Roadburn Festival 2025: Die Gewalt des Klangs

Auch in diesem Jahr fand im holländischen Tilburg wieder das Roadburn Festival statt, das allen Arten von „Heavy Music“ eine Bühne bietet. Besichtigung eines Genres, das sich die beständige Ausweitung seiner Grenzen auf die Fahnen geschrieben hat.

Kontrollierter Exzess: Die finnische Band „Oranssi Pazuzu“ spielte auf dem Roadburn-Festival als eine der ersten Bands. (Foto: Peter Troest)

Man kann das Roadburn Festival auch vom Zustand der Erschöpfung her erzählen, der regelmäßig an dessen Ende steht. Wie sollte es anders sein, nachdem man sich vier Tage lang mit einer Musik auseinandergesetzt hat, die auf jede nur erdenkliche Art versucht, in die Extreme zu gehen? Die ihren Schöpfer*innen genau wie dem Publikum so vieles abverlangt: Konzentration, Offenheit, Einfühlungsvermögen, körperliche wie seelische Resistenz gegen die bisweilen entfesselte brachiale klangliche Gewalt. Und dann ist es plötzlich still.

Post-Roadburn-Depression – so nennen viele das Gefühl, das sich einstellt, wenn wieder mal eine Edition des Musikspektakels zu Ende gegangen ist. Auf den verschiedenen Foren werden dann Tipps ausgetauscht, wie man diese Stimmung abschütteln kann. Die einen posten dann schon von zu Hause aus, manchmal mit Fotos von den Platten und Merchandise-Artikeln versehen, die in den vergangenen Tagen gekauft worden sind. Andere schicken noch Bilder aus einem Café oder einer Kneipe, weil sie das niederländische Städtchen Tilburg, wo das Festival alljährlich stattfindet, noch nicht ganz loslassen will.

Seit 1999 gibt es das von Walter Hoeijmakers und Jurgen van den Brand ins Leben gerufene Festival, das ursprünglich vor allem dem Stoner Rock und dem Doom Metal gewidmet war. Mittlerweile ist es zur Instanz für extreme und heavy Musik schlechthin geworden, wobei „heavy“ und „extrem“ seit langem schon nicht mehr allein für schwere Gitarrenriffs und brachiale Drumbeats stehen. Neben Hoeijmakers, der seit dem Ausscheiden von van den Brand allein den Titel des künstlerischen Leiters trägt, hat in den vergangenen Jahren auch Becky Laverty der Veranstaltung ihre Handschrift verliehen. Diversität wird groß geschrieben, und das nicht nur im musikalischen Sinn. Einen „safe space“ repräsentieren die dort entworfenen Klangräume allerdings auch in diesem Jahr nicht.

Kopfweh mit Dämonen

Unapologetisch: Die Band „Kylesa“ hatte sich extra für das Festival wieder zusammengefunden und alte Hits präsentiert. (Foto: Danièle Weber)

Schon die Band des Auftaktkonzerts am Donnerstagnachmittag auf der großen Bühne hatte außerhalb des Roadburn-Universums bei manchem Heavy-Puristen für Kopfschütteln gesorgt. „Die spinnen, die Finnen“, hieß es in der Metal-Zeitschrift „Deaf Forever“ über das neue Album von „Oranssi Pazuzu“, das dort unter knapp sechzig besprochenen Platten den vorletzten Platz belegte. So groß war die Irritation über das Album, dass man „Muuntautuja“ gleich in einem „Pro & Contra“ besprach. „Der pervers verzerrte Bass und Gesang, die von Industrial-Geräuschkulissen überlagerten Riffs, die endlos monotonen Fiepkulissen und Klavierläufe gleichen aufgeblasenen Soundtrack-Fragmenten, die isoliert ohne Bilder nicht funktionieren“, ereiferte sich der „Contra“-Rezensent, und selbst der Fürsprecher des Albums konstatierte, dass es „so ziemlich jeden musikalischen Rahmen“ sprengt und „zumindest beim erstmaligen Hören für reichlich Kopfweh“ sorgt.

