Frauenquote: Mittel zum Zweck

Die Parteien rufen ab dem 13. August zum „fairen Wahlkampf“. Doch Frauen finden sich auf den meisten Listen noch immer wenige. Schon gar nicht Spitzenkandidatinnen. Kann die Quote helfen?

Politik ist in Luxemburg noch immer Männergeschäft. Kann die Quote es richten?

Um im Wahlkampf Erfolg zu haben, muss, so scheint es, unbedingt ein möglichst lässiger Wahlslogan her. Die sozialistische Partei verkündete ihren am Montag bei Austern und Champagner: „Loscht op muer!“ Das Gerangel um Listenplätze beherrscht in den letzten Wochen nicht nur bei der LSAP die Diskussionen. Doch schaut man sich die Spitzenkandidaten der Parteien an, so sind meist noch immer allein Männer die Aushängeschilder. Einzig Déi Gréng setzen (selbst-)bewusst auf Frauen.

Gibt es zu wenig Engagierte oder ist Politik in Luxemburg trotz aller Diskussionen noch immer ein Männergeschäft? „Es gibt zwar mittlerweile ein Bewusstsein für die Bedeutung von Frauen in öffentlichen Positionen, den Parteien fällt es jedoch trotzdem schwer, Listenplätze an Frauen zu vergeben“, beschreibt Colette Kutten den augenscheinlichen Widerspruch. Zehn Jahre lang war sie Präsidentin des Cid-Femmes, heute ist sie Mitglied im Vorstand und grüne Gemeinderätin in Düdelingen. In einem offenen Brief hatte das Cid-Femmes die Parteien schon früh dazu aufgerufen, bei der Vergabe der Listenplätze auf die Beteiligung von Frauen zu achten. „Wenn man sich das Gerangel zwischen den Spitzenkandidaten ansieht, sind es ja nur wieder Männer, die im Vordergrund stehen“, konstatiert Kutten. Das luxemburgische Wahlsystem ist ihrer Meinung nach mitverantwortlich dafür, dass sich nur Männer auf den oberen Listenplätzen finden. Das Panaschieren bevorzuge die KandidatInnen, die persönlich sehr bekannt sind. Durch die geringere gesellschaftliche Präsenz von Frauen sei deren Popularität im Schnitt jedoch deutlich niedriger als bei Männern. Daneben werde es von den Parteien aber auch immer wieder versäumt – ob nun absichtlich oder nicht – Frauen zu stärken und als Kandidatinnen aufzubauen. Zum Zeitpunkt der Listenaufstellung gelten dann letztlich die Männer oft als chancenreicher, viele Stimmen einzufahren.

Noch immer sind Männer die Aushängeschilder der Parteien

Tatsächlich halten bei den veröffentlichen Listen allein die Grünen eine 50:50-Parität ein. Und dies wohl nur, weil sie die Quote als einzige Partei in ihrer Satzung verankert haben, meint auch Anik Raskin vom Conseil National des Femmes (CNFL). Sie ist überzeugt, dass es ohne Quote auch bei den Grünen anders aussähe. Selbst bei den Listen der CSV werde das klar: „Die CSV hat eine Quote von 30 Prozent – die hat sie fast erreicht. Das heißt also, dass die Quote schon etwas bewirkt.“ Mit insgesamt 19 Frauen (im Zentrum recht ausgewogen mit sieben Frauen bei 21 Kandidaten; im Norden nur zwei Frauen bei neun Kandidaten) erfüllen die Christsozialen in der Tat knapp ihre Selbstverpflichtung, die Listenplätze zu einem Drittel an Frauen zu vergeben.

Die LSAP erstaunt hingegen durch eine besonders geringe weibliche Besetzung: Mit 15 Frauen insgesamt zieht sie in die Wahlen und hat im Norden des Landes gerade einmal eine Frau unter zehn Kandidaten aufgestellt (im Süden und im Zentrum wird mit Müh und Not eine 1/3-Besetzung erreicht). Im Vergleich zu 2009 habe man in puncto Gleichberechtigung Fortschritte gemacht, meinte Alex Bodry dennoch anlässlich der Vorstellung des Wahlslogans am vergangenen Montag. Catia Gonçalves, Gemeinderätin für die LSAP in Petingen räumt immerhin ein, dass der weibliche Anteil an der Liste nicht zufriedenstellend sei. „In unserer Partei sind 38 Prozent der Mitglieder Frauen. Für uns wäre es eigentlich das Ziel, dies auch widerzuspiegeln.“ Der Zeitpunkt der Aufstellung sei denkbar schlecht gewesen, meint Gonçalves, zudem habe es wenig Kandidatinnen innerhalb der LSAP gegeben, die sich hätten aufstellen lassen wollen. Bei den nächsten Wahlen werde man die Listen besser und vor allem rechtzeitig vorbereiten, verspricht sie.

Déi Lénk hat ihre Listen noch nicht publik gemacht. Formal hat die Partei keine Frauenquote in ihrer Satzung verankert, wenngleich sie Gleichstellung von Frauen ausdrücklich als Ziel benennt. Auch DP und ADR wollen ihre Listen erst noch bekanntgeben. Mit der Bürgermeisterin von Mondorf schickt die DP zumindest eine Frau, Maggi Nagel, als Spitzenkandidatin ins Rennen.

