Auch im zweiten Teil unseres TV-Tagebuchs zu den EU-Wahlen hat die woxx Wahlwerbespots geschaut, damit Sie das nicht tun müssen.
Die Wahlwerbespots in französischer Sprache, die Volt und Déi Lénk ausstrahlen wollten, haben letzte Woche für viel Aufregung gesorgt. In dieser Kolumne beschäftigen wir uns mit den Inhalten und der Ästhetik der Spots. Wenn die Werbefilmchen der Parteien schon nicht über Positionen und Politikvorschläge informieren, so sind sie zumindest meist durch unfreiwillige Komik unterhaltsam. Von gleich zwei Parteien (DP und Piratepartei) wurden wir darauf hingewiesen, dass sie mehrere Spots hätten. Wir werden trotzdem – vorerst – pro Partei nur einen Spot analysieren. Auch unser Masochismus hat seine Grenzen.
Déi Gréng
Warum ein neues Konzept ausdenken, wenn das alte so gut funktioniert hat? Déi Gréng zeigen, wie auch schon bei den Nationalwahlen 2018, zuerst alles Schreckliche auf der Welt: Atomkraftwerke, Brexit, Massentierhaltung, schmelzende Eisberge. Ein junger Mann mit offenem Mund sitzt im Kino, eine Stimme fragt: „Nur zusehen?“ und beantwortet die Frage gleich mit „Nein, neu engagieren!“ (Was auch immer das heißen soll), woraufhin jede Menge positiv konnotierte Bilder gezeigt werden: Lachende Kinder mit Zahnlücken, Windkraftwerke, Radieschen, ein Fuchs, Kühe, Bienen, Skater*innen, Familien im Park, die EU-Fahne. „Für unseren Planeten, für mehr Lebensqualität, für unsere Zukunft“, sagt die Stimme, aber wer kann sich angesichts dieser utopischen Stock-Videos auf den Text konzentrieren? Am Ende sehen wir auch noch kurz die Kandidat*innen von Déi Gréng, die lachend in Luxemburg-Stadt spazieren gehen.
LSAP
Die LSAP setzt den Trend der Spots, die „hinter die Kulissen“ der Wahlkampagne blicken, fort. Auch DP und Déi Lénk taten dies in ihren Spots. Bei der LSAP sehen wir erst den Wahlslogan, dann die Kandidat*innen beim Fotoshooting. Lisa Kersch spricht zu dramatischer Musik von einem „anderen Europa, mit einer dringenden und gerechten ökologischen Transition“. Dabei werden auch Bilder der „Youth for Climate“-Demonstration in Luxemburg gezeigt – eine Vereinnahmung der Proteste, die sicherlich für Begeisterungsstürme sorgen wird. Noch einmal werden Schlagworte wie „erneuerbar“ eingeblendet, dann sehen wir die Spitzenkandidat*innen Lisa Kersch und Nicolas Schmit. Das „Branding“ der LSAP und die Ästhetik des Videos überzeugen zwar, inhaltlich bleibt jedoch nichts anderes als „Aha, die Sozis wollen jetzt auch Ökos sein“ hängen.
ADR
Die ADR beginnt ihren Werbespot mit einer Texteinblendung ihres Slogans „Für ein Europa der Nationen“ und den Forderungen „sozialer, gerechter, demokratischer“. Gaston Gibéryen steht vor der Kirchberg-Skyline und spricht in die Kamera. Hier offenbart sich ein zweites wiederkehrendes Motiv: Gibéryen hat wie Lilyblad die Sonnencreme vergessen. Er redet davon, dass die anderen Parteien viel versprechen würden, sich aber nach der Europawahl nicht daran hielten. Die ADR ist da anders, die wurde nämlich noch nie ins Europaparlament gewählt und kann versprechen, was sie will. Ein Foto aller Kandidat*innen – es sieht aus wie eine schlechte Powerpoint-Folie (oder aber ein ADR-Wahlplakat) – wird eingeblendet und eine zweite Stimme quäkt „Liste Neun“, als habe man sie nach der Produktion des Videos noch schnell eingefügt.
CSV
„Wie sehen Sie die Zukunft Europas“, fragt die CSV, deren Farbschema mittlerweile bei mintgrün und orange angekommen ist. Christophe Hansen steht vor dem großen Theater und rattert Buzzwords herunter: Steuerpolitik, Nachhaltigkeit, Zukunft für die Kinder. Hinter ihm stehen die anderen fünf Kandidat*innen und unterhalten sich angeregt. Was Hansen zu sagen hat, interessiert nicht nur sie, sondern auch die Person hinter der Kamera nicht, denn das Bild zoomt auf die Gruppe zu. Wir erfahren leider nicht, was die aushecken, denn eine Einblendung verrät uns, dass wir die CSV „für die Menschen in Europa“ wählen sollten. Der alternative Slogan „für die Aliens in Europa“ ist wohl durchgefallen – schade!
Déi Konservativ
Joe Thein steht vor einem Gewässer und redet in die Kamera. Er ist allerdings nicht zu hören, denn noch wird das Parteilogo und der Schriftzug „Europawahlen 2019“ eingeblendet. Es folgt der eigentliche Clip, bei dem Thein und seine vier verbliebenen Mitkandidat*innen einen Spruch aufsagen und sich gegenseitig die Sätze vervollständigen. Dabei stehen sie auf einem Schiff in Schengen vor dem Europamuseum und sowohl ihr Text als auch ihr Name wird neben ihnen eingeblendet. Diese Einblendung ist aber jedes Mal mit einem Übergangseffekt verbunden, der das Video enorm unruhig macht. Einige Zuschauer*innen könnten seekrank werden – aber zum Glück ist dieser audiovisuelle Unfall schnell vorbei: Zum Schluss zeigen alle fünf konservativen Kandidat*innen drei Finger in die Kamera, weil sie ja die Liste Nummer Drei sind. Ein sehr wackeliger Kameraschwenk über die Mosel und ein weiteres effektvolles Einblenden des Parteilogos beenden dieses filmische Meisterwerk.
Unter diesem Link finden Sie den ersten Teil unserer Wahlwerbespot-Analyse.