Aktuell findet man im städtischen Cercle Cité die Videoinstallationen zweier junger Kunstschaffender. Thibault Brunet und Suzan Noesen bieten mit „Soleil noir“ und „Libera Pagina!“ sehr unterschiedliche multimediale Konzepte mit gelegentlichen Berührungspunkten unter dem Ausstellungstitel „Points of View“.
Thibault Brunets künstlerische Arbeiten haben meist Videospiele oder digitale Datensätze wie räumliche Gebäudemodelle aus Google Earth als Ausgangspunkt. Nun wechselt er die Seiten, indem er mit einem sperrigen 3D-Scanner Innen-, aber vor allem Außenräume digitalisiert. Das schwere Gerät übersetzt sozusagen seine natürliche oder urbane Umgebung in einem Umkreis von 150 Metern in eine digitale Punktewolke. Dabei besitzt diese Art Sprache eine Reihe an Eigenheiten, die die eingefangene Realität entfremden. Das Gerät sieht immer nur die ihm zugewandte Seite, es erkennt keine transparenten Materialien wie Wasser und lässt alle fehlenden Informationen schwarz erscheinen, so wird auch sein eigener Standort zum schwarzen Loch. Auch die lange Bearbeitungsdauer dieser Technik hinterlässt ihre Spuren im Werk; das Volumen vom Wind bewegter Äste wird in der zweiten Phase der Farbgebung automatisch mit einem himmelblauen Standardfarbton ausgefüllt. Brunet durchwandert in seiner Videoarbeit diese dreidimensionalen Aufnahmen. Er durchbricht dabei Boden, Gegenstände und Menschen und drängt uns die Frage auf, wie (ir)real seine verdrehten Umgebungen sind, die mit ihrer „schwarzen Sonne“ im Zentrum anderen physikalischen Gesetzen zu folgen scheinen. Neben der großen LED-Wand finden sich auch zwei kleinere, kuriose Arbeiten, eine interaktive Installation, die die reale und fiktive Geschichte von Orten bei Präsenz von Besucher*innen im Ausstellungsraum generiert, und ein skulpturales Buch, das einer eingescannten Felswand entspricht.
Der Raum und die Zeit, die Suzan Noesen ihrer Arbeit zugrunde legt, sind sehr persönlicher Natur. Ihr poetischer Ansatz widmet sich der Beziehung zwischen der multidisziplinären Künstlerin selbst und ihrer Großmutter, mit der sie in einer Wohngemeinschaft lebt. In ihrem Wohnsitz, einem alten Bauernhaus, scheint die Zeit still zu stehen, während sich auf der Videoprojektion daneben ein junges Mädchen in Endlosschleife in einem Gartenlabyrinth dreht. Die Videoprojektionen auf Stoff werden durch im Raum verteilte, großformatige gegenstandslose Malereien ergänzt. Neben den vielen transparenten Materialien sticht eine Arbeit besonders hervor. In einem Video-Diptychon stellt Noesen die zwei Frauengenerationen nebeneinander, wir beobachten aus deren jeweiligen eigenen Perspektive die Tätigkeiten der alten und jungen Hände. Mal verrichten sie die gleichen Handgriffe wie Kartoffelschälen, den Ofen befeuern oder Kleidung zuknöpfen, mal übernehmen sie typische Arbeiten der anderen Person, wie Farbe anrühren, malen, Geranien zupfen, stricken und damit vielleicht auch metaphorisch deren Blickwinkel. Welchen Einfluss hat die Zeit auf diese Gesten? Ein berührender Dialog entsteht durch die alltägliche Einfachheit. Ein Alltag, geprägt und strukturiert von Gesten. Den (hier nur nonverbalen) Dialog zwischen den beiden unterschiedlichen Frauen führt Suzan Noesen in ihrem ersten Kurzfilm fort. Die Ausstellung im Cercle Cité, die im Rahmen des Luxembourg City Film Festivals (vom 7. bis zum 17. März) stattfindet, verweist daher auch auf die Premiere des Filmprojektes „Livre d’heures“ am 8. März mit anschließendem Gespräch mit der Künstlerin sowie dessen weitere Ausstrahlung in der Blackbox des Casino Luxembourg. Im vielseitigen Rahmenprogramm der Ausstellung findet man zudem Thibault Brunets Werk ab dem 1. März beim Multiplica Festival der Rotondes wieder.