Auch die ‚alternativen‘ Piraten glänzen nicht in Sachen Gleichberechtigung. Auf ihrer Südliste stehen gerade mal zwei Frauen unter 23; im Osten sind zumindest drei von sieben Kandidaten Frauen. Die Liste fürs Zentrum steht noch nicht, „aber es sieht dort ähnlich schlecht aus“, räumt Parteipräsident Sven Clement zähneknirschend ein. Auch die Piraten haben in ihrer Satzung keine Frauenquote verankert. „Eine bewusste Entscheidung“, so Clement. Denn eine Quote sei nicht unbedingt das, was Frauen in die Politik ziehe oder motiviere, dabeizubleiben. Selbstkritisch räumt Clement ein, dass in dieser Hinsicht bei den Piraten Verbesserungsbedarf bestehe. „Das liegt aber auch schlicht daran, dass wir unter knapp 300 Mitgliedern nur 23 Frauen haben.“ Frauen hätten bei den Piraten damit zumindest „überdurchschnittlich gute Chancen“, tröstet er sich.

In Luxemburg herrscht allgemeine Stagnation, was den Frauenanteil bei den Parteien angeht

Betrachtet man also die reale Partizipation von Frauen am zumindest potenziell einflussreichen Parteien- und Parlamentsbetrieb, so hat sich trotz aller Diskussionen wenig verändert – es herrscht Stagnation, was den Frauenanteil angeht. Dass sich mit gutem Willen allein nicht viel tut, ist keine neue Erkenntnis. „Solange es keinen Zwang gibt, geschieht einfach nichts. Das ist klar. Wenn es so weiter geht mit den Listen, dann gibt es sogar einen Rückgang“, meint Anik Raskin.

Beim Blick zurück auf die Konjunktur weiblicher Kandidaturen bei den Parlamentswahlen und den realen Frauenanteil zwischen 1968 (2,9 Prozent) und 1999 (29,4 Prozent) zeigt sich zwar ein deutlicher Anstieg der politischen Partizipation von Frauen. Doch seit 1999 bis zu den letzten legislativen Wahlen 2009 (34,1 Prozent) lässt sich eben jene Stagnation nachweisen. Bis heute. Allein Déi Gréng setzen seit ihrer Gründung konsequent auf Gleichstellung und erreichten damit schon früh Parität. Lag deren Frauenanteil 1994 noch bei 35 Prozent, so stieg er bis 2009 auf 48,3 Prozent an. Eine 1/3-Beteiligung erreichten die CSV und erstaunlicherweise die ADR, die es 2009 auf einen Frauenanteil von 45 Prozent brachte. Nur Déi Lénk liefen die Frauen davon: Zwischen 2004 auf 2009 verzeichnet die Partei einen Rückgang von zehn Prozent.

Immerhin „langsame Fortschritte“ macht Colette Kutten bei der Entwicklung in Luxemburg aus. Wenngleich die LSAP ihr Ziel nicht erreicht habe, so sei es grundsätzlich positiv, dass CSV und LSAP zumindest eine Selbstverpflichtung haben. „Die Frauenorganisationen sehen ein dringendes Bedürfnis nach gesetzlichen Quoten für die Wahllisten – notfalls auch mit Sanktionen, wenn diese nicht eingehalten werden. Ich denke, das ist der Weg, den wir gehen müssen“, meint Kutten.

Jenseits des Parlaments und der Parteienlandschaft schneidet das Großherzogtum laut einem vom Genderinstitut europaweit etablierten Index in vielen Bereichen zwar insgesamt gut ab. Nicht jedoch „bei den Führungspositionen, da sind wir zweitletzte in Europa“ erzählt Raskin, für die dieses Ergebnis Bände spricht. Blicke man nach Frankreich, wo seit 2000 die ersten Quoten eingeführt worden sind, so habe sich nach jeder Wahl dort gezeigt, dass eine gesetzlich festgehaltene Parität ihre Wirkung hat. Viviane Redings Quotenregelung in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen ist damit vielleicht ein wichtiger Vorstoß, hat auf Luxemburg selbst jedoch kaum Einfluss, zumal es hier nur eine Hand voll solcher Unternehmen gibt.

Zur Quote gibt es keine wirkungsvolle Alternative

Ohnehin seien Quoten in den Verwaltungsräten „nur Alibi für Ungleichheit an der Basis“, sagt Justin Turpel von Déi Lénk, der der Meinung ist, dass Parteien traditionell paternalistisch sind.

Die Realität zeigt indes: Zur Quote gibt es keine wirkungsvolle Alternative, sie ist ein praktikables Instrument. „Geschlechterparität ist schon allein aus einem elementaren Demokratieverständnis heraus eine berechtigte Forderung“, so Kutten. Oft seien die Interessen und Anliegen von Frauen den Männern einfach nicht bewusst, natürlich gehe es deshalb auch um veränderte Inhalte in der Politik. „Ich wähle ja nicht eine Frau, allein weil es eine Frau ist, und gerade das ist ja auch ein Argument für paritätische Listen, damit man auch die Kandidatinnen auswählen kann, von denen man sich wirklich vertreten fühlt.“


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