Luxemburger Schulsystem: „Irgendwéi rullt et“

Gründe, weshalb das Luxemburger Schulsystem trotz anhaltender Probleme nicht grundlegend hinterfragt wird, gibt es viele. Das wurde am Mittwoch erneut im Rahmen einer Chamberdebatte deutlich.

La Chambre, parlement d’opérette. (Wikimedia ; Cayambe ; CC BY-SA 3.0)

„Wësst Der, ech hunn d’Chance an den nächste Wochen e puer honnert Premièresdiplomer oder aner Ofschlossdiplomer kënnen iwwer- reechen ze goen. An dat ass de Beleeg dofir, dass fir vill Schülerinnen a Schüler eise Schoulsystem nach ëmmer gutt fonctionnéiert.“ Das war natürlich nicht alles, was Bildungsminister Claude Meisch (DP) am Mittwoch im Chamberplenum sagte; das Zitat bringt seine Ansicht jedoch gut auf den Punkt. Die von der linken Abgeordneten Myriam Cecchetti angefragte Debatte zu schulischen Ungleichheiten hätte eine Grundsatzdiskussion werden können. An einer solchen ist abgesehen von Déi Lénk aber offensichtlich keine Partei interessiert. „Irgendwéi rullt et, och wann et net gutt rullt“, umschrieb Cecchetti das Motto der Regierungsparteien in puncto Schule. Es sei an der Zeit, mit dieser Mentalität zu brechen.

Das Hauptproblem des Luxemburger Schulsystems ist hinlänglich bekannt: Es reproduziert und verstärkt soziale Ungleichheiten. Dazu tragen vor allem die unzureichende Berücksichtigung von Risikoschüler*innen, die Hierarchisierung einzelner Schultypen und die mangelhafte Koordination von formaler und non-formaler Bildung bei. Diejenigen, die die Sekundarstufe erfolgreich mit einem Abschlussdiplom beenden, als Messwert für die Qualität unseres Schulsystems heranzuziehen, wird wohl kaum dazu beitragen, diese Probleme zu beheben.

Es sei sinnlos, so Meisch, das, was gut für einige Schüler*innen funktioniere, zu verändern. Wie aber unterscheiden, ob etwas gut funktioniert oder lediglich kein Hindernis darstellt? Wie bewerten, ob ein Schulsystem optimal strukturiert ist? Fragen wie diese stehen bei Diskussionen rund um die Luxemburger Bildungslandschaft stets im Raum, gezielt diskutiert, geschweige denn beantwortet, werden sie jedoch nicht.

Die Ursache dafür ist klar: Die meisten im Parlament vertretenen Parteien erkennen die Probleme der Luxemburger Schule nicht als strukturelle an. Von einer notwendigen Verstärkung der Elternarbeit war immer wieder die Rede. Wenn Eltern jedoch keine der Landessprachen verstehen, nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um ihren Kindern ein Studium zu ermöglichen, oder aus unterschiedlichsten Gründen schlicht nicht in der Lage sind, sich in die Schulbildung ihrer Kinder zu investieren, dann ändert daran auch Elternarbeit nichts. Wenn Meisch sagt, „All Mamm an all Papp muss seng Verantwortung iwwerhuelen“, dann überträgt er, getreu seiner neoliberalen Weltsicht, die Lösung eines strukturellen Problems auf eine individuelle Ebene.

Wie unterscheiden, ob etwas gut funktioniert oder lediglich kein Hindernis darstellt?

Die Debatte macht jedenfalls wenig Hoffnung darauf, dass sich in den nächsten Jahren etwas daran ändern könnte. „Mir brauche keng Revolutioun, mee eng permanent Evolutioun“, so noch Meisch während seiner Intervention. Kleine Nachbesserungen also, kein grundlegendes Überdenken dessen, was wir in Luxemburg „Schule“ nennen. Wieso an diesem Ansatz festgehalten wird, ist wenig nachvollziehbar. Seit Jahren zeigt Studie um Studie flagrante Bildungsunterschiede zwischen den Schüler*innen auf. Wenn Meischs Ansatz funktionieren würde, müsste sich dies nicht mittlerweile geändert haben?

Worin Meisch recht hatte: Um die Bildungsungleichheiten zu beheben, müssten auch die sozio-ökonomischen Unterschiede zwischen den Haushalten behoben werden. Das Bildungsministerium kann die bestehenden Probleme innerhalb des Schulsystems also nur unzureichend bekämpfen, wenn nicht auch andere Ministerien und Akteure sich der Sache annehmen. Konkrete Vorschläge für einen interdisziplinären Ansatz gab es während der Parlamentsdebatte allerdings nicht.


Cet article vous a plu ?
Nous offrons gratuitement nos articles avec leur regard résolument écologique, féministe et progressiste sur le monde. Sans pub ni offre premium ou paywall. Nous avons en effet la conviction que l’accès à l’information doit rester libre. Afin de pouvoir garantir qu’à l’avenir nos articles seront accessibles à quiconque s’y intéresse, nous avons besoin de votre soutien – à travers un abonnement ou un don : woxx.lu/support.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Wir stellen unsere Artikel mit unserem einzigartigen, ökologischen, feministischen, gesellschaftskritischen und linkem Blick auf die Welt allen kostenlos zur Verfügung – ohne Werbung, ohne „Plus“-, „Premium“-Angebot oder eine Paywall. Denn wir sind der Meinung, dass der Zugang zu Informationen frei sein sollte. Um das auch in Zukunft gewährleisten zu können, benötigen wir Ihre Unterstützung; mit einem Abonnement oder einer Spende: woxx.lu/support.
Tagged .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.