Ungarn und die UEFA: Wahl der Seiten

Mit dem Verbot, das Münchner Stadion beim heutigen Spiel Deutschland gegen Ungarn in Regenbogen-Farben erstrahlen zu lassen, hat der auf seine Neutralität pochende europäische Fußball-Dachverband UEFA de facto Partei ergriffen.

Weiß, wie man politisch von der Fußballeuphorie profitiert: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán mit Fans während des Spiels des ungarischen Teams gegen Frankreich am 19. Juni in Budapest. (EPA-EFE/Laszlo Balogh / POOL)

„Ein anderer Fußball scheint also möglich, auch wenn er noch eine Utopie sein mag. Gerade darum aber darf er, im guten Sinne, nicht unpolitisch sein.“ Mit diesen Worten hat unser Autor Bustos Domecq vergangene Woche seinen Artikel über die politische Instrumentalisierung des Fußballsports beendet.

Als hätte es für diese These noch eines Beweises bedurft, hat sich nun auch die Europäische Fußball-Union (UEFA) einmal mehr hinter der von Domecq kritisierten „Mär vom Unpolitischen“ versteckt: Das Stadion von München darf beim EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn am heutigen Mittwoch nicht in Regenbogen-Farben beleuchtet werden. Die UEFA sei „aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation“, begründete der Fußball-Dachverband seine Entscheidung. Eine entsprechende Beleuchtung in Solidarität mit der LGBTIQ-Community in Ungarn war zuvor vom Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter beantragt worden. Der Stadtrat, dem Reiter vorsitzt, hatte sich in einer fraktionsübergreifenden Erklärung zu „Vielfalt, Toleranz und echter Gleichstellung im Sport und in der ganzen Gesellschaft“ bekannt.

Den unmittelbaren Anlass für die geplante Solidaritätsaktion gab ein vom ungarischen Parlament in der Vorwoche verabschiedetes Gesetz, das unter anderem die „Propagierung von Homosexualität bei Minderjährigen“ unter Strafe stellt und LGBTIQ-Personen diskriminiert (dazu auch unser Kommentar „Jetzt tut nicht so überrascht …“ in der woxx 1637): „Anlässlich des EM-Spiels Deutschland gegen Ungarn ist es der Landeshauptstadt München wichtig, ein sichtbares Zeichen der Solidarität mit der LGBTI Community in Ungarn zu setzen, die unter der aktuell verschärften homo- und transphoben Gesetzgebung der Ungarischen Regierung zu leiden hat“, so der Münchner Stadtrat in seiner Erklärung.

Die UEFA indes hält es offenbar lieber mit dem „baron du foot en hongrie“, dem sie unter Verweis auf die eigene Neutralität wohl die Show nicht stehlen will: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán selbst ist nämlich eifrig dabei, den Fußballsport für seine politischen Zwecke zu instrumentalisieren, wie woxx-Ungarnkorrespondent Joël Le Pavous in unserem Dossier zur Euro 2020 zeigt. „Angesichts des politischen Kontextes dieser speziellen Anfrage – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt – muss die UEFA diese Anfrage ablehnen“, begründete der Dachverband seinen Entschluss.

Einmal mehr kann sich Orbán ins Fäustchen lachen: Wieder und wieder profitiert er davon, dass man ihm, da seine Politik ja demokratisch legitimiert sei, nicht zu nahe treten will und ihn daher nur punktuell kritisiert. Ein solches Vorgehen jedoch ignoriere den Wesenskern des Regimes, so der ungarische Soziologe Bálint Magyar, dieses sei nämlich ein durch und durch autokratischer Mafiastaat. Magyars Analyse präsentieren wir kommenden Freitag in der woxx.

Dem Spiel heute Abend will Orbán verschiedenen Medienberichten zufolge allerdings dennoch fernbleiben. Schließlich kann es in und ums Stadion dennoch zu Protestaktionen kommen. So trägt der deutsche Torwart Manuel Neuer bereits während des gesamten EM-Turniers seine Kapitänsbinde in den Regenbogenfarben. Auch gegen ihn hatte die UEFA zwischenzeitig vorzugehen erwogen.


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