Sieht man von der negativen Konnotation ab, ist die Musik von Oranssi Pazuzu damit nicht mal so schlecht charakterisiert, und für die Bilder sorgte das Roadburn-Publikum mit seiner Fantasie dann selbst – daher war der größte Saal des Festivals auch zu dessen Beginn gut gefüllt. Den Sound, den die 2007 gegründete Formation kreiert, kann man wohl am ehesten als kontrollierten Exzess beschreiben. Das mag widersprüchlich erscheinen, doch sollte man nicht vergessen, dass nicht nur das Ausströmen, sondern auch die Verdichtung von Gasen zur Explosion führen kann. Ganz ähnlich verhält es sich bei dem Aggregatzustand, den die finnische Band erzeugt: auf maximale Kompression, bei der man selbst die Gitarren kaum noch als solche erkennt, folgt ein heftiger Ausbruch; der ebenso wuchtig wie zähflüssig ist.

Unheimlich ist das, was man zu hören bekommt, in etwa so, wie einen die unterdrückten und doch spürbaren Emotionen einer anderen Person bisweilen in Alarmzustand versetzen – weil die sich jederzeit entladen könnten. Da hilft die Charakterisierung, dass es sich bei der Band um eine Mischung aus Black Metal, Psychedelic Rock, Space Rock und Progressive Metal handle, nur wenig – eher spricht der englischsprachige Begriff „eerie“ bereits lautsprachlich aus, was man zu erwarten hat. In all das mischen sich Momente der Flüchtigkeit, der Zartheit, ein beklommenes Herantasten an das Unbekannte. Oranssi Pazuzu zogen an diesem Nachmittag alle in ihren Bann, und nicht nur der Gesang von Juho Vanhanen erinnerte daran, dass der Name der Band an jenen Dämon angelehnt ist, der Linda Blair im Horrorfilmklassiker „The Exorzist“ den Kopf verdrehte.

Performance in Perfektion

Dass Bands eine ihrer Veröffentlichungen komplett durchspielen, gehört beim Roadburn-Festival mit den „Album Sets“ fest zum Programm. Es muss nicht unbedingt das neueste sein, die Fans freuen sich auch über jede Gelegenheit, einen Klassiker zu hören. Dieses Jahr allerdings war das Format von Neuerscheinungen dominiert. So präsentierte „Thou“ aus Baton Rouge, der Hauptstadt des amerikanischen Bundesstaates Louisiana, die im vergangenen Jahr erschienene Platte „Umbilical“, die die britische Tageszeitung „The Guardian“ als „eines der besten Metalalben der vergangenen Dekade“ bezeichnete. In Baton Rouge sind die Sommer lang, heiß und drückend, und genau so erbarmungslos ergießt sich der Sludge-Metal der Band, die längst zu den Stammgästen des Roadburn zählt, am Freitagabend in Kaskaden von der Bühne herab. Der Sound im großen Saal des „013“ ist fantastisch, das Konzerterlebnis unmittelbar körperlich. Zornig keift Sänger Matthew Thudium seine Texte ins Mikro, macht Anstalten, sich mit dem Kabel zu strangulieren, und schert sich dabei nicht weiter ums Publikum – sieht man von der Ansage gegen Ende, dass es bald alles überstanden habe, einmal ab.

Ähnlich brachial dann auch der Auftritt der Band „Sumac“, die am Sonntag bereits das zweite Mal auf der Bühne standen. Tags zuvor hatte das US-amerikanisch-kanadische Trio gemeinsam mit der Rapperin „Moor Mother“ gespielt. Wegen der prestigeträchtigen anderen Bands, in der sich dessen Musiker engagieren („Russian Circles“, „Botch“, „Old Man Gloom“, ex-„Isis“, um nur einige zu nennen), sprechen viele gar von einer „Supergroup“. Diese präsentierte das im Vorjahr erschienene Album „The Healer“: Vier Stücke, die zwischen zwölf und 25 Minuten dauern und wie eine nach altem Schmieröl stinkende Dampfwalze mit stotterndem Motor erst langsam und schwerfällig, dann alles zermalmend Fahrt aufnehmen.

