BUDGET 2006: Weniger, aber nicht anders

Kultur und Sport als Erstes, der Sozialstaat hintendran. Budgetminister Frieden setzt den Rotstift an und gestaltet damit nachhaltig die Politik. Unter fragwürdigen Vorzeichen.

Glauben wir den Schätzungen von Budgetminister Luc Frieden, wird der Luxemburger Staatshaushalt im Jahre 2006 mit einem Defizit von 301 Millionen Euro abschließen. Damit wird der Luxemburger Staat im nächsten Jahr pro Einwohner etwa 670 Euro mehr ausgeben, als er an Steuern einnehmen wird. Eine Katastrophe?

Allenfalls ein ungünstiger Trend, denn nach 2005 wäre es das dritte Mal in Folge, dass der Staatshaushalt ein Defizit aufweist. Ob die Tendenz so eindeutig ist, wie die Zahlen des Budgetministers es uns zeigen wollen, das bleibt abzuwarten. Zwischen Budgetplanung und Haushaltswirklichkeit tun sich hierzulande nämlich jedes Jahr erhebliche Unterschiede auf. So nahm der Luxemburger Staat im Jahre 2004 rund 342 Millionen Euro mehr ein, als im Budgetvorschlag für 2004 angekündigt worden war. Aus dem geplanten Defizit von 88 Millionen wurde am Ende ein Überschuss von 71 Millionen Euro. Allein die regelmäßigen Steuereinnahmen waren um rund sechs Prozent unterschätzt worden. So viel zur Genauigkeit staatlicher Finanzplanung. Aber selbst präzise Zahlen würden wohl kaum etwas nützen gegen eine perfekt inszenierte Show, die uns auf die Notwendigkeit einer Austeritätspolitik erster Güte vorbereiten soll. Der Premierminister vor dem Parlament, der Wirtschaftsminister anlässlich der Herbstmesse und jetzt der Vortrag des Budgetministers bei der Vorlage des Budgets für das Jahr 2006: Sie alle beteuern, dass sie das Luxemburger Sozialmodell erhalten wollen – indem sie lieber heute als morgen mit seinem Abbau beginnen.

Wer ohne viele Überlegungen das Tafelsilber verscherbelt, riskiert dabei so manch schlechtes Geschäft. Sicher gibt es im Luxemburger Sozialstaat Fehlentwicklungen und Einsparpotenziale. Doch wird der Blick nur auf das gerichtet, was unter dem Strich herauskommt, dann sind Verschlimmbesserungen vorprogrammiert.

Einige der vom Budgetminister aufgezählten Sparansätze lassen in dieser Hinsicht aufhorchen. So liegt nach seinen Angaben beim öffentlichen Personentransport der Deckungsgrad bei lediglich zwölf Prozent. Diese Rechnung mag bezüglich der Betriebskosten korrekt sein, doch was wäre eine adäquate Antwort auf dieses Problem? Eine Verachtfachung der Bus- und Bahnpreise? Sicherlich nicht. Dass ein in weiten Teilen unadäquates und teures System verbesserungsfähig ist, soll hier nicht in Abrede gestellt werden. Doch wird die Lösung eher in der Optimierung des Angebots zu suchen sein. Dass BTB mit mehr als zehn Jahren Verspätung auf die Schienen gestellt wird, ist ja nicht der Fehler der Bus- und BahnbenutzerInnen. Eine massive Erhöhung der Fahrpreise wäre insofern das falsche Signal im falschen Moment.

Zweites Beispiel: Die Zeiten, in denen Familienpolitik allein über Kindergeld betrieben wurde, sind längst vorbei. Und jetzt tun sich im Staatshaushalt auf einmal Kostenstellen auf, die Budgetminister Frieden sogleich wieder stopfen will. Gemeint ist die staatliche und kommunale Beteiligung an den Kinderbetreuungsstätten. Werden diese Leistungen zurückgeschraubt, kann das nur mit einer Verteuerung der Tagessätze oder einer Verschlechterung des Angebots einhergehen – im schlimmsten Falle ein Weg zurück zum CSV-Hausfrauenmodell der 60er Jahre.

Und auf einmal sollen auch die so oft gepriesenen niedrigen Lohnnebenkosten in Frage gestellt werden. Da Luxemburg sein Sozialversicherungsmodell zu weiten Teilen über Steuern finanziert, fällt die direkte Belastung der Betriebe entsprechend niedrig aus.

Friedens Problem: Jeder neu entstehende Arbeitsplatz trägt zur Vergrößerung der Lohnmasse bei und damit zu mehr Sozialbeiträgen, die der Staat mit einem Drittel bezuschusst. Wo andere Budgetminister sich ob zusätzlicher Steuereinnahmen die Hände reiben, sieht Luc Frieden nur die damit verbundenen Mehrausgaben des Staates. Die Lohn- und Einkommensteuersenkung Anfang dieses Jahrzehnts war wohl doch zu großzügig bemessen. Jetzt fehlt das zur Umverteilung notwendige Geld.

Sparen, um vorhandenes Geld sinnvoller einzusetzen, wäre ein wichtiger Schritt zu mehr politischer Kohärenz. Wichtige und viel genutzte soziale Dienstleistungen abbauen, nur weil sie erfolgreich sind und deshalb auch etwas Geld kosten, ist keine Lösung.


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