Luxemburg wird LGBTIQ+ Freedom Zone – Kartheiser verteidigt Orbán

Die Piraten legten der Abgeordnetenkammer diese Woche eine Resolution vor und hatten damit Erfolg: Luxemburg erklärt sich zur LGBTIQ+ Freedom Zone. Die ADR träumt derweil von Ungarn.

(Foto: CC-BY Tony Webster)

Fernand Kartheiser (ADR) hat Recht: Die Bezeichnung der EU als LGBTIQ Freedom Zone zieht keine juristischen Verpflichtungen mit sich. Genauso wenig wie die Resolution der Piratepartei, durch die sich Luxemburg diese Woche ebenfalls zur LGBTIQ+ Freedom Zone erklärte. Damit kommt das Parlament einer Bewegung nach, die sich in den letzten Wochen in mehreren Gemeinden Luxemburgs bemerkbar machte: Esch, Sanem, Rümelingen, Bettemburg, Lorentzweiler, Rambrouch, Roeser und die Stadt Luxemburg nennen sich seit kurzem offiziell LGBTIQ+ Freedom Zones.

Die entsprechenden Initiativen sind ein Zeichen der Solidarität. Es geht per se nicht um die Einforderung neuer Rechte, sondern darum zu signalisieren, dass die jahrundertelange Hetze gegen LGBTIQ+ Menschen ein Ende haben muss – vor allem nachdem EU-Mitgliedsstaaten wie Ungarn die Rechte dieser Personengruppen beschnitten haben. Das ungarische Parlament hat vor wenigen Wochen beschlossen, homosexuelle und trans Menschen aus Formaten, die Minderjährigen zugänglich sind, zu verbannen. Die Regierung entscheidet zudem künftig, wer Sexualkundeunterricht an Schulen anbieten darf. Die woxx berichtete.

Mehrere EU-Abgeordnete, darunter Marc Angel (LSAP), protestierten auf der Place du Luxembourg in Brüssel gegen den Beschluss. Die Verteter*innen der Benelux-Staaten übten in einem Brief, dem sich 14 andere EU-Mitgliedstaaten anschlossen, scharfe Kritik an Ungarns Präsident Viktor Orbán. Der europäische Fußball-Dachverband Uefa geriet in Bedrängnis als er den Antrag der Stadt München, die Allianz Arena beim EM-Spiel zwischen Deutschland und Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten, unter dem Vorwand poltisicher Neutralität ablehnte.

Budapest ist nur einen Steinwurf entfernt

Fernand Kartheiser versteht die Aufregung nicht. Er redete Orbán bei der Debatte in der Chamber nach dem Mund: Es ginge um den Schutz der Familie (An.d.R: Regenbogenfamilien gehören für Kartheiser und Orbán nicht dazu) und um Freiheit in Erziehungsfragen. Die EU habe keine Kompetenzen, sich einzumischen.

Hier hat der ADR-Politiker Unrecht. In dem Sinne, dass sich EU-Mitgliedsstaaten an die Grundrechte der europäischen Union zu halten haben. Das tut Ungarn nicht, auch nicht in anderen Belangen. Die EU-Kommission leitete deswegen 2018 das laufende Verfahren zur Suspendierung der EU-Mitgliedschaft gegen Ungarn ein, unter anderem im Zusammenhang mit Bedenken zu Korruption und der Unabhängigkeit der Justiz.

Am Ende ist es nicht erstaunlich, dass Kartheiser Orbán verteidigt. Die ADR stößt sich regelmäßig an der Sichtbarkeit sexueller Minderheiten und genderneutraler Sprache in Luxemburg. Theaterstücke über schwule Kängurus für Grundschulkinder, gendergerechte Darstellungen in Schulbüchern, genderneutrale Bezeichungen für Eltern in Gesetzen – das alles ist der Partei ein Dorn im Auge. Sie versteht Bemühungen um mehr Inklusion grundsätzlich als Angriff auf die Mehrheitsgesellschaft und hierarchisiert soziale Probleme.

Für Kartheiser ist es eigener Aussage nach wichtiger Konflikte um das Sorgerecht geschiedener, heterosexueller Eltern anzugehen, als sich gegen Homo- und Transfeindlichkeit stark zu machen. Dass sich beides nicht ausschließt, wollen rechtspopulistische Politiker*innen natürlich nicht einsehen. Andernfalls würde sich ihre Gegenposition als das entpupen, was sie ist: Hass auf Minoritäten und marginalisierte Personengruppen.

Kartheiser nennt LGBTQ-Aktivismus in Luxemburg überflüssig – und unterstreicht damit unfreiwillig wie wichtig er ist. Auch wenn in Luxemburg 73 Prozent der Rechte umgesetzt wurden, die LGBTIQA+ Menschen vor Diskriminierung schützen sollen, sind diese Errungenschaften kein Grund sich zurückzulehnen. Was auf dem Papier geschrieben steht, spiegelt nicht unbedingt den Alltag von LGBTIQA+ Menschen.

Nach der Studie „A long way to go for LGBTI equality“ (2020) der Europäischen Agentur für Grundrechte (FRA), leben in Luxemburg nur 56 Prozent der Befragten ihre sexuelle Orientierung oder ihre Geschlechtsidentität oft bis immer offen aus. 37 Prozent der insgesamt 361 Umfrageteilnehmer*innen aus Luxemburg wurden im Jahr vor der Umfrage Opfer queerfeindlicher Belästigungen, 10 Prozent erfuhren aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Sexualität körperliche oder sexualisierte Gewalt in den vergangen fünf Jahren. Nur 19 Prozent der Betroffenen haben die Fälle von Diskriminierung gemeldet. Nach körperlichen Gewalterfahrungen wandten sich 21 Prozent der Opfer aus Angst vor queerfeindlichen Reaktionen nicht an die Polizei.

Kartheiser interessierte am Ende der Diskussionsrunde in der Chamber jedoch etwas anderes mehr: „Was würden sie in Ungarn sagen, wenn sie wüssten, wie wir Eltern hier bezeichnen?“ Die Reaktionen der Abgeordneten: empörtes Stöhnen und nervöses Gelächter.


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