Ebenso filigran wie brachial: die US-amerikanisch-kanadische Post-Metal-Band „Sumac“. (Foto: Peter Troest)

Nicht nur den diesjährigen Höhepunkt dieses Formats, sondern auch einen des gesamten Festivals bildete die Präsentation des 2023 erschienenen Albums „Black Medium Current“ durch die im norwegischen Oslo beheimatete Band „Dødheimsgard“. 1994 als reine Black-Metal-Band gegründet, hat die Gruppe mittlerweile Stilelemente integriert, die oft als „avantgardistisch“ bezeichnet werden, aber eher an symphonischen und epischen Metal erinnern. Episch war nicht zuletzt der Auftritt, den die Band um Sänger Yusaf „Vicotnik“ Parvez ablieferte: Er beeindruckte nicht nur mit seiner Stimme, die beständig zwischen Klargesang und Growls alternierte, sondern umgarnte mit seinem Charme das Publikum. Er wollte unterhalten, machte Witze, immer wieder sprang er von der Bühne und umarmte die völlig entzückten Fans, überließ ihnen einmal sogar das Mikrofon. Das tat der Spannung allerdings keinen Abbruch, denn die Band lieferte eine absolut konzentrierte, tighte Show. „Authentizität entsteht durch eine gute Performance“, sagte „Inter Arma“-Drummer T.J. Childers im woxx-Interview sinngemäß („Trost in der Trostlosigkeit“, woxx 1780). Das Konzert von Dødheimsgard war der Beweis.

Eine weitere Besonderheit des Roadburn sind die „Artists in Residence“. Neben Madeline Johnston alias „Midwife“ war es in diesem Jahr Steve Von Till, der sich während des Festivals gleich dreimal präsentierte. Ohne Von Till und seine Band „Neurosis“ wäre vieles von dem, was in der Geschichte des Roadburn stattgefunden hat, wohl nie geschehen. Die Band hatte bereits zwei Platten abgeliefert, die an den von ihr selbst geschaffenen Maßstäben rückblickend als eher konventioneller Hardcore zu bezeichnen sind, ehe sie mit „Souls at Zero“ 1992 die Welt der extremen Musik komplett veränderte. Für viele, die das Glück hatten, sie damals live zu erleben, wurde das zu einem „live changing event“, ähnlich dem, wie andere einen LSD-Trip beschreiben: Staunend verfolgte man den Versuch der klanglichen Vermessung eines Abgrunds, der unermesslich ist und keine Worte mehr kennt.

Vom Abgrund ins All

Wie also kann die musikalische Karriere eines Mannes weitergehen, der, in punkto extreme Musik bereits alle Grenzen gesprengt hat? Vielleicht, in dem er diese an anderen Orten sucht. Mit seinen verschiedenen Soloprojekten hat sich Von Till seit vielen Jahren der elektronischen Musik, dem Ambient, dem Gothic Folk und ganz allgemein dem „Americana“ zugewandt. Das ist ein Musikstil, der Elemente von Country, Folk, Blues, Soul, Bluegrass, Gospel und Rock vereint. Unter dem Künstlernamen „Harvestman“, den er seit 2005 benützt, präsentierte Von Till am Freitagnachmittag im Nebensaal des „013“ Stücke aus seinem im vergangenen Jahr erschienenen „Triptych“. Das besteht, wie der Name nahelegt, aus drei Alben. Wie immer bei solchen Konzerten war das Publikum mucksmäuschenstill und lauschte dem Musiker, während er sich den verschiedenen Konsolen vor ihm zuwandte und dann wieder seiner Gitarre widmete.

