anders erzählt. Oder: Es werden Bilder gezeigt und Sätze gesagt, die einen anderen Verlauf nahelegen. Eine wirkliche Handlung hat „The Beast in the Jungle“ nämlich ebenso wenig wie tatsächliche Dialoge. John und May treffen in verschiedenen Zeiten – um die Jahrhundertwende, während des Zweiten Weltkrieges, in den 1960er-Jahren und in der Gegenwart aufeinander und wiederholen dabei die immer gleichen Sätze aus Henry James’ Novelle. Zwischendurch fährt John mit einem Taxi oder einer Kutsche und wird vom Taxifahrer mit den immer gleichen guten Ratschlägen bedacht. Dass das Liebespaar Eis isst und Selfies macht, scheint schon die Krönung der Narration zu sein. Während ihren Begegnungen tanzen John und May – bis auf eine Ausnahme – allerdings ausschließlich zeitgenössischen Tanz. Die tänzelnde Choreografie mag die Distanz, die die beiden trotz ihrer Liebe halten, gut ausdrücken, ermüdet die Zuschauer*innen jedoch schnell.

Die Handlung soll irgendwo in England auf dem Land spielen, gedreht wurden die allermeisten Szenen jedoch in Luxemburg. Das müsste auch dem hiesigen Publikum nicht unbedingt auffallen, wenn nicht ständig architektonisch markante Gebäude in Szene gesetzt würden. Das Mudam spielt ein Museum, die Philharmonie einen Flughafen, das große Theater ein Büro, und so weiter – leider sind luxemburgische Sehenswürdigkeiten meist keine sonderlich guten Statist*innen. Der Entschluss, in Luxemburg zu drehen, wurde übrigens im Wesentlichen wegen der finanziellen Unterstützung durch den Film Fund Luxembourg getroffen, wie auf der Premierenfeier freimütig erzählt wurde.

Das Problem, in der kühlen Architektur von Luxemburg-Kirchberg nicht London erkennen zu können, mag ein sehr luxemburgisches sein, aber auch ohne diese Schwachstelle bliebe „The Beast in the Jungle“ ein verwirrendes Werk. Die verschiedenen Zeitebenen geben dem Plot keinerlei Tiefe, sondern dienen nur dem Kulissen- und Kostümwechsel. Sind John und May in der Novelle dazu verdammt, ihr ganzes Leben lang auf die Bestie zu warten, so tanzen sie im Film ewig jung durch die Epochen, ohne je dessen Natur zu erkennen.

Dies als moderne Interpretation der James-Novelle zu sehen, griffe allerdings zu kurz – vor allem, da die heterosexuelle Paarbeziehung und die Rollenverteilung innerhalb dieser niemals in Frage gestellt werden. Die größte Schwäche des Films, der ästhetisch durchaus ansprechend ist, ist seine Länge. Als Kurzfilm hätte das Konzept sicherlich funktionieren können, auf Spielfilmlänge ist es für alle, die nicht großes Interesse an zeitgenössischem Tanz haben, schlichtweg ermüdend.

Im Utopia. Die Uhrzeiten finden Sie hier.

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