EU-DATENBANKEN: Europaweiter Bewegungsmelder

Jetzt kommt die new SIS II generation: Das „Schengen Information System“ soll alle gesammelten Personendaten von EU-BürgerInnen und Zugereisten erfassen. Eine europäische Idee im besten Sinne der gut überwachten Festungsideologie.

Big Brother is scanning you

Wieder einmal wird dem Dreiländereck Schengen große Ehre erwiesen. Ausgerechnet die womöglich weltweit größte Datenbank für Personendaten trägt den Namen des kleinen Örtchens am luxemburgischen Moselufer. Geht es nach dem Willen der Kommission sollen in der 2. Auflage des Schengen Information Systems, kurz SIS, nahezu die Gesamtheit aller in der EU erhobenen Personendaten sowohl von EU-BürgerInnen als auch von Einreisewilligen zusammengetragen werden.

Dem Prinzip eines Visa Informationssystem (VIS) stimmte der EU-Innenministerrat am 19. Februar zu. Die Kommission wird nun ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten. Im VIS könnten dann ab 2006 Angaben von über 70 Millionen Menschen gespeichert werden – dies wäre die größte Datenbank der Welt. Hauptziel der Installation des europäischen Giga-Speichers: Betrug und Schwindel bei der Visa-Vergabe abschaffen. Es gelte, „visa shopping“ zu verhindern, so die Kommission in ihrem Papier. Dieser neu-europäische Begriff wurde kurzerhand von dem des „Asylshoppings“ abgeleitet und klingt mindestens ebenso einladend.

Doch darum, das Image des freien und grenzenlosen Europas aufzupeppeln, geht es ohnehin nicht einmal mehr in offiziellen Darstellungen. Mit Hilfe von SIS soll künftig jede Bewegung in die und innerhalb der EU überwachbar sein. Dank Mikrochips in EU-Pässen oder Visa-Dokumenten soll nachvollziehbar werden, welche Menschen sich in die EU begeben wollen und wie sich Einheimische und Zugereiste innerhalb des EU-Territoriums bewegen. Das Instrument für die interne Überwachung wird der neue europäische Pass sein. Den Vorschlag für dieses Zukunftsszenario legte die Kommission ebenfalls vergangene Woche vor.

Auch hier schwebt Brüssel Größeres vor. Dem Kommissionsplan nach bekämen EU-BürgerInnen in einer ersten Stufe ab 2005 neue Pässe mit digitalisierten Fotos. Stufe 2 sieht so genannte ‚Eintragungszentren‘ vor, in denen alle PassträgerInnen vorsprechen und wo unter anderem ein Spezialfoto angefertigt wird. Auf dem Mikrochip könnten so immerhin 1.800 spezifische Gesichtsmerkmale eingescannt werden. Ebenfalls in Stufe 2 würde ein „Europäisches Passregister“ aufgebaut. Hier, so heißt es im Kommissionstext, sollten dann zudem Fingerabdruckscans abgespeichert werden. Ob diese in den „Eintragungszentren“ überhaupt erhoben werden, soll jedoch den Mitgliedstaaten überlassen bleiben.

Die Frage, welcher Spielraum den EU-Staaten in diesem Punkt tatsächlich zugestanden wird, ist jedoch noch offen. Der deutsche Innenminister Otto Schily, der bekanntlich über großes Durchsetzungsvermögen im Innenministerrat verfügt, kündigte bereits an, er werde sich für die Aufnahme der Fingerabdrücke als obligatorisches Merkmal im europäischen Pass einsetzen.

Solche Aussagen machen deutlich: Das Vorantreiben des Projektes einer EU-weiten Überwachungszone geschieht keineswegs, wie es Brüssel gerne darstellt, auf Druck der USA. „Die Harmonisierung der Sicherheitsbestimmungen inklusive biometrischer Merkmale für den Europäischen Pass würde auch einen großen Impakt auf unsere Beziehungen mit Drittstaaten, zum Beispiel mit den USA haben“, betont die Kommission in ihrem Papier. Das klingt wie eine Drohung gegenüber potenzieller Kritik. Tatsache ist, dass laut US-Gesetz, jedeR EinreisendeR über einen biometrischen Pass verfügen muss. Tatsache ist aber auch, dass die EU auch ohne diese Vorgabe längst den Weg der biometrischen Identifikation von Personen beschritten hat.

Bedenken bezüglich des Datenschutzes werden indessen bislang nur selten geäußert. Organisationen wie ‚Statewatch‘ weisen regelmäßig darauf hin, dass selbst die bereits bestehenden, dürftigen europäischen Datenschutzgesetze durch EU-Abkommen mit den USA oder Drittstaaten unterwandert werden. Ausgehandelt wurden sie auf europäischer Seite von Vertretern der Kommission. Und die hatten mit Sicherheit die new SIS generation immer im Blick.


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