Anders als bei diesem Auftritt stand einen Tag später Von Tills Gesang im Mittelpunkt, als er, sich selbst am Flügel begleitend und von einem Cellisten unterstützt, auf der Hauptbühne Stücke seines bald erscheinenden Albums mit dem Titel „Calling Down the Darkness“ präsentierte. Stimmlich hat er dabei eigenen Worten zufolge mehr gewagt als je zuvor, nicht zuletzt mit intuitiven Improvisationen. „Die komplexen Obertöne des Klaviers und der Synthesizer haben mich dazu inspiriert, mehr zu singen, die angedeuteten Harmonien zu suchen und einzigartige Ansätze innerhalb der Grenzen meiner Stimme zu finden“, so Von Till. An diesem Abend funktionierte das wunderbar.

Ein Klangmaler ist der Künstler auf seiner langen Reise seit Neurosis also geblieben, nur versucht er statt der Weite des Abgrunds nun eher die Weite des Universums und den Platz des Menschen darin zu ergründen. Daher ist es auch kein Wunder, dass er im dritten Teil seiner Residence mit dem Maler und Tattoo-Künstler Thomas Hopper zusammengearbeitet hat. In einem Ausstellungsraum des Festivals präsentierten die beiden Arbeiten von Hopper, die sich in teils großflächigen Gemälden räumlichen Erkundungen widmeten. Akustisch wurde dies durch eigens geschaffene Soundscapes Von Tills begleitet.

Die Organisator*innen des Roadburn rühmen sich damit, legendäre Bands, die sich aufgelöst haben, zumindest für einen Auftritt auf dem Festival wieder zusammenzubringen. War das im vergangenen Jahr die Drone-Doom-Band „Khanate“ („Fifty shades of heavyness“, woxx online), so ist es dieses Mal mit der Sludge-Granate „Kylesa“ gelungen. Eine kleine Sensation, die bereits im vergangenen August angekündigt worden war: Seit neun Jahren hatte sich die Band um Phillip Cope and Laura Pleasants (beide Gitarre und Gesang), die früher mit zwei Drummern auftrat, im Winterschlaf befunden. Für die Show in Tilburg holte man sich mit John John Jesse am Bass und Roy Mayorga am Schlagzeug Verstärkung. Die beiden stammen aus einer womöglich noch legendäreren Band, nämlich der 1992 aufgelösten New Yorker Crust-Punk-Kapelle „Nausea“. Die war in diesem musikalischen Bereich stilbildend und zumindest für das europäische Publikum, das damals sehnsüchtig nach New York City blickte, sagenumwoben.

Gefrickel und Vollbedienung

Präsentierte auf dem Roadburn ihr neues Album: die Black-Metal-Band „Silver Knife“. (Foto: Danièle Weber)

Die Messlatte hing also hoch. Und Kylesa machten das, was man als im Punk verwurzelte Band in solchen Fällen am besten tut: es war ihnen scheißegal. Als seien sie nie fort gewesen, zockten sie am Donnerstag auf der Main Stage dreckig ihre Stücke runter, und Laura Pleasants unterstrich schon durch ihr Oldschool-Outfit in schwarzen Latexpants, kniehohen Stiefeln und mit Patronengurt, dass sie dem ganzen Revival-Unternehmen absolut unapologetisch gegenüberstand und schlichtweg Lust hatte, es krachen zu lassen. Das funktionierte in der zweiten Hälfte des Sets sogar noch um einiges besser, sodass man hier zwar nichts Neues oder gar Avantgardistisches erlebte, aber eine brachiale Vollbedienung erhielt.

