Overshoot Day: Die Grenzen des Konsums

Luc Frieden kündigte eine Umwelt- und Klimaschutzpolitik an, die Bürger*innen nicht nerven sollte. Doch seine Regierung tut nun genau das Gegenteil – unwirksame Appellpolitik.

Die Umweltorganisation Greenpeace „feierte“ den Overshoot Day ironisch mit einer Miniparade in Luxemburg-Stadt. (Foto: © Anaïs Hector/Greenpeace)

Am 20. Februar war der Overshoot Day für Luxemburg. Das bedeutet, dass das Land und seine Bewohner*innen die nachwachsenden Ressourcen für dieses Jahr bereits jetzt aufgebraucht haben. Natürlich sind das Datum und die dahinterliegenden Berechnungen theoretisch, immerhin ging das Leben am 21. Februar munter weiter. Der Termin ist 2024 auch fast eine Woche später als 2023, wie das Global Footprint Network ausgerechnet hat. Früher als in Luxemburg ist der Overshoot Day nur im Katar (11. Februar), das nächste europäische Land ist Estland am 8. März.

Die Umweltorganisation Greenpeace „feierte“ den Overshoot Day ironisch mit einer Miniparade in Nationalfarben inklusive „Roude Leiw“ und fragte, ob Luxemburg auf ewig Europa-Champion im Ressourcenverbrauch bleiben wolle. Wie schon voriges Jahr kritisierte der Nachhaltigkeitsrat gemeinsam mit dem Jugendrat das Wachstumsmodell Luxemburgs als „Ponzi-System“. Ein Pyramidensystem also, das auf ewiges Wachstum baut. Diese Frage ist eng mit dem Sozialsystem verbunden – umso wichtiger wäre es also, eine ernsthafte, radikale Debatte über unser Produktions- und Konsumsystem zu führen. Die kann man jedoch nicht damit beenden, dass man mehr oder effizientere Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor fordert. Das vermeintlich ressourcenschonende Wachstum am Finanzplatz bedeutet nichts anderes, als dass Luxemburg sich an der Umwelt- und Klimazerstörung anderenorts bereichert.

Die Regierung will nicht nerven, tut es aber trotzdem.

Die Regierung hatte anlässlich des Overshoot Day eine einzige Botschaft: „Bitte nachhaltiger konsumieren!“ Man solle sich zum Beispiel vor dem Kauf fragen, ob man wirklich das neuste Handymodell erwerben müsse; man könne stattdessen alte Geräte reparieren oder zu Second-Hand-Artikeln greifen. Außerdem solle man zu regionalem und saisonalem Obst und Gemüse greifen, keine Fast-Fashion-Kleidungsstücke kaufen und wenn möglich mit dem öffentlichen Transport fahren. In der Pressemitteilung der Direktion für Verbraucherschutz wird die zuständige CSV-Ministerin Martine Hansen ebenfalls mit der Klarstellung zitiert, man wolle „mit unserer Aktion keine Urteile über Konsumgewohnheiten fällen, sondern vielmehr versuchen, Informationen zu liefern und positive Veränderungen zu fördern.“

Anders formuliert: Die Regierung will nicht nerven, tut es aber trotzdem. Der Fairness halber muss betont werden, dass die Umsetzbarkeit eines „Reparatur-Bonus“ geprüft wird. Machbar sind solche Systeme, denn in anderen EU-Ländern existieren sie bereits – geprüft werden muss wohl eher die Frage des politischen Willens. Doch selbst mit einem staatlichen Reparaturgutschein ist es schwierig, Geräte reparieren zu lassen. Oft ist es billiger, ein neues zu kaufen. An eine eigenhändige Reparatur ist meist nicht zu denken, da viele Smartphones und ähnliche Geräte verklebt statt verschraubt sind. Das Beispiel „Fairphone“ zeigt, dass es anders ginge: Die Hersteller wollen das nur nicht. Warum setzt die Regierung nicht hier an und zwingt die Hersteller – am besten auf EU-Ebene – zu einer besseren Reparierbarkeit ihrer Geräte?

Das Handy-Beispiel steht exemplarisch für diesen individualisierenden Umgang mit Umweltproblemen: Der*die Konsument*in soll sich nachhaltig verhalten, was aber oft fast unmöglich oder sehr teuer ist. Solange die Produzent*innen nicht in die Verantwortung genommen und soziale Probleme angegangen werden, wird auch der ökologische Fußabdruck Luxemburgs weiter wachsen.


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