ZEITUNGEN: Kann man Kunst lesen?

Bücher, Zeitungen und Zeitschriften gelten in erster Linie der Information und der Dokumentation. Doch der Künstler Christoph Keller sieht in ihnen ein Mittel der Kunst.

Auf den Regalen liegen Bücher, auf dem großen Tisch in der Mitte Zeitungen und Zeitschriften und auf einem kleinen Tisch am Rand wenige Schallplatten, CDs und DVDs. Die Mehrzahl von ihnen ist auf Englisch, viele deutsche Publikationen und einige wenige französische sind auch dabei. Sortiert sind sie nach Herausgeber oder Verleger, deren Name jeweils in greller orangefarbener Schrift daneben steht. Das indirekte Licht der Leselampen lädt zum Schmökern ein. Viele bunte Plastikhocker sind im Raum verteilt und bieten eine Sitzgelegenheit für diejenigen die lesen, blättern oder einfach nur nachdenken möchten. Wüsste man es nicht besser, träfe diese Beschreibung eher auf eine Bibliothek oder eine Buchhandlung zu. Doch diese Medien sind weder zum Ausleihen noch zum Kaufen gedacht, sondern zum Ansehen. Denn hier handelt es sich um die Wanderausstellung „Beyond Kiosk – Modes of Multiplication? von Christph Keller, Designer und Gründer des Revolver Verlags.

700 unabhängige Publikationen, bei denen sich alles um die Themen zeitgenössische Kunst, Design und Graphik dreht, sind aktuell im Mudam zu begutachten. Christoph Keller hat mit dieser Ausstellung sein Wanderarchiv „Kiosk? ausgeweitet, das von 2001 bis 2006 mit über 6.000 Medien um die Welt tourte und sich nun als Dauerausstellung in Berlin sesshaft gemacht hat. Der Künstler selbst sieht sich nicht als Bücherliebhaber, geschweige denn als Leseratte, sondern versucht mit Büchern Kunst zu schaffen. Seine Ausstellung im Mudam richtig in Szene zu setzen, überließ er dem Designer Martino, dem dies mit Konstruktionen aus Holzbtrettern, die ein Regal oder einen Tisch darstellen, gelang. Dennoch kann man sich leicht in der Anordung der Bücher verlieren und sollte sich deshalb vorher den Ausstellungsplan noch einmal genauer ansehen. Ein mehrmaliger Besuch lohnt sich, denn man kann keinesfalls alles sehen und alles lesen schon gar nicht. Selbst die Museumsaufsicht, die seit März dieses Jahres tagtäglich ihre Runden im Raum dreht, bleibt von Zeit zu Zeit stehen um in einer Zeitschrift zu blättern, die ihr voher mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aufgefallen war.

Und spätestens jetzt weiß man auch als Besucher, dass man wirklich alles anfassen darf und ein Buch sogar mit der Rückseite nach oben wieder auf den Tisch zurücklegen kann. Was man beim Betreten des Raumes nicht weiß, ist dass dass es sich in Wirklichkeit um zwei verschiedene Ausstellungen handelt. Denn die posterformatigen Fotografien an der Wand, die geöffnete Bücher zeigen, sind nicht etwa Teil von „Beyond Kiosk“, sondern „Double Pages“ – ein Projekt, das Christoph Keller zusammen mit einem Designer und einer Kunsthistorikerin initiiert hat. Dies leuchtet einem aber auch erst nach Lekture der Broschüre ein, die nur an einem der Ein- und Ausgänge des Saales zu finden ist und die in drei verschiedenen Sprachen geschrieben ist. Eine andere Sprache sprechen die Inhalte der Publikationen und man kann sicherlich darüber streiten, ob diese Bücher an sich Kunst sind. Die Antwort auf diese Frage ist jedem selbst überlassen und am besten macht man sich bei einem Besuch im Mudam selbst ein Bild davon. Anders als herkömmliche zeitgenössische Kost ist „Beyond Kiosk“ allemal und sogar eingefleischte Bücherwürmer werden, wenn überhaupt, nur ein paar dieser Bücher schon kennen.

Die Ausstellung „Beyond Kiosk ? Modes of Multiplication“ ist noch bis zum 13. September im Mudam zu sehen.


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