Das Luxemburger Rentensystem steht auf wackeligeren Füßen als bisher angenommen. Das zeigt einmal mehr, wie wenig nachhaltig das hiesige Wirtschaftssystem ist.
Luxemburg steht eine Rentendebatte bevor, das hat die CSV-DP-Regierung angekündigt. Sie kommt jedoch früher als geplant. Diese Woche präsentierte der Mouvement écologique eine Analyse der Nachhaltigkeit des Luxemburger Rentensystems, durchgeführt vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Darin wird klar: Die Grundlagen, auf denen das Luxemburger System fußt, sind nicht so sicher, wie das zu hoffen wäre.
Zwei Aspekte sind laut dem Wifo besonders unsicher: Die künftige Zahl der Grenzgänger*innen und die angenommene Steigerung der Produktivität. Wenn es sich in Zukunft für viele nicht mehr lohnt, nach Luxemburg arbeiten zu kommen, fehlen diese Löhne zur Zahlung der Renten. Das könnte passieren, weil die Lohnunterschiede nicht mehr so hoch sind oder das Pendeln an sich zu teuer oder zu mühsam wird.
Die Annahme, dass die Pro-Kopf-Produktivität jedes Jahr um 1,2 Prozent steigt, wird vom Wifo gar als „übermäßig optimistisch“ bezeichnet. In den letzten zehn Jahren ist die Pro-Kopf-Produktivität nämlich gesunken, und das sei nicht nur den vielfältigen Krisen geschuldet, sondern auch sinkender Arbeitszeit. Wenn die Wifo-Analyse eines aufzeigt, dann dass die oft geforderte Senkung der (Lebens-)Arbeitszeit nur dann kommen kann, wenn die Finanzierung des Rentensystems ebenfalls grundlegend reformiert wird.
Die Finanzierung des Sozialsystems ist zu stark an ein Dogma des Wachstums gebunden
Das Wifo hat im Auftrag des Mouvement auch untersucht, ob und wie sehr die finanzielle Nachhaltigkeit des Rentensystems mit ökologischen Zielen vereinbar ist. Sein Fazit: Es gibt zwar eine gewisse Entkoppelung von Wirtschaftsleistung und Treibhaus- gasemissionen oder Materialverbrauch, doch dies kommt vor allem daher, dass der Dienstleistungssektor so stark gewachsen ist. Wer glaubt, mittels sogenannter Künstlicher Intelligenz könnte die Produktivität ohne Umweltkosten gesteigert werden, irrt: Längst ist klar, dass Training und Ausführung computergestützter Programme große Mengen an Energie und Kühlwasser benötigen.
Auch, wenn das Wirtschaftswachstum in Luxemburg zum Teil von Emissionen entkoppelt ist: Wir sind beinahe Weltmeister*innen im Ressourcenverbrauch. Der „Overshoot Day“ für Luxemburg fällt dieses Jahr auf den 20. Februar. Das ist zwar fast eine Woche später als 2023 (14. Februar), aber immer noch beschämend früh im Jahr. International steht das Großherzogtum an zweiter Stelle: Nur im Katar lebt man noch früher „auf Pump“.
Für den Mouvement ist die Sache klar: Die Finanzierung des Sozialsystems ist zu stark an ein Dogma des Wachstums gebunden. „Geradezu unverantwortlich“ nennt die Umwelt-NGO es, dass künftigen Generationen einerseits die Bürde von Klimakatastrophe und Artensterben auferlegt würde, sie andererseits aber ein Sozialsystem aufrechterhalten müssten, das genau diese ökologischen Krisen befeuert. Aus der „Fantasielosigkeit“ des Wachstumsdogmas gelte es auszubrechen, so der Mouvement. Das Wifo hat leider nicht analysiert, wie nachhaltig die Anlagen des Pensionsfonds FDC sind, aber die Antwort ist bekannt: Auch die Reserven des Luxemburger Rentensystems treiben die ökologischen Krisen auf diesem Planeten an.
Die Regierung hat bisher allenfalls angedeutet, an ein paar Stellschrauben des Rentensystems drehen zu wollen. Primär sind Steuererleichterungen für private Zusatzrenten – eine Umverteilung von unten nach oben – angedacht. Der Vorstoß des Mouvement gibt jedoch etwas Hoffnung: Vielleicht kommt es ja zu der bitter nötigen Diskussion um die ökologische und soziale Ausgestaltung unseres Wirtschaftssystems.