Wohnungsnot und Baukrise: Rendite versus Bedarf

Während der „Assises du logement“ am Mittwoch blieb der Ton über weite Strecken höflich, doch die Interessen der privaten Baubranche und der Wohnungssuchenden klaffen weit auseinander.

Fotos: © SIP/Jean-Christophe Verhaegen

Glaubt man den Vertreter*innen der Baubranche, die während der Assises du logement am vergangenen Mittwoch das Wort ergriffen, dann hat allein die Präsentation der Vorlage zur Mietgesetzreform durch Wohnungsbauminister Henri Kox (Déi Gréng) im letzten Jahr genügt, um die Luxemburger Baubranche zum Erliegen zu bringen.

Tatsächlich verzeichnen vor allem die „ventes en état futur d’achèvement“ seit Mitte des vergangenen Jahres einen Trend nach unten (siehe woxx 1723), der sich im letzten Trimester 2022 stark beschleunigt und in den vergangenen Monaten zu einem fast kompletten Stillstand bei Neubauten geführt hat. Solange in einem geplanten Bauvorhaben nicht eine Mindestzahl an Wohnungen verkauft wurden, wird nicht gebaut. Die Konsequenz daraus illustrierte der Bauunternehmer Roland Kuhn in seinem Debattenbeitrag zu den Assises: „Wir haben vielleicht noch bis zum Ende des Frühlings Aufträge, danach ist Schluss“. In Zahlen ausgedrückt: Statt der geplanten 3.500 Wohnungen werden 2023 nur etwa 1.200 entstehen.

In seltenem Einklang rufen deshalb Bauunternehmer*innen, Promoteur*innen und Immobilienagenturen nach dem Staat: Der soll doch bitte die bereits lancierten Vorhaben aufkaufen und ihre Fertigstellung finanzieren – damit die Wohnungsnot nicht noch größer wird, aber vor allem, um die Branche zu stützen. Andernfalls seien Konkurse einzelner Unternehmen nicht auszuschließen. Bei dieser Forderung blieb der Ton noch ausgesprochen höflich, dem Staat als potenziellem Kunden muss schließlich Honig ums Maul geschmiert werden.

Wenn mieten zum Luxus wird: Mieter*innen müssen einen stetig steigenden Anteil ihres Lohnes für ihre Wohnungskosten aufbringen. Die hier dargestellten Durchschnittswerte kaschieren sogar noch die Unterschide, die zwischn unterschiedlichen Einkommensgruppen bestehen. Seit 2019 hat sich diese Entwicklung noch weiter verschärft. (Quelle: „La stratégie nationale du logement“, ministère du Logement, 2023, logement.lu)

Auch in Sachen Betriebswohnungen tauschten sich Minister und Branchenvertreter*innen einige Streicheleinheiten aus: Kox will in Zukunft betriebliche Wohnungen fördern, sofern sie wie beim staatlich geförderten Mietwohnungsbau ohne Gewinnaussicht gebaut werden.

Bei der Bewertung der eingangs erwähnten Mietgesetzreform wurde der Ton dann etwas rauer: Sie sei Gift für den Wohnungsbau und gehöre in die Abfalltonne. Angesichts einer derzeit so schwachen Bauaktivität sei jedes Signal, das Investor*innen vergraule, eines zu viel. Steigende Zinsen seien nicht nur ein Problem für Wohnungssuchende, deren Kredite teurer werden. Wenn parallel die Renditeerwartungen auf dem Mietwohnungsmarkt fielen, weil eine niedrigere Obergrenze festgelegt wird, setzten Investor*innen ihr Geld womöglich woanders ein.

Am Tag vor den Assises hatten die Handels- und Handwerkerkammer ihre gemeinsam verfasstes, vernichtendes Gutachten zur Mietgesetzreform noch einmal in Erinnerung gerufen. Man sei mit dem alten Gesetz doch gut gefahren, weshalb also etwas daran ändern?

Das Investor*innen-Modell eignet sich nicht zur Lösung der aktuellen Wohnungsnot.

Welche Verwerfungen das bestehende Gesetz hervorbrachte, davon wusste hingegen Jean-Michel Campanella vom Mieterschutzbund zu berichten. Die bisher geltende Fünf-Prozent-Rendite-Regel hat bei neu erstellten Wohnungen zu Mietpreiserwartungen geführt, die sich nur noch Spitzenverdiener*innen leisten können. Entsprechend schnell ist die Warteliste für staatlich geförderte Wohnungen in die Höhe geschnellt. Deren gibt es aber viel zu wenig.

Aber auch die neue Obergrenze von 3,5 Prozent kann den Mieterschutzbund nicht überzeugen: Allein die Grundstückspreise haben sich derart verteuert, dass Mieten bei neu erstellten oder neuerworbenen Wohnungen, in deren Berechnung der aktuelle Grundstückspreis einfließt, trotzdem viel zu hoch angesetzt werden könnten. Durch die im Entwurf vorgesehene Neubewertung bei älteren Wohnungen könnte es sogar dort zu Mietererhöhungen kommen. Minister Kox will zwar nachbessern und mögliche Erhöhungen auf zehn Prozent alle zwei Jahre beschränken. Doch wer längerfristig zur Miete wohnt, muss am Ende trotzdem deutlich tiefer in die Tasche greifen.

© SIP/Jean-Christophe Verhaegen

Das eigentliche Problem: Luxemburg hat viel zu lange auf einen allein von Privatinitiativen getragenen Mietwohnungsbau gesetzt. Rendite-Erwartungen der Investor*innen und die Belastbarkeit der Mieter*innen liefen lange parallel. Die Perspektive, später einmal selbst über eine Eigentumswohnung zu verfügen, hat steigende Mieten eine Zeitlang erträglich erscheinen lassen. Doch der Traum einer eigenen Wohnung ist für viele angesichts der Teuerungen geplatzt. Zudem machen hohe Mieten jedes Ansparen für eine Immobilie unmöglich. Wer nicht entsprechend erbt, bleibt auf der Strecke.

Das Investor*innen-Modell wird es weiterhin geben, doch es eignet sich nicht zur Lösung der aktuellen Wohnungsnot. Dafür wird zu sehr am Bedarf vorbei investiert. Die Baubranche ruft für eine zeitlich begrenzte Zeit nach schneller und kräftiger staatlicher Unterstützung. Vielleicht bietet dies die Gelegenheit über die Zeit nach der Krise nachzudenken und dauerhaft Instrumente zu schaffen, die solche Verwerfungen erst gar nicht entstehen lassen.


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