Klimapolitik: Du bist schuld!

Das Verbraucher*innenschutzministerium präsentierte diese Woche ein neues Tool zum Klimaschutz: Auf myimpact.lu können Luxemburger*innen sich jetzt ausrechnen lassen, wie groß ihr schlechtes Gewissen sein soll. Das fördert jedoch nur die Individualisierung des Problems.

Der CO2-Fußabdruck-Rechner der Regierung funktioniert wie ein digitaler Beichtstuhl. Doch gerade jene, die die größten Klimasünden begehen, profitieren von solch einer individualisierten Betrachtungsweise. (Foto: pixabay)

„Beispiellose Herausforderungen“ stehen unserem Planeten bevor, heißt es auf der Website myimpact.lu, die das Verbraucher*innenschutzministerium am Montag vorgestellt hat. Mit dem CO2-Fußabdruck-Rechner kann sich nun jede*r selbst ausrechnen, wie groß der eigene Anteil an der Klimakrise ist. Das sei der erste Schritt, um herauszufinden, was man für das Klima tun könne. Dazu muss man einen Fragebogen ausfüllen, der jedoch nur sehr ungefähre Angaben erlaubt. Somit ist auch das Ergebnis lediglich als Näherungswert zu verstehen.

Das wird aber leider überhaupt nicht kommuniziert, sondern ein persönlicher CO2-Fußabdruck als quasi-wissenschaftliche Auswertung präsentiert. Die Tipps, die für die einzelnen Bereiche Wohnen, Transport, Ernährung und Konsumgewohnheiten angegeben werden, sind immer die gleichen. So schlägt der Rechner beispielsweise vor, sich doch einige Tage in der Woche vegetarisch zu ernähren. Als Veganer*in oder Vegetarier*in fühlt man sich bei solchen Ratschlägen doch dezent verarscht. Aber auch abgesehen von solch unsinnigen Tipps ist es vermutlich doch schon zu den meisten Menschen durchgedrungen, dass weder Flugreisen noch stromfressende Geräte oder Nahrungsmittel aus Übersee positiv für die eigene Klimabilanz sind.

Myimpact.lu kann also höchstens dazu dienen, ein Gespür dafür zu entwickeln, wie man selbst gegenüber dem luxemburgischen Durchschnitt von 13 Tonnen CO2 im Jahr da steht. Denn „gewinnen“ kann man mit dem Tool ohnehin nicht: Selbst wer sich vegan ernährt, alle Kleidung und Geräte secondhand kauft, kein Auto fährt, nie Urlaub macht und die 20 Quadratmeter-Wohnung mit einer Wärmepumpe heizt, kommt auf zwei Tonnen CO2-Equivalent im Jahr. Ziel für 2050 sind jedoch 1,6 Tonnen.

Als Vegetarier*in fühlt man sich beim Ratschlag, ein paar fleischfreie Tage einzulegen, doch dezent verarscht.

Das größte Problem mit dem CO2-Fußabdruck-Rechner ist jedoch die zugrundeliegende Philosophie: Der*die Einzelne wird für die Klimakrise verantwortlich gemacht, individuelles Handeln in den Vordergrund gestellt. Das führt schnell zu einem Gefühl der Ohnmacht, weil die Handlungsoptionen im Alltag oft begrenzt sind. Wer zur (viel zu hohen) Miete in einer schlecht gedämmten Wohnung lebt, wird auch durch ein paar vegetarische Tage in der Woche den eigenen CO2-Fußabdruck nicht groß ändern können. Superreiche und Konzerne, die wirklich große Emissionsminderungen bewirken könnten, werden so aus dem Visier genommen.

Das ist durchaus so gewollt: Nicht unbedingt von der Luxemburger Regierung, sondern von den Erfinder*innen des individuellen CO2-Fußabdrucks. Das Konzept des ökologischen Fußabdrucks ist bereits länger bekannt. Aufs Klima angewandt hat eine Kampagne des Öl- und Gaskonzerns BP 2004 die Idee von CO2-Rechnern popularisiert. Mit Erfolg: Viele Menschen sorgen sich um ihren individuellen Fußabdruck. Oder sie weigern sich im Gegenteil, ihren Anteil an der Klimakrise, so klein er auch sein mag, überhaupt anzuerkennen. Von der Individualisierung des Problems profitieren vor allem jene, die es am liebsten überhaupt nicht oder möglichst spät angehen wollen, und das sind fossile Konzerne und Superreiche, die ihr Leben in Privatjets und auf Yachten verbringen.

Das heißt nicht, dass es keine individuellen Maßnahmen gibt, die jede*r Einzelne treffen kann. Gerade beim Heizen oder bei Flugreisen kann sich auch individuelles Handeln aufs Klima auswirken. Dennoch sollte ausgerechnet der Staat nicht mit einem CO2-Fußabdruck-Rechner die Verantwortung von sich weisen: Damit sich individuelles Verhalten ändern kann, muss der Staat einen geeigneten Rahmen schaffen. Das passiert jedoch nicht durch halbgare Onlinetools oder Appelle, sondern durch Investitionen in Infrastruktur, Subventionen und selbstverständlich auch Ordnungspolitik.


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