Schon eher avantgardistisch klang das, was wenig später auf der Nebenbühne „The Ex“ präsentierten. Der frickelig-jazzige Hardcore-Punk der Niederländer, die sich regelmäßig in Äthiopien aufhalten, mit Größen der dortigen Szene musizieren und diese dann auch in Europa auf die Bühne bringen, weiß immer zu begeistern. Und das bereits seit 1979. In ihrer Karriere hat die fest in der linken Szene verankerte Band mit vielen wichtigen Musikern zusammengearbeitet, darunter dem für Avantgarde-Jazz und freie Improvisation berühmt gewordenen US-amerikanischen Cellisten Tom Cora, der 1998 im Alter von nur 44 Jahren verstorben ist. Der im Mai vergangenen Jahres ebenfalls verstorbene Produzent Steve Albini hat mehrere ihrer Platten abgemischt; leider nicht mehr die neueste, die den Titel „If Your Mirror Breaks“ trägt.

Intensiv, extrem, herausfordernd

„Kann etwas, das so lange existiert, noch als avantgardistisch und innovativ betrachtet werden?“ Das fragte vor kurzem, nicht an „The Ex“, sondern mit Blick auf das Metal-Genre gerichtet, Eli Wendler in einem Interview mit der Zeitschrift „Rock Hard“. Als Sänger und Gitarrist der Black-Metal-Band „Black Curse“ erinnerte er an ein Zitat des Free-Jazz-Saxofonisten Peter Brötzmann, der einmal sagte: „Die Leute nennen mich immer noch avantgardistisch, was zur Hölle soll das? Das ist Bullshit. Ich bin 80 Jahre alt, ich sollte nicht avantgardistisch sein. Ein 22-Jähriger sollte das sein.“

Er habe versucht, das in die Musik seiner Band einzubringen und sie voranzutreiben, so Wendler. „Aber für mich klingen Black Curse nicht besonders avantgardistisch oder experimentell. Für mich geht es im Metal eher darum, sich in diese Energie und diesen urwüchsigen Strom zu vertiefen, der irgendwie immer existiert hat. Einerseits geht es im Metal um dieses sehr alte, ewige Gefühl, andererseits halte ich ihn für eine unglaublich mächtige Kunstform für Experimente.“ Vor allem jedoch solle er „intensiv, extrem, herausfordernd sein“.

Und so war es am Donnerstagabend dann auch. Wie so häufig, wenn eine Band, der ein geheimnisumwitterter Ruf vorauseilt, in der kleinen „Hall of Fame“ spielt, hatte sich eine lange Schlange gebildet, die angeblich fast bis zum Eingang des Geländes um die Koepelhal reichte, dem zweiten großen Konzertort des Festivals. Glücklich also, wer die Zeichen der Zeit erkannte und rechtzeitig drinnen war. Über fünfzig Minuten entfesselte das Quartett aus Denver eine wütende, unerbittliche, gnadenlose Negativität. Hohe Schreie, wahnsinnige, schnelle Gitarrenriffs. Erbarmungslos trieb die Gruppe voran, was nur als Manifest des Extremen, als Feier des Grenzbereichs des Musikalischen begriffen werden kann. Wild headbangend standen Wendler und der Bassist Steve Peacock nebeneinander, während der zweite Gitarrist Jonathan P. Campos, die Kapuze seines Pullovers über den Kopf gezogen, sich auf sein Spiel konzentrierte. Ein Großteil des Publikums wirkte hypnotisiert von dem Schauspiel auf der Bühne, doch immer wieder löste sich jemand aus der Starre und brach in frenetisch-wilde Bewegungen aus. Als es vorbei war, eilten die meisten gleich weiter zu den Finnen von „Concrete Winds“, um sich dort von einer noch weniger groovenden, weniger komplexen Version des selben Musikstils den Rest geben zu lassen; abermals erlebte man eine wilde Attacke, deren kakophonischer Wahnsinn so etwas wie Ordnung und Struktur nur im vollends entfesselten klanglichen Chaos fand.

Klangkaskaden und kosmische Ströme: Viele Bands wagen sich für ihre Liveshows auf dem Roadburn Festival an umfassendere Instrumentierungen als für ein „normales“ Konzert. (Foto: Danièle Weber)

Natürlich durften auch in diesem Jahr wieder viele Newcomer auftreten. Die Belgier „Bacht’n De Vulle Moane” etwa, die erst im letzten Jahr ihre erste EP veröffentlicht hatten und mit ihrem seltsamen Namen (auf Deutsch: „hinter dem Vollmond“) dafür sorgten, dass so manche Roadburner*innen rasch einen Crashkurs in westflämischem Dialekt absolvierten. Auf der Bühne lieferte die Band auf voluminösen Gitarren basierten und von einem Drumcomputer unterstützen Industrial Black Metal ab, der live sehr viel besser funktionierte als aus der Konserve.

Dasselbe lässt sich über die ebenfalls belgische Band Doodseskader sagen. Das Duo, bestehend aus Bassist Tim De Gieter, der kürzlich bei „Amenra“ ausgestiegen ist, und Schlagzeuger Sigfried Burroughs lieferte eine interessante Mischung aus Industrial, Metal, Drum’n‘Bass und Rap, die nicht zuletzt von De Gieters Stageacting und dem prononcierten Gesang beider lebt. Die Texte haben eine hintergründig-gesellschaftliche Stoßrichtung und wurden während des Konzerts wie bei einem Videoclip auf die Leinwand hinter den Musikern projiziert. Dabei bewegte sich De Gieter in einer Mischung aus Rapper und Derwisch, der einen E-Bass in seinen Tanz integriert.

Tanz und Trance

Spätestens jetzt stellte sich die Frage: Wird denn auf diesem Festival überhaupt getanzt? Oh ja, und das war nicht nur bei Bands wie „The Ex“ oder „Doodseskader“ der Fall. Denn schließlich spielte zum Beispiel auch „Altin Gün“. Der dem türkischen Psychedelic Rock gewidmeten Band aus den Niederlanden gelang es am Samstagabend relativ mühelos, im gut gefüllten Hauptsaal selbst die eingefleischtesten Kuttenträger*innen im Publikum zum Arschwackeln zu bewegen. „Jetzt verstehe ich, weshalb die gebucht wurden“, sagt jemand während des Konzerts. Und damit ist eigentlich alles gesagt.

Musikalisch das letzte Wort hatte allerdings am späten Sonntagabend „Haunted Plasma“. Mit ihrem Trance-Sound, der mit Spuren von psychedelischem Black-Metal angereichert war, hielt die finnische Band, bei der auch Juho Vanhanen von Oranssi Pazuzu seine Finger im Spiel hat, die erschöpften Festivalbesucher*innen ein letztes Mal in Bann.

Was bleibt – außer der Erschöpfung – nun 2025 von dem Festival, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Grenzen von Musik beständig auszudehnen (siehe das Interview „Wir wollen Grenzen verschieben“ mit Walter Hoeijmakers in woxx 1727)? „Während Metal ein großartiges Medium ist, um das zu erkunden, gibt es noch viel extremere Stücke, selbst im klassischen Orchester. Auch John Cage hat Musik gemacht, die viel extremer ist als alles, was Metal je versucht hat“, meinte Eli Wendler von Black Curse in dem bereits zitierten Interview: „Wenn man das im Kontext von jemandem wie Stockhausen, Iancu Dumitrescu oder Pauline Oliveros betrachtet, machen diese Leute so viel, um die Extremität von Klang und die Schwere von Timbre, Ton und Harmonik zu pushen, dass jede Metal-Band wie Chuck Berry klingt.“

Das stimmt. So lange sich aber zumindest einige Musiker*innen dieses Genres dessen bewusst sind und es in ihren künstlerischen Ausdruck aufzunehmen versuchen, kann es in Tilburg noch eine Weile weitergehen.


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